Neue Einblicke in die Immunabwehr der Gallenblase: DFG fördert Forschungsprojekt zur Rolle von Tuft-Zellen
Spezialisierte Sinneszellen stehen im Fokus – Universitätsmedizin Augsburg untersucht Entstehung und Regulation von Gallenblasenentzündungen
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ein neues Projekt unter der Leitung von Dr. Maryam Keshavarz am Lehrstuhl für Anatomie der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Rolle sogenannter Tuft-Zellen – seltener, sensorisch aktiver Zellen in der Zellschicht auf der Innenseite der Gallenblase – systematisch zu untersuchen. In enger Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Augsburg sollen neue Erkenntnisse über entzündliche Erkrankungen wie Cholezystitis und Gallensteinleiden gewonnen werden. Das Projekt baut auf Erkenntnissen aus früheren tierexperimentellen Studien auf und kombiniert modernste molekulare Methoden mit klinischem Gewebematerial. Erkrankungen der Gallenblase wie Gallensteine oder Entzündungen (Cholezystitis) gehören weltweit zu den häufigsten Problemen des Verdauungssystems. Allein in Deutschland werden jährlich mehr als 175.000 Gallenblasen operativ entfernt – oft als Folge chronischer oder akuter Entzündungen. Trotz dieser Häufigkeit ist bislang wenig darüber bekannt, welche Zelltypen in der Schleimhaut der Gallenblase an entzündlichen Prozessen beteiligt sind. Genau hier setzt das Projekt an: Es untersucht eine Zellpopulation, die beim Menschen bislang kaum erforscht ist – sogenannte Tuft-Zellen. Diese Zellen wurden in den vergangenen Jahren bereits im Tiermodell identifiziert und scheinen dort eine wichtige Rolle bei der Immunüberwachung und der Erkennung von Gefahrensignalen zu spielen. „Es gibt erste Hinweise, dass Tuft-Zellen als sensorische Einheiten fungieren, die immunologische Reaktionen in Gang setzen können – möglicherweise auch bei Entzündungen der Gallenblase“, sagt Dr. Maryam Keshavarz. „Bisher wissen wir aber nicht, ob diese Zellen beim Menschen überhaupt vorkommen und wie sie strukturiert sind.“ Aufbauend auf tierexperimentellen Studien mit genetisch veränderten Mausmodellen, bei denen Tuft-Zellen gezielt ausgeschaltet wurden, geht das Projekt nun einen entscheidenden Schritt weiter: Es kombiniert funktionelle In-vivo-Experimente an Tieren mit der Untersuchung von Gewebeproben aus menschlichen Gallenblasen. Die Tiermodelle werden dabei genutzt, um gezielt Entzündungsprozesse auszulösen und zu analysieren. Parallel dazu werden Gallenblasenproben von Patienten untersucht, die im Rahmen klinischer Routineeingriffe am Universitätsklinikum Augsburg operiert wurden – etwa wegen akuter oder chronischer Cholezystitis oder Gallensteinen. „Dieser direkte Vergleich zwischen Tier und Mensch ist zentral für unser Projekt“, so Dr. Keshavarz. „Nur durch die Verbindung beider Welten können wir verstehen, ob die in der Maus gefundenen Mechanismen auch für den Menschen gelten – und welche Konsequenzen sich daraus für die Behandlung ergeben könnten.“ Um Tuft-Zellen im Gewebe sichtbar und funktionell greifbar zu machen, nutzt das Forschungsteam ein ganzes Spektrum an modernen Methoden: Das langfristige Ziel des Projekts ist es, neue zelluläre und molekulare Mechanismen zu verstehen, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung entzündlicher Gallenwegserkrankungen beteiligt sind. Die Erkenntnisse könnten künftig als Grundlage für zielgerichtete Therapien oder neue diagnostische Marker dienen – etwa zur besseren Vorhersage, ob sich aus einer chronischen Reizung der Gallenblase eine ernsthafte Erkrankung entwickelt. „Mit unserem Projekt möchten wir das komplexe Zusammenspiel von sensorischen und immunologischen Zelltypen in der Gallenblase besser verstehen. Die Rolle der Tuft-Zellen dabei ist bisher ein großes Fragezeichen – wir wollen es lüften.“
E-Mail:
maryam.keshavarz@med.uni-augsburgmed.uni-augsburg.de ()
E-Mail:
marco.koch@med.uni-augsburgmed.uni-augsburg.de ()
E-Mail:
corina.haerning@presse.uni-augsburgpresse.uni-augsburg.de ()
Seltene Zelltypen im Fokus – Warum Tuft-Zellen wichtig sein könnten
Translationale Forschung: Von der Maus zum Menschen
Ein breites methodisches Spektrum – von Mikroskopie bis Einzelzellsequenzierung
Klinische Perspektiven – langfristige Ziele des Projekts
Fakten zum Forschungsprojekt auf einen Blick
Untersuchung des Einflusses von Tuft-Zellen im Gallensystem: Implikationen für das Verständnis der Physiologie und Erkrankungen des Gallensystems
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
315.353 €
2025 bis 2028 (3 Jahre)
Dr. Maryam Keshavarz, Lehrstuhl für Anatomie, Medizinische Fakultät der Universität Augsburg
Universitätsklinikum Augsburg:
Elektronenmikroskopie, Immunhistochemie, Einzelzellsequenzierung, Flowzytometrie, transgene Mausmodelle, funktionelle Assays
Charakterisierung von Tuft-Zellen im menschlichen Gallensystem und Aufklärung ihrer Rolle bei entzündlichen Prozessen wie Cholezystitis und Gallensteinbildung
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