Nierenkrebs heilen bei minus 40 Grad

Prof. Kröncke zeigt eine Thermonadel, deren Spitzen auf bis zu -40 Grad Celsius heruntergekühlt wird um so den Tumor zu vereisen. @ Universitätsklinikum Augsburg

Nierenkrebs im Frühstadium lässt sich in der Regel heilen. Das Standardverfahren lautet Operation: Betroffene Teile oder die ganze Niere werden chirurgisch entfernt. Sind die Patientinnen und Patienten bereits älter oder haben Vorerkrankungen, kann ein operativer Eingriff zu viele Risiken mit sich bringen. Dann kommt die Interventionelle Radiologie ins Spiel: Prof. Thomas Kröncke ist Spezialist für ein nicht-operatives Verfahren, das minimal-invasive Techniken anwendet und ohne einen tiefen Schnitt in den Körper auskommt. „Wir können den Tumor punktgenau, lokal und mit geringen Nebenwirkungen behandeln, indem wir Behandlungssonden von außen durch die Haut direkt in den Tumor einbringen. Dabei handelt es sich um Thermonadeln, deren Spitzen auf bis zu -40 Grad Celsius heruntergekühlt werden und so den Tumor vereisen“, erklärt der Radiologe den als Kryoablation bezeichneten Eingriff. Dieser findet unter ständiger Kontrolle mithilfe einer computergestützten Bildgebung, der Computertomographie statt. So kann der Arzt erkennen, ob sich die Behandlungssonden genau im Tumor befinden, und sehen, ob die Vereisungszone den Tumor vollständig erfasst.

Interdisziplinäre Pilotstudie

Die Kälteverödung hat jedoch nicht nur den Vorteil, dass sie angrenzendes Nierengewebe schont und letztlich nur eine Narbe am Organ zurückbleibt. „Aufgrund anderer Studien haben wir außerdem vermutet, dass sich der Eingriff positiv auf bestimmte Zellen des Immunsystems auswirken könnte“, ergänzt die Internistin Dr. Johanna Waidhauser. Nierenkrebs zeichnet sich dadurch aus, dass er durch das körpereigene Immunsystem gut bekämpft werden kann, bisweilen kommt es sogar zur spontanen Auflösung kleiner Tumoren. In einer interdisziplinären Pilotstudie namens KryoNCC sind die Medizinerinnen und Mediziner dieser Vermutung nachgegangen und konnten sie bestätigen. Für die Studie wurden zwei Gruppen miteinander verglichen: Die eine Gruppe durchlief das Standardverfahren einer Operation, bei der anderen Gruppe kam die Kälteverödung zum Einsatz. Den Patientinnen und Patienten wurden vor und direkt nach dem jeweiligen Eingriff sowie drei Monate später Blutproben entnommen. Dabei zeigte sich bei den Operierten beim Vergleich der Zahl und Aktivität der Immunzellen nach drei Monaten kein Unterschied zum Zustand vor dem Eingriff. „Nach einer Vereisung haben wir jedoch tatsächlich eine größere Anzahl an Immunzellen gefunden, die aktiviert waren“, schildert die Ärztin das Ergebnis.

Immunsystem braucht Kontakt mit dem Feind

Während bei einer Operation der Tumor vollständig aus dem Körper entfernt wird, verbleiben bei einer Vereisung die zerstörten Tumorzellen im Körper. Körpereigene Aufräumzellen, Makrophagen genannt, transportieren die Tumorzellen ab, indem sie sie gewissermaßen auffressen und ihre Reste auf der eigenen Zelloberfläche zeigen. „Dadurch geraten weitere Zellen des Immunsystems mit dem Feind in Kontakt und werden geradezu aufgestachelt. Das sind vor allem Lymphozyten, eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen“, beschreibt Waidhauser die Aktivierung des Immunsystems. Diese aktivierten Zellen können dann selbstständig Tumorgewebe erkennen und zerstören. Sie bilden sogar ein Gedächtnis aus, sodass sie auch Jahre später, wenn neue Tumoren auftreten, wieder aktiv werden können.

Körpereigene Abwehr spielt eine wichtige Rolle

In den letzten Jahren wurde in der Krebsmedizin immer deutlicher, dass die körpereigene Tumorabwehr wichtiger ist als gedacht. Bei manchen Krebsarten gibt es inzwischen Verfahren der Immuntherapie, die das Immunsystem so weit stärken, dass es aus eigener Kraft Krebszellen zerstören kann. Dazu gehören Hautkrebs, Lungenkrebs, und eben Nierenkrebs. „Mit der Studie konnten wir unsere Annahme bestätigen, dass die Kryoablation nicht nur ein schonendes Verfahren ist, sondern darüber hinaus das Immunsystem zur eigenständigen Krebsbekämpfung anregt. Das ist ein großer Erfolg!“, fasst der Onkologe PD Dr. Andreas Rank die Ergebnisse kurz zusammen.

 

KryoNCC-Pilotstudie:
Beteiligte: II. Medizinische Klinik, Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Institut für Pathologie und Molekulare Diagnostik, Urologische Klinik am Universitätsklinikum Augsburg
Koordination: Comprehensive Cancer Center Augsburg, das alle 29 onkologischen Fachdisziplinen am Universitätsklinikum bündelt
Laufzeit: 1.2020-3.2021
Studienteilnehmer*innen: 25 Personen, davon 18 Männer und 7 Frauen. Altersdurchschnitt: 69 Jahre

 

Unsere Forschenden

Prof. Dr. med. Thomas Kröncke MBA
Lehrstuhlinhaber
Diagnostische und Interventionelle Radiologie
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