Spannung schaltet antiferromagnetische Zustände auf Nanosekunden-Zeitskalen um
Teil des Transregio-Sonderforschungsbereichs zu neuen Quantenmaterialien ConQuMat
Physikern der Universität Augsburg, Deutschland, ist es zusammen mit Forschenden der Budapest University of Technology and Economics, Ungarn, und der Rutgers University, USA, gelungen, einen antiferromagnetischen Zustand in einem Isolator durch Spannungspulse innerhalb von nur einigen zehn Milliardstel Sekunden zu schalten. Ihre Ergebnisse wurden kürzlich in Physical Review Letters veröffentlicht. Die Arbeit ist Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 12 Millionen Euro geförderten Transregio-Sonderforschungsbereichs ConQuMat – Constrained Quantum Matter. Die wichtigsten Bausteine der heutigen spintronischen Geräte sind Ferromagnete. In diesen Materialien verhalten sich bestimmte Atome wie winzige Magnete, die in dieselbe Richtung ausgerichtet sind und eine Nettomagnetisierung erzeugen. Ihre starken Streufelder, ihre Empfindlichkeit gegenüber externen Magnetfeldern und ihre relativ langsamen Schaltgeschwindigkeiten schränken jedoch die Entwicklung fortschrittlicher, weiter miniaturisierter und schnell funktionierender Geräte ein. Antiferromagnete haben sich hier als vielversprechende Alternative erwiesen. In diesen Materialien zeigen die magnetischen Momente benachbarter Atome in entgegengesetzte Richtungen, kompensieren sich gegenseitig und führen zu einer Gesamtmagnetisierung von Null. Dies macht sie besonders attraktiv für zukünftige Technologien zur Informationsspeicherung. Trotz ihrer Entdeckung vor fast einem Jahrhundert und der intensiven Bemühungen in jüngster Zeit, die zu dem aufstrebenden Gebiet der antiferromagnetischen Spintronik geführt haben, bleibt die elektrische Kontrolle des magnetischen Zustands von Antiferromagneten bei hohen Geschwindigkeiten jedoch eine große Herausforderung. In der vorliegenden Arbeit untersuchten Physiker am Lehrstuhl für Experimentalphysik V der Universität Augsburg zusammen mit Kollegen der Budapest University of Technology and Economics, Ungarn, und der Rutgers University, USA, das isolierende Material Kobalt(II,III)-oxid, das einen einfachen lehrbuchartigen antiferromagnetischen Zustand aufweist. Aufgrund der besonderen Symmetrie dieses Materials sind seine magnetischen und elektrischen Eigenschaften durch den magnetoelektrischen Effekt eng miteinander verknüpft - ein Phänomen, das die Steuerung der magnetischen Eigenschaften durch ein elektrisches Feld und der elektrischen Eigenschaften durch ein magnetisches Feld ermöglicht. Unter Ausnutzung dieses Phänomens haben die Forscher den antiferromagnetischen Zustand des Materials elektrisch kontrolliert, indem sie ihn mit Spannungsimpulsen umschalteten, indem sie jedes atomare Moment innerhalb von nur einigen zehn Milliardstel einer Sekunde in einer großen Probe umkehrten. Dies bedeutet, dass in winzigen Strukturen von der Größe eines Bauelements das Umschalten sogar noch schneller, in Billionstelsekunden, erfolgen könnte. Durch Anlegen eines elektrischen Feldes in Verbindung mit einem rotierenden Magnetfeld konnten sie außerdem die Ausrichtung der atomaren Momente stufenlos drehen. Wichtig ist, dass diese uneingeschränkte elektrische Steuerung der magnetischen Zustände tief im antiferromagnetischen Zustand erfolgt und keine Heiz- und Kühlzyklen erfordert. Diese bemerkenswerten Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer bedarfsgerechten ultraschnellen elektrischen Steuerung des Magnetismus. Derartige Fortschritte sind in der antiferromagnetischen Spintronik äußerst wünschenswert und könnten schließlich einen schnellen Betrieb, kompaktere und energieeffizientere Technologien auf der Grundlage von Antiferromagneten ermöglichen, wie z. B. nichtflüchtige Mehrzustandsspeicher der nächsten Generation und ultraschnelle Logikgeräte. Die Arbeit ist Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 12 Millionen Euro geförderten Transregio-Sonderforschungsbereichs ConQuMat – Constrained Quantum Matter. Dieses Großforschungsprojekt unter Federführung der Universität Augsburg und der TU München widmet sich einem zentralen Zukunftsthema: der Entwicklung und Untersuchung neuartiger Materialien, deren Eigenschaften wesentlich durch Quanteneffekte geprägt sind. Langfristig könnten sie etwa als Basis extrem leistungsfähiger Computer dienen. An dem sogenannten Transregio-Sonderforschungsbereich sind insgesamt acht Universitäten und Forschungsinstitute beteiligt, davon sieben in Deutschland. Die Veröffentlichung
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Umschalten in Billionstel Sekunden
Über ConQuMat
Mehr Informationen zum Großforschungsprojekt finden sich unter:
www.trr360.de/.
S. Ghara, M. Winkler, S. W. Schmid, L. Prodan, K. Geirhos, V. Tsurkan, W. Ge, W. Wu, A. Halbritter, S. Krohns, I. Kezsmarki. Nonvolatile Electric Control of Antiferromagnetic States on Nanosecond Timescales. Physical Review Letters 135, 126704 (2025):
https://doi.org/10.1103/yzrk-h3rz
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