Lebensraum: Uni-Heide

"Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein." - Albert Einstein, Physiker

Flussschotterheiden bildeten viele Jahrhunderte lang die natürlichen Ökosysteme an Lech und Wertach und waren darüber hinaus im ganzen südbayerischen Raum verbreitet. Sie zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas und gleichen einem Mosaik vielfältiger Standortbedingungen auf engem Raum. Heute sind derartige Flächen bis auf wenige Relikte, wie etwa die Königsbrunner Heide oder Schießplatzheide, verschwunden. Doch lassen sich solche Magerrasen mit ihrer vielfältigen Blütenpracht durch gezielte Maßnahmen wieder zum Leben erwecken, wie die sogenannte Uni-Heide rund um das Wissenschaftszentrum Umwelt (Gebäude U) zeigt. Durch eine Kooperation zwischen der Didaktik für Biologie, dem WZU und dem Landschaftspflegeverband Augsburg wurde im Sommersemester 2013 die Grundlage für die Entstehung einer neuen Lechheide direkt auf dem Campusgelände gelegt. Hierzu ging man wie folgt vor: Zehn Zentimeter des vorhandenen Oberbodens wurden abgetragen und durch eine Kiesschicht ersetzt. Studierende der Didaktik der Biologie brachten darauf dann die Mahd einer Lechheidefläche aus. Mehr als 100 für Südbayern typische Pflanzenarten können so auf dem Campus heimisch werden und hier eine vielfältigere natürliche Umgebung schaffen. Dass die Anlegung der Uni-Heide sich als fruchtbar erwies konnte eine Vegetationskartierung im Sommersemester 2016 belegen, bei welcher 112 verschiedene Pflanzenarten bestimmt werden konnten. Die Vielfalt der Flora und Vegetation bedingt auch eine hohe Diversität der Insektenwelt.

 

Folglich lädt die Uni-Heide alle Naturbegeisterte und Interessierte zum Verweilen ein, um die hohe Vielfalt der Flora und Fauna zu begutachten. Bei einem Besuch zur richtigen Zeit, kann auch ein weiteres Highlight der Uni-Heide erblickt werden: Schafe, welche zur Beweidung der Fläche als „lebende Rasenmäher“ auf unserer kleinen Heide-Fläche gehalten werden. Des Weiteren sind Ende des Sommers auch Studenten vorzufinden, die begeistert die Sense schwingen. Beide Maßnahmen sollen dazu dienen, der maschinellen Pflege entgegenzuwirken, da diese die Lebensweise zahlreicher Lebewesen stört, das Ökosystem mit öligen Rückständen belastet und den Boden verdichtet. Zudem ist sie teurer, verbraucht mehr Ressourcen und erzeugt Lärm und Abgase.

Echter Wundklee (Anthyllis vulneraria)

Anthyllis vulneraria

Fundort am Campus: Uni-Heide

Diese heimische Pflanze verbreitet sich bevorzugt auf trockenen, sonnigen und mageren Standorten. Folglich ist die künstlich angelegte Heidefläche am WZU ein idealer Standort für den Echten Wundklee. Die Ausbreitung der Früchte erfolgt dank deren geringer Masse hauptsächlich durch den Wind, wobei auch Verbreitung am Boden durch die runde Form der Früchte begünstigt wird. Namensgebend für den Wundklee ist die Heilkraft, welche der Pflanze zugesprochen wird. Durch die Inhaltsstoffe Saponine, Gerbstoffe und Xanthophylle soll der Echte Wundklee die Wundheilung fördern und auch gegen Entzündungen helfen.

 

Gewöhnlicher Natternkopf (Echium vulgare)

Echium vulgare

Fundort am Campus: Pflasterritzen, Parkplätze, Dächer, Uni-Heide, Ruderalstandorte

Der Natternkopf oder auch Echium vulgare ist eine typische Pionierpflanze, die sich in erster Linie an steinigen und warmen Standorten ausbreitet. Den Namen hat die Pflanze erhalten, da die blau-violette Blüte seitlich betrachtet an einen Schlangenkopf erinnert. Auch die Bezeichnung „Echium“ bedeutet Viper und kommt aus dem Griechischen. Das Farbspektrum der Blüten erstreckt sich von blau bis hin zu rot. Dies liegt am sich verändernden Säuregehalt der Zellen. So kann der Zellsaft sauer (rot) aber auch alkalisch (blau) sein. Je nach Standort nimmt der Natternkopf unterschiedliche Wuchshöhen an und kann bei idealer Umgebung über einen Meter hoch wachsen. Zum Selbstschutz beinhaltet die Blume den Stoff Pyrrolizidinalkaloid, welcher beim Verzehr Karzinome begünstigt und auch zu Leberschäden führt, weswegen der Natternkopf als giftig eingestuft wird. Für Bienen ist diese Pflanze eine wichtige und ergiebige Nektarquelle.

