Große Werke der Literatur XVII

© Universität Augsburg

Die Ringvorlesung, in Augsburg inzwischen eine Institution, will an interessante Literatur heranführen, das Monumentale verlebendigen und näherbringen, das Schwierige auflösen, aber auch Verständnis für das Widersprüchliche oder Sperrige wecken. Grundsätzlich sollen Werke aus verschiedenen Nationalliteraturen vorgestellt werden. Und immer geht es, bei aller wissenschaftlichen Fundierung, um Anschaulichkeit und ganz einfach Freude am Lesen. Dass die Vortragenden ihre Themen frei gewählt haben, ist dafür sicher eine gute Voraussetzung.

 

PROGRAMM IM SOMMERSEMESTER 2023

Veranstaltungsort/-zeit: Stadtbücherei Augsburg, 18:30-20:00 Uhr

 

  • 26. April 2023
    Johann Wolfgang von Goethe, Dichtung und Wahrheit.
    Mathias Mayer (Augsburg)

     
  • 10. Mai 2023
    Louise Erdrich, Der Nachtwächter.
    Katja Sarkowsky (Augsburg) 
     
  • 14. Juni 2023
    Alois Hotschnig, Der Silberfuchs meiner Mutter.
    Stephanie Waldow (Augsburg)
     
  • 28. Juni 2023
    Kaneshiro Kazuki, GO!
    Maren Haufs-Brusberg (Düsseldorf)
     
  • 12. Juli 2023
    Pier Paolo Pasolini, Freibeuterschriften.
    Peter A. Kraus (Augsburg)

     
  • 19. Juli 2023
    Irmtraud Morgner, Amanda: Ein Hexenroman.
    Susanna Layh (Augsburg)

     

Die Vorträge finden in der Augsburger Stadtbücherei (Ernst-Reuter-Platz 1) statt. Eine Teilnahme online über Zoom ist ebenfalls möglich, melden Sie sich in diesem Fall vorab unter folgender E-Mail-Adresse an:
sekretariat.amerikanistik@philhist.uni-augsburg.de

 

26.04.2023 | Mathias Mayer: J. W. v. Goethe. Dichtung und Wahrheit

 

Goethes Autobiographie gilt als eines der großen Monumente dieser Gattung. Aber wie monumental, wie monologisch, wie "männlich" ist dieses Werk überhaupt, das über einen Zeitraum von zwanzig Jahren entstanden ist? Welche Indizien sprechen dafür, hier von einem Text der Moderne zu sprechen, im Sinne einer dialogischen Offenheit? Der Vortrag wird zunächst eine Einführung in die Entstehungsgeschichte, die Hintergründe und den Aufbau von Dichtung und Wahrheit liefern, dann aber einzelne Strategien der Darstellung genauer beleuchten und zuletzt versuchen, Goethes Autobiographie aus dem Horizont unserer Gegenwart zu würdigen. 

10.05.2023 | Katja Sarkowsky: Louise Erdrich. Der Nachtwächter.

 

Es ist 1953, und in den USA beginnt die sog. "Terminationspolitik", die die Reservate auflösen und die indigene Bevölkerung in die US-amerikanische Mehrheitskultur und vor allem den Arbeitsmarkt assimilieren soll. Thomas Wazhashk - der eponyme Nachwächter in einer Fabrik, der gleichzeitig auch Mitglied des Stammesrats der Turtle Mountain Chippewa ist - will um jeden Preis verhindern, dass deren Reservat auf die Terminierungsliste gesetzt wird. Um diesen realen Rechtstreit herum erzählt Louise Erdrich - eine der prominentesten amerikanische Romanautorinnen der Gegenwart und selbst ein Mitglied der Turtle Mountain Chippewa - meisterhaft und multiperspektivisch die Geschichte unterschiedlicher Familien auf dem Reservat und das Ringen der Gemeinschaft um eine Zukunftsvision von Selbstbestimmung.

