Wissenschaft und Evidenz im Rampenlicht

Wie sich die Herstellung, Kommunikation und gesellschaftliche Aushandlung von wissenschaftlicher Evidenz über COVID-19 unter den Bedingungen der Coronakrise vollziehen, untersucht die Augsburger Kommunikationswissenschaft. Dafür werden ca. 1.000 Zeitungsartikel aus der Berichterstattung in etablierten Medien wie der Süddeutschen Zeitung oder der BILD analysiert.

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„Welchem Virologen vertrauen Sie am meisten?“, titelte die BILD-Zeitung im April 2020. Eine Frage, auf die vor Corona wohl kaum jemand eine Antwort parat gehabt hätte. Doch in der Pandemie rückte die Wissenschaft ins Zentrum der gesellschaftlichen Debatte. Medien stellten Forschende wie Christian Drosten oder Hendrik Streeck ins Rampenlicht. Sie diskutierten, ob deren Studien vielversprechend und evident seien, also verbürgtes Wissen produzieren können. Hierdurch nahmen Medien an Debatten teil, die vormals nur innerhalb der Wissenschaft geführt wurden.

Ein Augsburger Forschungsprojekt untersucht seit November 2021 den medialen Umgang mit COVID-19-Forschung in den Pandemiejahren 2020 und 2021. Dabei werden ca. 1000 Zeitungsartikel aus der Berichterstattung in etablierten Medien wie der Süddeutschen Zeitung oder der BILD analysiert. Bislang stellte das Forschungsteam fest, dass sich im etablierten Wissenschaftsjournalismus spezielle Textstrategien finden, mit denen Wissen zu COVID-19 als evident konstruiert wird („Evidenzpraktiken“). „Solche Strategien bestehen zum Beispiel aus Verweisen auf die Exzellenz beteiligter Forschenden oder auf externe Expertinnen, die das jeweilige Wissen vermeintlich stützen“, erklärt Prof. Helena Bilandzic, eine der beiden Projektleiterinnen.

Neue Studien werden stärker hinterfragt

Eine weitere Beobachtung ist, dass etablierter Wissenschaftsjournalismus immer häufiger innerwissenschaftliche Strukturen thematisiert und danach fragt, inwieweit COVID-19-Studien sowie einzelne Forschende den Ansprüchen „guter“ Wissenschaft entsprechen. „Zeitungen hinterfragen beispielsweise mehr und mehr, ob eine neue Studie bereits extern geprüft wurde, also ein sog. Peer-Review-Verfahren durchlaufen hat“, erklärt Projektleiterin Prof. Susanne Kinnebrock. Zudem würden immer öfter die Beziehungen von Wissenschaftlern mit Politik und Wirtschaft ausgeleuchtet, um deren Motivation aufzuarbeiten.

In einem kleineren Teilprojekt wurden vergleichend ca. 100 Artikel aus der Wissenschaftsberichterstattung alternativer Medien wie PI News oder NachDenkSeiten betrachtet. Das Team stellte fest, dass auch Alternativmedien Textstrategien anwenden, um die Evidenz des präsentierten Wissens zu unterstreichen. Allerdings stehen sie sog. „Mainstream“-Wissenschaft oder auch den sog. „Mainstream“-Medien oft kritisch gegenüber. „Das heißt, dass Alternativmedien vorwiegend solches Wissen als evident konstruieren, das regierungsberatenden Wissenschaftlern sowie dem Coronakurs der Bundesregierung widerspricht“, schlussfolgert Markus Schug, Mitarbeiter im Forschungsprojekt. Die finalen Projektergebnisse liegen Ende 2023 vor.

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