Durchbruch bei Kitaev-Materialien: Kontrolle konkurrierender Wechselwirkungen mittels Druck
Augsburger Experimentalphysiker veröffentlichen in Nature Communications
Augsburger Physikern gelingt ein wichtiger Durchbruch in der Arbeit mit sogenannten Kitaev-Materialien – einer Basis für Quantenspin-Flüssigkeiten. Diese Erkenntnis aus der Grundlagenforschung ist wichtig, um Zukunftstechnologien zu entwickeln. Die Ergebnisse, die am Lehrstuhl für Experimentalphysik VI entstanden, wurden in der höchst renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. Physiker der Universität Augsburg haben in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Boston (USA) ein Kitaev-Material einer neuen Generation gefunden, bei dem hydrostatischer Druck genutzt werden kann, um konkurrierende Quantenwechselwirkungen hervorzurufen. Diese wiederum sind Voraussetzung für exotische Quantenzustände, die vielleicht Basis für zukünftige Technologien wie störungsunempfindliche Quantencomputer sein könnten. Die Arbeit am untersuchten Kitaev-Material Ag3LiRh2O6 wurde in der höchst renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. „Stellen Sie sich ein Material vor, bei dem sich die atomaren magnetischen Momente, also die Elektronenspins, selbst bei extrem niedrigen Temperaturen nicht starr anordnen,“ erklärt Dr. Philipp Gegenwart, Professor für Experimentalphysik. „Statt wie in gewöhnlichen Magneten zu erstarren, verbleiben sie in einem fluktuierenden und verschränkten Quantenzustand. Dieser exotische Zustand wird als Quanten Spin-Flüssigkeit bezeichnet.“ Das Kitaev-Honigwabenmodell ist einer der theoretischen Vorschläge wie sich ein solcher Zustand herbeiführen lässt. Quanten Spin-Flüssigkeiten können gebrochenzahlige Anregungen und topologische Ordnung beherbergen, was künftige Anwendungen in der fehlertoleranten Quanteninformatik ermöglicht. Leider verhalten sich Kitaev-Materialien nicht ganz nach diesem Muster, sie zeigen zusätzliche magnetische Wechselwirkungen, die die Spins bei niedrigen Temperaturen zu regelmäßiger Anordnung zwingen. „Bei der Suche nach einer echten Kitaev-Spinflüssigkeit geht es deshalb darum, ein Material zu finden – oder kontrolliert zu modifizieren - bei dem solche Störungen beseitigt oder unterdrückt werden,“ sagt Dr. Bin Shen, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Erstautor der Veröffentlichung. Hydrostatischer Druck hat sich als leistungsfähiges experimentelles Instrument erwiesen, um das empfindliche Gleichgewicht der Wechselwirkungen in Kitaev-Materialien zu untersuchen und zu manipulieren. Der Druck verändert die Bindungswinkel und Atomabstände im Kristallgitter, die miteinander in Wechselwirkung stehen, und wirkt wie eine Stellschraube. “Wir haben uns also gefragt, wie sich die magnetische Ordnung unterdrücken lässt, ohne das Wabennetzwerk zu zerstören“, sagt Shen. Mit Ag3LiRh2O6 ist nun der Durchbruch gelungen. Es behält seine Struktur bis zu einem Druck von 5 Gigapascal bei, während die magnetische Ordnung unterdrückt wird. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Druck die Austauschwechselwirkungen in diesem Kitaev-Material beeinflussbar einstellen, sozusagen maßschneidern, kann,“ so der Physiker weiter. „Das eröffnet neue Möglichkeiten für die Realisierung von Quantenspin-Flüssigkeiten und anderen exotischen Materiezuständen." Sakrikar, P., Shen, B., Poldi, E.H.T. et al. Pressure tuning of competing interactions on a honeycomb lattice. Nat Commun 16, 4712 (2025).
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Quanten Spin-Flüssigkeit für fehlertolerante Quantencomputer
Kontrolle von Kitaev-Materialien mit hydrostatischem Druck
Frühere Untersuchungen potenzieller Kitaev-Materialien zeigten, dass Druck in Kitaev Materialien oft eine strukturelle Dimerisierung bewirkt, die zwar die magnetische Ordnung unterdrückt, aber auch das wabenförmige Netzwerk verzerrt und so das System vom gewünschten Quantenspin-Flüssigkeitszustand verdrängt.Durchbruch mit Ag3LiRh2O6
Die Veröffentlichung
https://doi.org/10.1038/s41467-025-59897-7
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