Marguerite Markgraf
Von erleichternder „Autodemolition“ und verlockender Selbstkasteiung – Autobiographisches Schreiben als existenzphilosophische Reflexion bei Jean Améry und Imre Kertész
Die Existenzphilosophie konstituiert eine der wichtigsten philosophischen Strömungen des 20. Jahrhunderts. Als genuin europäische Bewegung befinden sich ihre Zentren sowohl in Deutschland (Heidegger und Jaspers) als auch in Frankreich (Sartre und de Beauvoir). Das Spezifikum der Existenzphilosophie liegt darin, dass sie an der Schnittstelle zwischen Literatur und Philosophie verortet werden kann, was in eine Präferenz für eine essayistisch geprägte Schreibweise mündet. Die geistesgeschichtlichen Fundamente dieser Bewegung rekurrieren u.a. auf Nietzsche und Kierkegaard im 19. Jahrhundert. Inspiriert von den eben genannten Denkern sowie der Fundamentalontologie von Heidegger entwickeln sich in Frankreich der Existenzialismus mit seinem charakteristischen Fokus auf Freiheit und Engagement sowie die Theorie des Absurden (Camus). Damit avancieren die Existenzphilosophie und ihre Vorläufer zu einer der wesentlichen Einflusssphären primär für die europäische Literatur des 20. Jahrhunderts. Dass das ebenso für die Shoahliteratur der ersten Generation gilt, soll im Anschluss an die bereits erfolgte Forschung zu Elie Wiesel am Werk von Jean Améry und Imre Kertész exemplarisch demonstriert werden. Damit leistet die Arbeit einen Beitrag zur Rezeptionsgeschichte der Existenzphilosophie und deutet nicht zuletzt auf deren kaum zu überschätzende Relevanz für die Shoahliteratur hin.