14.06.2023 | Stephanie Waldow: Alois Hotschnig. Der Silberfuchs meiner Mutter
 

Hotschnig ist ein Meister der kleinen Werke. In einer bis aufs Äußerste reduzierten Sprache lässt er Bilder entstehen, die weit über den Erzählrahmen des Textes hinausgehen. So auch in seinem aktuellen Roman Der Silberfuchs meiner Mutter. Den Echoraum des Textes bildet die Schauspielkarriere der Figur Heinz Fritz, innerhalb dessen große Themen, wie die Traumata des zweiten Weltkriegs, Flucht, Migration und Misshandlung scheinbar nebenbei verhandelt werden. Entstanden ist ein Text voller Erinnerungslücken, sprachlicher Stolpersteine und abweichender Versionen der eigenen Lebensgeschichte. Auch wenn Hotschnig für seinen Roman über fünf Jahre mit dem Schauspieler Heinz Fitz Gespräche über sein Leben geführt hat, handelt es sich dennoch nicht um eine Biografie, denn am Ende steht die große Frage: Was ist überhaupt noch stimmig? Eine Frage, auf die nicht nur die Figur des Romans, sondern auch die Leser*innen zurückgeworfen sind.

 

 

28.06.2023 | Maren Haufs-Brusberg: Kaneshiro Kazuki. GO!

 

Mit seinem Roman GO gelingt dem japankoreanischen Autor Kaneshiro Kazuki im Jahr 2000 ein regelrechter Verkaufserfolg. Bereits ein Jahr nach seinem Erscheinen wird GO (benannt nach dem englischen Verb „go“) in Japan verfilmt und liegt seit 2011 auch in deutscher Übersetzung vor. Im Mittelpunkt der Erzählung steht der Jugendliche Sugihara, dessen koreanische Eltern im Zuge der Kolonialisierung Koreas nach Japan emigrierten. Humorvoll und temporeich verknüpft Kaneshiro unter dem Deckmantel einer Liebesgeschichte und in Form einer coming-of-age-Story diverse aktuelle Themen wie die Diskriminierung der koreanischstämmigen Minderheit in Japan, das Erbe des Kolonialismus und die Kritik von Nationalismen und ethnischen Identitätszuschreibungen. Der Fokus des Vortrags liegt auf diesen politischen Aspekten und deren literarischer Verhandlung unter Berücksichtigung postkolonialer Perspektiven.

 

 

12.07.2023 | Peter A. Kraus: Pier Paolo Pasolini. Freibeuterschriften
 

Fünf Jahrzehnte nach der Ermordung Pier Paolo Pasolinis hat dessen vielschichtiges und verschiedene Genres umspannende Werk nichts an Aktualität eingebüßt. Dies gilt sowohl für das filmische als auch für das literarische Schaffen eines Autors, der Zeit seines Lebens für Polemiken und Kontroversen sorgte. Pasolinis Aktualität zeigt sich nicht zuletzt in seinen journalistischen und essayistischen Arbeiten, für die die Scritti corsari emblematisch stehen. Aus heutiger Perspektive erweisen sich die dort enthaltenen Beiträge als von geradezu prophetischer Natur. Sie sind ein lauter Aufschrei gegen das unaufhaltsame Vordringen einer auf Konsumismus und Konformismus gebauten Massenkultur; einer Kultur, deren zerstörerische Effekte heute nicht nur in Italien, sondern überall in einem unter der Hegemonie des Neoliberalismus uniformierten Europa sichtbar sind.

 

 

19.07.2023 | Susanna Layh: Irmtraud Morgner. Amanda: Ein Hexenroman.

 

Hexen, Teufel, Fabelwesen tummeln sich Anfang der 1980er Jahre in Ost-Berlin. Historische und mythologische Frauenfiguren werden als gesellschaftskritische Kommentatorinnen in Sirenengestalt zu neuem literarischen Leben erweckt. Am Pranger steht das Ungleichgewicht der Geschlechter in der zeitgenössischen DDR wie das präapokalyptisch anmutende Weltgeschehen. Die Sirenen berichten über Kriege, Armut und Ausbeutung. Sie warnen vor der drohenden Selbstzerstörung der Menschheit und einer Vernichtung des Planeten durch einen atomaren Krieg oder potenzielle ökologische Katastrophen. In diesem vielschichtigen, multiperspektivischen Roman der DDR-Autorin mischt sich realistische Alltagsdarstellung mit Wunderbarem, Phantastischem und Utopisch-Dystopischem. Irmtraud Morgners „Amanda: Ein Hexenroman“ (1983) kann damit als ein zeitdiagnostisches dystopisches Erzählexperiment wie als metafiktionales Gedankenspiel über die Wirkmacht der Literatur gelesen werden, das seine Aktualität bis heute nicht verloren hat.

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