Resilienz in der Antike: ökologische, soziale und kulturelle Systeme zwischen Beharrung und Transformation

Wie gingen antike Gesellschaften mit Transformationsprozessen und Krisenphänomenen um? Wie deuteten sie diese aus? Und vor allem: welche Strukturen bildeten sie aus, um sie zu bewältigen? Mit diesen Fragen wird sich in den nächsten zwei Jahren ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Netzwerk beschäftigen, das altertumswissenschaftliche Nachwuchsforscherinnen und -forscher aus dem In- und Ausland zusammenbringt.

Olivenbaum auf der Athener Akropolis. Er soll den Athenern von ihrer Schutzgöttin Athena geschenkt worden sein. Während der Perserkriege (480/79 v. Chr.) wurde er verbrannt, soll jedoch bereits am nächsten Tag wieder aus der Erde gewachsen sein. Er stand damit stellvertretend für die Regeneration der Stadt nach den Kriegen. CC BY-NC-ND

Ein strukturgeschichtlicher Blick auf historische Krisen

Die altertumswissenschaftliche Forschung hat Krisenphänomenen jedweder Art (etwa Kriegen, Krankheiten, Naturkatastrophen) viel Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei ging es zumeist um punktuelle Ereignisse und ihre Auswirkung auf die antiken Gesellschaften, jedoch weniger um die strukturellen Bewältigungsstrategien, die dabei halfen, diese Krisen zu überstehen. Genau diesen strukturgeschichtlichen Blickwinkel wählt ein DFG-Netzwerk, das von Dr. Christopher Schliephake (Alte Geschichte, Augsburg) zusammen mit Dr. Andreas Hartmann (Alte Geschichte, Augsburg) und Dr. Anna-Katharina Rieger (Klassische Archäologie, Graz) erfolgreich beantragt wurde. Neben der wichtigen Ebene der antiken staatlichen Institutionen wird es dabei v.a. um soziokulturelle sowie materielle Strategien der Selbstbehauptung gehen, die antike Gemeinschaften entwickelten, um Krisen zu überstehen – und zwar unabhängig von der Art der jeweiligen Bedrohung.

Ein neues Paradigma der altertumswissenschaftlichen Forschung

Das Netzwerk wird diese Zusammenhänge mit Hilfe des Begriffs der „Resilienz“ untersuchen. Der Begriff spielt in vielen Wissenschaftszweigen eine wichtige Rolle, wurde in den Altertumswissenschaften bislang aber wenig rezipiert. Um ihn für die Thematik fruchtbar zu machen, versteht das Netzwerk „Resilienz“ als die Fähigkeit historischer Gesellschaften, ihre Widerstandsfähigkeit im Kontext unterschiedlicher Krisen herauszustellen. Wichtig ist dabei v.a. der Aspekt der Behauptung. Resilienz ist demnach nicht einfach da, sondern muss von unterschiedlichen Akteuren in Szene gesetzt werden: z.B. durch Geschichten, performative Akte, materielle Prozesse der scheinbaren Verstetigung, Monumentalisierung usw. Es wird also, so die Arbeitshypothese, von den handelnden historischen Akteuren eher die Beharrung und Kontinuität bestimmter Gesellschaftsformen in den Mittelpunkt gerückt, weniger der Wandel und die Transformation. Die Interessen, die hinter diesen Prozessen stehen und die Art und Weise, wie sie gesellschaftlich gesehen ihre Wirksamkeit entfalten, lassen sich analysieren. Das Konzept „Resilienz“ wird dabei aus einer Vielzahl von Perspektiven – von Bewässerungssystemen über religiöse Rituale bis hin zu literarischen Werken – in den Blick genommen werden. Das Netzwerk setzt sich damit insgesamt zum Ziel, theoretisch sowie methodologisch die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen aufzuzeigen, die mit der Erforschung der „Resilienz“ in der Antike verknüpft sind. Gleichzeitig soll die Erforschung antiker Krisenphänomene auf neue Grundlagen gestellt werden.

Ein interdisziplinäres und internationales Netzwerk

Das Netzwerk führt insgesamt 16 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der postdoc-Phase zusammen, die das gesamte Spektrum der altertumswissenschaftlichen Forschung (Alte Geschichte, Klassische Archäologie, Klassische Philologie) abbilden. Je eine Hälfte wird aus Deutschland, die andere aus dem Ausland kommen. In einer Reihe von vier Workshops und einer Abschlusskonferenz, die im Frühjahr 2023 in Augsburg stattfinden wird, werden sich die Netzwerkmitglieder regelmäßig austauschen und v.a. quellenzentrierte, interdisziplinäre ausgerichtete Forschung betreiben. Der Austausch setzt dabei insbesondere auf die digitalen Möglichkeiten der Interaktion, die in den letzten Monaten vermehrt in die Wissenschaften Einzug erhalten haben. Zoom-Meetings in Kleingruppen und gemeinsame digitale Dateiordner, über die Arbeitsergebnisse ausgetauscht und kommentiert werden, werden dabei die Arbeit der Netzwerkmitglieder bestimmen. Die Arbeitstreffen werden jeweils von externen Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Fächern begleitet. Am Ende soll ein gemeinsamer Band stehen, der die Ergebnisse dokumentieren und neue Forschungsperspektiven aufzeigen wird.

Ansprechpartner

Wissenschaftlicher Assistent
Alte Geschichte

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