Großblütige Braunelle (Prunella grandiflora)

Prunella grandiflora

Fundort am Campus: Uni-Heide

Eine Braunelle? Vogelinteressierte oder gar Ornithologen könnten bei der Auflistung der Braunelle unter der Rubrik der Pflanzen von einer Verwechslung ausgehen. Darum handelt es sich hier jedoch nicht, denn tatsächlich existiert die Braunelle in der Vogel- (z.B. Prunella modularis oder auch Heckenbraunelle) als auch in der Pflanzenwelt. Diese kleine lila-blühende Pflanze ist leicht mit Prunella vulgaris, der Kleinblütigen Braunelle zu verwechseln, da die Größenunterschiede der Blüten, trotz der Namensgebung, mit dem bloßen Auge nicht immer genau erkennbar sind. Während die große Braunelle trockene und magere und die kleine feuchtere und nährstoffreichere Habitate bevorzugt, besteht auch die Möglichkeit die Arten anhand des obersten Blattpaares zu unterscheiden. Das Blattpaar letzterer setzt oft direkt am Blütenstand an, bei der Großblütigen Braunelle befindet sich zwischen den Blüten und dem obersten Blattpaar meistens ein gewisser Abstand.

 

Klebriger Lein (Linum viscosum)

Linum viscosum

Fundort am Campus: Uni-Heide

Der Klebrige Lein ist eine zarte, rosafarbene und äußerst seltene Pflanze. Die heute bekannte Ausbreitung begrenzt sich auf Süddeutschland. Dort wächst die Pflanze hauptsächlich entlang des Lechs, in Bayern. Da laut der Roten Liste gefährdeter Gefäßpflanzen Bayerns der Klebrige Lein als stark gefährdet eingestuft wird, tragen wir eine besondere Verantwortung diese Pflanze zu schützen. Der Lebensraum der Pflanze, die Flussschotterheiden entlang des Lechs zählt zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Die Gefährdung der Pflanze rührte ursprünglich aus der Zerstörung ihres Lebensraumes her. Heute ist bekannt, dass der Klebrige Lein empfindlich sowohl auf zu frühe Mahd als auch Beweidung reagiert. 2018 hatten wir die ersten blühenden Exemplare auf unserer Uni-Heide, um diese vor der Beweidung durch die Schafe zu schützen, wurden an einigen Exemplaren lichtdurchlässige Käfige installiert. So ist der Klebrige Lein vor dem Verbiss der Schafe geschützt. Des Weiteren begünstigt unser spätes Sensen im Herbst die Samenbildung des Klebrigen Leins, der im Vergleich zu anderen Pflanzen erst sehr spät Samen produziert.

Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella)

Hieracium pilosella

Fundort am Campus: Pflasterritzen, Uni-Heide

Hieracium pilosella gehört zu der Gattung der Habichtskräuter. Zu den Habichtskräutern werden ungefähr 850 - 1000 unterschiedliche Arten gezählt. Diese Vielzahl führt zu Schwierigkeiten bei der Abgrenzung. Während manche Habichtskrautvertreter Alleinstellungsmerkmale haben, sehen viele zum Verwechseln ähnlich aus. Hieracium pilosella fällt vor allem durch den weißen Blattrand und die gleichfarbige Blattunterseite auf (siehe Bild). Bevorzugt wächst die Pflanze an trockenen und sehr sonnigen Standorten. Dies liegt vorrangig an deren Fähigkeit die Blätter bei erhöhter Sonneneinstrahlung längs einzurollen, wodurch nur die weißliche Seite der Einstrahlung ausgesetzt wird. Auf einer weißen Oberfläche wird ein hoher Anteil der einfallenden Strahlung reflektiert, womit das kleine Habichtskraut die Verdunstung verringert und folglich an strahlungsintensiven Habitaten länger ausharren kann als andere Pflanzen.

Saat-Lein (Linum usitatissimum)

Linum usitatissimum

Fundort am Campus: Uni-Heide

Neben dem rosafarbigen Klebrigen Lein (Linum viscosum) wächst auf der Uni-Heide auch ein auffällig blau strahlender Lein – der Saat-Lein. Diese Pflanze ist leicht mit dem ebenfalls in Deutschland vorkommendem Ausdauernden Lein zu verwechseln, der jedoch einen etwas blasseren Blauton aufweist. Lein, auch Flachs genannt, war im 19. Jahrhundert landschaftsprägend für die Region Allgäu. Damals war es nicht unüblich, dass Landwirte neben der Viehzucht eine Weberei betrieben, um den Lein weiterzuverarbeiten. Man sprach auch vom „Blauen Allgäu“. Als sich die Baumwolle als ergiebiger herausstellte, kam es zu einem Rückgang des Leinanbaus. Mit der späteren Einführung der Weidewirtschaft gab es einen landschaftlichen Farbwechsel hin zum Grünen in der Region. Da der Lein Trocken- und Halbtrockenrasen bevorzugt und eine Volllichtpflanze ist, fühlt er sich auf unserer Uni-Heide besonders wohl.

Suche