Hauptziel des Forschungsprojekts ist es, das Vermächtnis der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung im transatlantischen Raum seit den 1960er Jahren von einer transnationalen und interdisziplinären Perspektive aus zu untersuchen. Dabei sollen die Wurzeln und der nachhaltige Einsatz der beiden wichtigen Grundkonzepte des schwarzen Freiheitskampfes – Menschenwürde und Menschenrechte – in ihren verschiedenen gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten beleuchtet werden.

 

Das erste dieser beiden Konzepte gründete sich auf den christlichen Glauben. Bereits im späten 17. Jahrhundert organisierten zum Beispiel aus Deutschland eingewanderte Quäker*innen in Pennsylvania die ersten öffentlichen Proteste gegen die Sklaverei. Sie waren davon überzeugt, dass jeder Mensch einen Funken des göttlichen Lichts in sich trage und deshalb allen die gleiche, gottgegebene Würde zukommt. Diese Überzeugung wurde bis zur modernen Bürgerrechtsbewegung des 20. Jahrhunderts fortgeführt. Neben diesen religiösen Überzeugungen war auch das aus der schottischen und englischen Aufklärung (Hobbes, Locke) stammende Konzept des Naturrechts von großer Bedeutung. Es bildete den Kern der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 und spielte für die Ausarbeitung der US-Verfassung (insbesondere für die Bill of Rights) eine zentrale Rolle. Die darin für alle Amerikaner*innen garantierten Rechte wurden schließlich die wichtigste Grundlage aller legal begründeten Forderungen für die Emanzipation versklavter Menschen.


Obwohl die Kombination dieser zwei Konzepte aus philosophischer und theologischer Sicht durchaus nicht selbstverständlich ist, trug gerade diese Doppelstrategie entscheidend zum Erfolg der Abolitionistenbewegung bei. Diese Strategie erwies sich als besonders effektiv für die Mobilisierung des Widerstands im Kampf gegen soziale und politische Ausgrenzung, Diskriminierung und Ausbeutung, unter der ein Großteil der schwarzen Bevölkerung auch nach der Abschaffung der Sklaverei 1865 weiter zu leiden hatte. Nicht nur Martin Luther King Jr., sondern auch zahlreiche andere afroamerikanische Führungspersönlichkeiten - zum Beispiel Ella Baker, Fannie Lou Hamer, Malcolm X und Jesse Jackson - benutzen immer wieder beide Konzepte, um ihren Forderungen nach Gleichberechtigung und sozialer Gerechtigkeit Nachdruck zu verleihen.


Seit Beginn des 21. Jahrhunderts lässt sich im transatlantischen Raum bedauerlicherweise eine deutliche Zunahme von rassistischer, antisemitischer und homophober Gewalt beobachten. Im geplanten Projekt wollen wir zum einen die wichtigsten Ursachen dieser Konflikte ins Visier nehmen, zum anderen anhand spezifischer Beispiele untersuchen, wie Aktivist*innen, die bewusst oder unbewusst in der Tradition der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung stehen, den Kampf für die Menschenwürde, Menschenrechte und Bürgerrechte von benachteiligten Minderheiten seit den 1960er Jahren geführt haben.


Zu unseren Themen werden u.a. die Folgenden gehören: die moralphilosophische und gesellschaftspolitische Bedeutung des Begriffs „Menschenrechte“ in verschiedenen räumlichen und zeitlichen Kontexten, die Rhetorik verschiedener Bürgerrechtsbewegungen und deren öffentliche Perzeption, die Rolle von Literatur (z.B. afrodeutscher Lyrik oder afroamerikanischen Gefängnisautobiographien) als Mittel, den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen, die nationale und internationale Wirkung des Black Lives Matter Movement, die Situation von Afro-Deutschen und anderen Afro-Europäer*innen, Hilfsorganisationen und Interessensvertretungen für Minderheiten in den USA und in Europa. Hierbei geht es erstens um Motivation und Hintergrund der Akteure, zweitens um die Formen der nationalen und transnationalen Zusammenarbeit und drittens um die Frage, welche Konzepte und Strategien verwendet worden sind und inwieweit sich diese als effektiv und erfolgreich erwiesen haben.

Professor
Transatlantic History and Culture

 

Aktuelles aus dem Projekt:

Monographie im Rahmen des Projekts “Human Dignity and Human Rights: The Legacy of the Black Civil Rights Movement in the Transatlantic World” A Voice for the Voiceless: Marian Wright Edelman and the Children’s Defense Fund

 

Marian Wright Edelman, die in den 1960er Jahren zu den Führungspersönlichkeiten der schwarzen Bürger- und Menschenrechtsbewegung gehörte, hat seit Anfang der 1970er Jahre ihr Leben der Aufgabe gewidmet, auf die gesamtgesellschaftliche Verpflichtung zum Schutz der Rechte von Kindern aufmerksam zu machen und sich aktiv für deren Verwirklichung einzusetzen. Der von ihr 1973 gegründete und bis 2019 von ihr geleitete Children‘s Defense Fund (CDF) setzt sich mit Hilfe einer Vielzahl von Methoden für eine nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen in Amerika ein. Edelmans außergewöhnlicher Lebensweg, ihre Erfolge aber auch bleibende Herausforderungen sollen im vorliegenden Buchprojekt erstmals auf wissenschaftlich solider Grundlage nachgezeichnet und auf ihre historische Bedeutung hin untersucht werden. Die Darstellung ihres Lebensweges wird im Sinne der new biography mit einer sozialhistorischen Analyse – unter besonderer Berücksichtigung der Kategorien gender, race und class – einhergehen. So sollen die Verflechtung von Edelmans Wirken mit größeren strukturellen Zusammenhängen aufgezeigt und neue Einblicke in die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der USA vom Zweiten Weltkrieg bis heute gewonnen werden.  
 

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