Lucien Castaing-Taylor / Véréna Paravel, Leviathan
"Leviathan" löste ein Beben des Sehens aus, als er 2012 in die Kinos kam. Castaing-Taylor/Paravel betreiben das Filmemachen als Feldforschung. Sie setzen GoPro-Kameras ein, um die industrielle Hochseefischerei aus Perspektiven zu zeigen, die den menschlichen Sinnen zumeist entgehen.
Roberto Rossellini,
Roma città aperta
Ein nüchterner Blick auf ein unter deutscher Besatzung stehendes Rom des Jahres 1943: Mit seinem effektvollen Meisterwerk "Roma città aperta" (1945) legt Roberto Rossellini einen der wichtigsten Grundsteine des italienischen Neorealismus, einer neuen medialen Ausdrucksform, die aus einer genauen Beobachtung der Fakten entsteht und das Reale wiedergibt. Rossellini erzählt in seinem Drama von Einzelschicksalen und gleichzeitig von der Geschichte eines zerschlagenen Landes, vom kollektiven Leid sowie von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Hintergründe, Aufbau und Strategien der Darstellung werden im Vortrag anhand von Schlüsselszenen analysiert, um Besonderheiten und Spezifika dieses Klassikers der Filmgeschichte zu erarbeiten.
13.12.2023
Gianni Amelio,
Lamerica
Seit den 1990er Jahren befindet sich Italien im Brennpunkt der Migrationsbewegungen nach Westeuropa. Gianni Amelios "Lamerica" aus dem Jahr 1994 gelingt es als einer der ersten Filmproduktionen, die Komplexität der Situation vor Augen zu führen und um eine postkoloniale Perspektive zu erweitern – ein Klassiker des italienischen Migrationskinos.
17.01.2024
Damien Chazelle,
La La Land
Damien Chazelles Meta-Musical "La La Land" (2016) ist vordergründig eine Romanze wie eine Hommage an Hollywood, zugleich aber eine konsumkritische Reflexion des Showbusiness und der Traumfabrik selbst. Auf den zweiten Blick stellt sich gerade die Wiederbelebung des Musical-Genres als Folge einer experimentellen Ästhetik heraus, die hinreißende Musik darbietet und zugleich die traditionellen Normen des Musicals wie des Filmemachens in Frage stellt. Der Vortrag wird sich insbesondere der kreativen Hybridität von Genres, Beispielen von parodie- und pastichehafter Intertextualität und Intermedialität, der Gegenüberstellung von metafiktionalen und realistischen Elementen, der fluiden Erzähl- und Zeitstruktur sowie Ambiguitäten im Erzählen und in der Choreographie des Films annehmen.
07.02.2024
Chloé Zhao,
Nomadland
Wo können Menschen ein Zuhause finden, wenn sie ihr Haus verloren oder aufgegeben haben? Der Film "Nomadland" von Chloé Zhao (2020) erzählt von einer Frau namens Fern (gespielt von Frances McDormand), die sich nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch ihrer Heimatstadt in ihrem Van auf eine Reise durch die USA begibt, um eine Antwort für sich zu finden. Fern ist eine von vielen "Nomaden der Arbeit" (so die deutsche Übersetzung der Buchvorlage von Jessica Bruder) oder auch "vandweller", die besonders seit der US-Immobilienkrise 2008 in ihren beweglichen Unterkünften durch das Land fahren und – teils aus der Not heraus, teils die Freiheiten schätzend – ihre eigenen Räume und Lebensweisen erschaffen. Eine bewegte Kamera, viele Perspektivwechsel und phasenweise schnell aufeinanderfolgende Szenen einerseits und lange Nah- und Panoramaaufnahmen andererseits erzeugen einen Wechsel von Verweilen und Driften, die dem Versuch Ferns, sich im 'Nomadland' zu orientieren, entsprechen. Der Vortrag führt eine Lektüre dieses Films vor, die ihrerseits Oberflächen erzeugt durch ein Verweilen und Driften in Bezügen zwischen dem Film, architekturalem Denken und Raumtheorie.