Stephan Baumkötter: Fayencen, 2005
Über das Kunstwerk
Beschreibung
Eingelassen in die Wiese vor dem Anwenderzentrum für Material- und Umweltforschung, mäandert ein grafisches Liniengeflecht aus leuchtend-blauen Keramikfliesen. Das Fliesenmuster ist begehbar, die Form erschließt sich im Laufen: Drei Linien überschneiden sich in kreisenden Bewegungen. Ein Blick in das Gebäudeinnere offenbart runde Keramikplatten mit grafisch-linearen, kreisförmig angelegten mehrfarbigen Mustern auf weißem Grund. Die Wiederholung der linearen Strukturen im Außenwie im Innenbereich ist intendiert: Die Architektur wird mit den verbindenden Elementen in die landschaftliche Umgebung eingebettet. Das Foyer, der Treppenaufgang und die Flure sind mit insgesamt elf keramischen Werken, deren Durchmesser zwischen etwa 15 und 40 cm variiert, ausgestattet. Die gewählte Form als Tondo erinnert an Perlen oder Edelsteine, unterstützt von der brillanten Glasur, die die farbigen Linienstrukturen zum Strahlen bringt. Die Zeichnungen bestehen aus gebrochenen, halbtransparenten Linien, die sich überlagern. Die mehrfarbigen, zarten Gefüge folgen der Form des Tondos und wirken wie mit Ölstiften oder Pastellkreiden gezeichnet –bildnerische Mittel, die der Künstler auchin seinen Malereien verwendet. Die nahezu absichtslos sternförmig und kreisend angelegten, fragmentierten Spuren verdichten und überlagern sich auf der Fläche. Die Kompositionen sind im Kern meist leicht asymmetrisch platziert und bilden hierdurch partielle farbige Schwerpunkte.
Vertiefende Betrachtung
Mit dem Titel seiner Werkgruppe „Fayencen“ verweist Stephan Baumkötter auf das Material und den Herstellungsprozess der Keramiken. Der Begriff „Fayence“, nach der italienischen Stadt Faenza benannt, umfasst keramische Produkte aus Ton, die in einem besonderen Verfahren mit aufwendigem Glasurprocedere hergestellt werden: Nach dem ersten Brand wird das noch poröse Objekt aus Ton in ein wässriges Glasurbad aus Zinnoxid (meist mit Sand, Blei, Zinn, Pottasche) gegeben, dann bemalt und im Anschluss nochmals mit großer Hitze aufgeschmolzen, so dass glänzendes Weiß und kräftige Farben entstehen. Bewusst vermeidet der Künstler jegliche thematische oder motivische Assoziation im Titel, denn der Fokus seiner künstlerischen Arbeit liegt auf dem Entstehungsprozess: Zufall und Ordnung zugleich bestimmen die linearen Strukturen – Prinzipien, die auch in der Natur wie in der Wissenschaft zu Entwicklung und Erkenntnisgewinn führen. Dass sich seine Werke insofern auch inhaltlich auf die Materialwissenschaft und die Umweltforschung im innocube beziehen, ist sicherlich kein Zufall. (Text: Constanze Kirchner/ Quellen)
Werkdaten
Elf runde Keramikplatten, weiß glasiert mit farbigen Zeichnungen, Durchmesser ca. 0,15 – 0,40 m. Foyer und Gänge im innocube. Keramikfliesen, blau glasiert, im Erdboden linear verlegt, Fläche ca. 10,00 x 10,00 m.
Lage
Seitlich des Eingangs Ost, innocube (Anwenderzentrum für Material- und Umweltforschung)
Stephan Baumkötter
(*1958 Münster) lehrt seit 2010 an der Hochschule für Künste in Bremen. In einem Gespräch umschreibt Stephan
Baumkötter die Intention seiner Arbeit: „Mich interessiert als Betrachter, dass ich das Bild nicht zu Ende sehen kann, dass es mir keinen identifizierenden Blick erlaubt. Ich versuche Bilder zu malen, die diesen identifizierenden Blick nicht zulassen, die so in einem Zustand endloser Reflexion bleiben. Also im besten Fall eben Bilder, in denen mein Blick immer wieder verloren geht, aber auch wo er immer wieder herausgeworfen wird, wo er immer wieder Neues entdecken kann, aber zu keiner Identifikation, keiner Objektbildung kommt.“ (Zitat aus: Kunst und Kirche, 1/1999, S. 46 f.)