Pressemitteilung 98/25 - 04.09.2025

Neue Einblicke in die Immunabwehr der Gallenblase: DFG fördert Forschungsprojekt zur Rolle von Tuft-Zellen

Spezialisierte Sinneszellen stehen im Fokus – Universitätsmedizin Augsburg untersucht Entstehung und Regulation von Gallenblasenentzündungen

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ein neues Projekt unter der Leitung von Dr. Maryam Keshavarz am Lehrstuhl für Anatomie der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Rolle sogenannter Tuft-Zellen – seltener, sensorisch aktiver Zellen in der Zellschicht auf der Innenseite der Gallenblase – systematisch zu untersuchen. In enger Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Augsburg sollen neue Erkenntnisse über entzündliche Erkrankungen wie Cholezystitis und Gallensteinleiden gewonnen werden. Das Projekt baut auf Erkenntnissen aus früheren tierexperimentellen Studien auf und kombiniert modernste molekulare Methoden mit klinischem Gewebematerial.

Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Tuft Cell (Bürstenzelle) in der Gallenblase der Maus mit dem namensgebenden Büschel an steifen Mikrovilli an der Zelloberfläche. © Universität Augsburg

Seltene Zelltypen im Fokus – Warum Tuft-Zellen wichtig sein könnten

Erkrankungen der Gallenblase wie Gallensteine oder Entzündungen (Cholezystitis) gehören weltweit zu den häufigsten Problemen des Verdauungssystems. Allein in Deutschland werden jährlich mehr als 175.000 Gallenblasen operativ entfernt – oft als Folge chronischer oder akuter Entzündungen. Trotz dieser Häufigkeit ist bislang wenig darüber bekannt, welche Zelltypen in der Schleimhaut der Gallenblase an entzündlichen Prozessen beteiligt sind.

Genau hier setzt das Projekt an: Es untersucht eine Zellpopulation, die beim Menschen bislang kaum erforscht ist – sogenannte Tuft-Zellen. Diese Zellen wurden in den vergangenen Jahren bereits im Tiermodell identifiziert und scheinen dort eine wichtige Rolle bei der Immunüberwachung und der Erkennung von Gefahrensignalen zu spielen.

„Es gibt erste Hinweise, dass Tuft-Zellen als sensorische Einheiten fungieren, die immunologische Reaktionen in Gang setzen können – möglicherweise auch bei Entzündungen der Gallenblase“, sagt Dr. Maryam Keshavarz. „Bisher wissen wir aber nicht, ob diese Zellen beim Menschen überhaupt vorkommen und wie sie strukturiert sind.“

Translationale Forschung: Von der Maus zum Menschen

Aufbauend auf tierexperimentellen Studien mit genetisch veränderten Mausmodellen, bei denen Tuft-Zellen gezielt ausgeschaltet wurden, geht das Projekt nun einen entscheidenden Schritt weiter: Es kombiniert funktionelle In-vivo-Experimente an Tieren mit der Untersuchung von Gewebeproben aus menschlichen Gallenblasen.

Die Tiermodelle werden dabei genutzt, um gezielt Entzündungsprozesse auszulösen und zu analysieren. Parallel dazu werden Gallenblasenproben von Patienten untersucht, die im Rahmen klinischer Routineeingriffe am Universitätsklinikum Augsburg operiert wurden – etwa wegen akuter oder chronischer Cholezystitis oder Gallensteinen.

„Dieser direkte Vergleich zwischen Tier und Mensch ist zentral für unser Projekt“, so Dr. Keshavarz. „Nur durch die Verbindung beider Welten können wir verstehen, ob die in der Maus gefundenen Mechanismen auch für den Menschen gelten – und welche Konsequenzen sich daraus für die Behandlung ergeben könnten.“

Ein breites methodisches Spektrum – von Mikroskopie bis Einzelzellsequenzierung

Um Tuft-Zellen im Gewebe sichtbar und funktionell greifbar zu machen, nutzt das Forschungsteam ein ganzes Spektrum an modernen Methoden:

  • Elektronenmikroskopie und Immunoelektronenmikroskopie erlauben einen ultrastrukturellen Blick auf die Zellarchitektur der Gallenblasenwand. So lassen sich Tuft-Zellen anhand ihrer Form und Lage im Gewebe identifizieren.
  • Einzelzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq) ermöglicht die detaillierte Analyse der Genaktivität einzelner Zellen – auch solcher Zelltypen, die bislang unbekannt oder selten sind.
  • Immunhistochemie und Fluoreszenzmikroskopie helfen dabei, spezifische Zellmarker zu lokalisieren und deren räumliche Verteilung zu erfassen.
  • Flowzytometrie (FACS) kommt zum Einsatz, um bestimmte Zelltypen gezielt zu isolieren und weiter zu untersuchen.
  • In funktionellen Assays wird getestet, wie Zellen auf Reize wie Gallensäuren oder Entzündungsstoffe reagieren.

Klinische Perspektiven – langfristige Ziele des Projekts

Das langfristige Ziel des Projekts ist es, neue zelluläre und molekulare Mechanismen zu verstehen, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung entzündlicher Gallenwegserkrankungen beteiligt sind. Die Erkenntnisse könnten künftig als Grundlage für zielgerichtete Therapien oder neue diagnostische Marker dienen – etwa zur besseren Vorhersage, ob sich aus einer chronischen Reizung der Gallenblase eine ernsthafte Erkrankung entwickelt.

„Mit unserem Projekt möchten wir das komplexe Zusammenspiel von sensorischen und immunologischen Zelltypen in der Gallenblase besser verstehen. Die Rolle der Tuft-Zellen dabei ist bisher ein großes Fragezeichen – wir wollen es lüften.“


Fakten zum Forschungsprojekt auf einen Blick

  • Projekttitel:
    Untersuchung des Einflusses von Tuft-Zellen im Gallensystem: Implikationen für das Verständnis der Physiologie und Erkrankungen des Gallensystems
  • Förderung:
    Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
  • Fördersumme:
    315.353 €
  • Laufzeit:
    2025 bis 2028 (3 Jahre)
  • Projektleitung:
    Dr. Maryam Keshavarz, Lehrstuhl für Anatomie, Medizinische Fakultät der Universität Augsburg
  • Kooperationspartner:
    Universitätsklinikum Augsburg:
    • Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie (Dr. Oleksandr Vlasenko)
    • Institut für Pathologie und Molekulare Diagnostik (Prof. Dr. Bruno Märkl)
  • Methoden:
    Elektronenmikroskopie, Immunhistochemie, Einzelzellsequenzierung, Flowzytometrie, transgene Mausmodelle, funktionelle Assays
  • Ziel:
    Charakterisierung von Tuft-Zellen im menschlichen Gallensystem und Aufklärung ihrer Rolle bei entzündlichen Prozessen wie Cholezystitis und Gallensteinbildung

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