Urlaub als Spagat zwischen Fernweh und Sicherheit

Ein Pilotprojekt erforscht die Grundlagen für sicheres Reisen nach der globalen Pandemie-Erfahrung

„Do not touch“ - was im touristischen Kontext aus Vor-Corona-Zeiten allenfalls im Museum galt, praktizieren viele seit der Pandemie auch bei Fahrstuhlknöpfen oder der Tür zur Hotelbar. Wegen solcher „dirty pads“ und anderer durch Covid entstandener Probleme muss sich die Tourismusbranche nun neue Konzepte überlegen, um sicheres Reisen möglich und den Kunden schmackhaft zu machen. Wie, das erforscht seit Januar ein Pilotprojekt der Universität Augsburg in Kooperation mit der Hochschule Kempten.

Alleine im Urlaub? Wie in Zeiten der Corona-Pandemie „Low- & No-Touch Tourism“ gelingen kann, wird an der Universität Augsburg erforscht. Colourbox

Schon der Name „Low- & No-Touch Tourism“ zergeht auf der Zunge wie toskanisches Orangensorbet und weckt Fernweh. „Das ist ja auch die Branche, wo Potential nicht verloren geht“, erklärt der Augsburger Humangeograph Markus Hilpert. „Im Gegensatz z.B. zum Online-Einkauf, bei dem Kunden bleiben werden, kann man eigenes Reisen nicht durch noch so gut gemachte Fernseh-Dokus oder augmented reality ersetzen.“

Mit den Lockerungen buchen die Menschen wieder, aber die steigenden Preise für Wohnmobile oder autarke Chalets zeugen von deutlichem Sicherheitsbedürfnis, obwohl Abstand im Tourismus eigentlich ein Paradox ist: Vor der Pandemie wollten 43 Prozent gerade im Urlaub Kontakte knüpfen, und persönlicher Service nahe am Kunden war das Aushängeschild vieler Anbieter. Die Augsburger und Kemptener Fragestellung ist, ob kontaktarmes oder gar -loses Reisen überhaupt möglich ist. Während sich „No-Touch“ bald als unrealistisch herausstellte, trug das Team zu „Low-Touch“ Tourism eine umfangreiche Datenbank zusammen: Weltweit wurde per Desktop-Suche und Telefon nach Bedarf, Geplantem und schon Umgesetztem etwa in der Gastronomie, Beherbergung sowie weiteren Bereichen recherchiert. Ebenso wurden Informationen zur  gesamten „visitor journey“ gesammelt,  also von Urlaubssuche und Buchung bis Abreise und post-stay Kommunikation.

Aus den Ergebnissen entwickelte Hilpert das CCC-Konzept – drei kritische Punkte, die man für Low-Touch-Reisen verändern muss: 1. Crowd (u.a. Vermeidung von Gruppenbildung oder Wartezeiten, Marketing für hidden places), 2. Contact (v.a. digitale Alternativen für near contact services und -Kommunikation), 3. Control (Sensoren, Gesichtserkennung, Sprachassistenten anstatt touch points). Bayern bescheinigt Hilpert vor allem dank der vielen Outdoor-Attraktionen Potential.

Zurzeit werden erste Publikationen vorbereitet und in einem letzten Schritt soll das Projekt mit der Praxis verbunden werden. Dafür sucht Hilpert noch interessierte Partnerinnen und Partner aus sämtlichen Bereichen der Branche. Er geht davon aus, dass das Sicherheitsbedürfnis der Menschen dauerhaft Reise-Entscheidungen mitprägen wird, „auch wenn es wohl kein Corona-Trauma geben wird. Aber künftig könnten CCC-Zertifizierungen den Ausschlag für eine Buchung geben.“ ck

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