Der Himmel scheint sowohl aus anthropologischer, ästhetischer als auch aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive ein wichtiges Bezugssystem zu sein und fordert daher eine interdisziplinäre Zugangsweise nahezu heraus. Er fungiert in mehrfacher Hinsicht als ein transkultureller ethischer Raum: Vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Verhältnisses von Individuum und Kosmos stellt der bestirnte Himmel erstens einen wichtigen Raum bereit, um neue Identitätskonzepte zu entwickeln, die sich nicht nur unabhängig von nationalen Grenzen herausbilden, sondern die die Dimensionen von weltlicher Zeit und weltlichem Raum in Frage stellen. Zweitens kommt es zu Wechselwirksamkeiten zwischen ästhetischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Himmel, die neue transkulturelle Erzählformen hervorbringen. Bereits frühe wissenschaftliche Texte entfalten eine enorme literarisch-rhetorische Kraft, die sich bis heute fortsetzt. Im Gegenzug ist zu beobachten, dass sich literarische Texte häufig den Naturwissenschaften, hier insbesondere der Astrophysik, annähern und dies nicht nur aufgrund von Authentifizierungsstrategien, sondern auch, weil sie diese als ästhetisches Bezugssystem aufrufen. Zudem sehen viele Autoren ihre Aufgabe gerade darin, die Verunsicherung, die in Folge der Kopernikanischen Wende hervorgerufen wurde, in der Literatur zu reflektieren und den Menschen auf diese Weise wieder in der Welt zu verankern.

Zentrale Gemeinsamkeit der hier genannten Perspektiven ist ihre eminent ethische Qualität. Sowohl der anthropologische als auch der ästhetische und wissenschaftliche Zugang zum Himmel beschäftigen sich mit der Wechselwirksamkeit von Individuum und Kosmos, mit dem Zusammenhang von Determiniertheit und Selbstbestimmung und schließlich mit der Frage nach dem Wert des menschlichen Lebens. Auf diese Weise wird der Himmel zu einem zentralen Ort ethischer Aushandlungsprozesse. Dies herauszuarbeiten und so die Forschungsinhalte des Studiengangs ‚Ethik der Textkulturen‘ weiterzuführen, ist erklärtes Ziel des Projekts.

Professorin
Neuere Deutsche Literaturwissenschaft (Ethik)

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