Neue Therapieansätze mit bekannten Medikamenten

Neue Substanzen für Arzneimittel zu entwickeln und erforschen ist langwierig und sehr kostenintensiv. Drug Repurposing, also das Erforschen von bereits für den klinischen Einsatz zugelassenen Medikamenten für neue Anwendungen, ist darum ein gängiges Verfahren, wenn eine schnelle klinische Anwendung erwünscht ist. Schließlich sind etliche Daten zur Sicherheit der Wirkstoffe im menschlichen Organismus schon vorhanden. Aktuell versuchen Forscherinnen und Forscher weltweit dadurch neue Therapieansätze für Sars-CoV-2-Erkrankte zu finden.

 

Foto: Colourbox

Prof. Dr. Alkomiet Hasan untersucht wie solch ein Vorgehen auch bei Schizophrenie, eine der schwerwiegendsten psychiatrischen Erkrankungen, funktionieren kann.  In einer Studie versucht der Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg die Gedächtnisfunktionen bei Schizophrenie-Patienten und -Patientinnen durch ein Rauchentwöhnungspräparat zu verbessern.

Ziel: Verbesserte Gedächtnisfunktionen

Schizophrenie hat trotz moderner medikamentöser und psychosozialer Behandlungsverfahren massive Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen. Gedächtnisstörungen sorgen neben Symptomen wie Verfolgungswahn oder akustischen Halluzinationen zu einem niedrigen sozialen und beruflichen Funktionsniveau der Patienten und Patientinnen. Verbesserungen in diesem Bereich haben direkten Einfluss auf das Lebensgefühl der Betroffenen. Vorhandene Antipsychotika können viele der Symptome kontrollieren, beheben jedoch die Gedächtnisstörungen nicht. Die Forschergruppe unter Leitung des zum 1. Februar nach Augsburg berufenen Professors Hasan nimmt sich dieser kognitiven Defizite nun an.

Hirnstimulation als Modifikation

Der Grundgedanke ist, ein Rauchentwöhnungs-Medikament mit moderner Neurostimulation zu kombinieren. Diese Idee beruht auf der Annahme der Ärzte, dass Rauchen bei Menschen mit einer Schizophrenie eine Art Selbstmedikation zur Verbesserung kognitiver Funktionen darstelle. Ein Großteil aller Menschen mit einer Schizophrenie rauchen. Insgesamt 60 Teilnehmende erhalten in der Pilotstudie verschiedene Kombinationen von Hirnstimulation und dem Rauchentwöhnungsmedikament Vareniclin. Über die gemeinsame Stimulation der Nikotinrezeptoren soll eine Verbesserung der Gedächtnisleistung gelingen. „Jede Verbesserung dieser schwerwiegenden Erkrankung, die ohne signifikante Nebenwirkungen auftritt, werten wir als großen Erfolg“, erklärt Hasan. Sowohl die Hirnstimulation als auch die Gabe von Vareniclin seien gut verträglich. Die Studie wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

Drug Repurposing: Weitere Studien

Auch bei anderen Aspekten der Schizophrenie testet Alkomiet Hasan mit seinen Teams Drug Repurposing. So könnte Spironolacton, ein Blutdruckmedikament aus den 60ern, zur Behandlung von kognitiven Symptomen und Negativsymptomen der Schizophrenie wirken. Hinweise für eine mögliche Effektivität finden sich in präklinischen Studien. Die ersten Ergebnisse der Studie Spiro-Treat werden im Oktober dieses Jahres erwartet. Hierfür wurden in Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität, der Technischen Universität München und der Universität Regensburg insgesamt 90 Menschen mit einer Schizophrenie in die Studie eingeschlossen, für drei Wochen behandelt und für weitere 9 Wochen nachbeobachtet.

Wie der „Hustenlöser“ NAC bei Restsymptomen der Schizophrenie einsetzbar ist, wenn Patientinnen und Patienten ein entzündliches Blutprofil haben, soll eine EU-geförderte Studie in dem europäischen Konsortium PerMedSchiz untersuchen. „Das ist klassisches Repurposing kombiniert mit personalisierter Medizin“, beschreibt Hasan das Projekt, das im Herbst starten wird. In einer weiteren Studie prüfen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ob sich bei einem etablierten Reserve-Antipsychotikum aus den 70er Jahren die Indikation erweitern lässt. Das Arzneimittel könne, so die Annahme von einem so genannten third-line-Therapeutikum zu einem second-line-Therapeutikum werden. Das sind Arzneimittel bzw. Therapien, die angewendet werden, wenn die erste Behandlung, oder first-line-Therapie, nicht wirkt oder zu wirken aufgehört hat. Diese EARLY-Studie wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert und soll vor allem frühzeitig schwere Erkrankungsverläufe verhindern.

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