Musikausbildung mit Collegecharakter

Eine hochkarätige, gut betreute Musikausbildung, eingebunden in eine Volluniversität – das ist das Leopold Mozart College of Music. In der deutschen Hochschullandschaft ist dieses Organisationskonstrukt eine Seltenheit. Nur vier Universitäten in Deutschland mit Augsburg sind „musikführend“. Was also ist besonders an der Musikausbildung, so nah an den anderen Wissenschaften? Wie ergänzen sich Kunst und Wissenschaft?

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Stellen Sie sich vor, Sie hören einem Streichquartett zu, Ravel vielleicht, Debussy oder Dvořák. Lassen Sie sich vom Klang davontragen? Bewundern Sie das Tempo und die Präzision, mit der Finger und Bögen der Musiker sich bewegen? Oder analysieren Sie, wie sich Themen verweben, Harmonien Spannung aufbauen und sich wieder auflösen? Musikempfinden ist höchst individuell, sowohl für die Musizierenden selbst als auch für ihr Publikum. „Musik hat immer mit uns selbst zu tun. Mit ihr blicken wir tief in uns hinein und aus uns heraus“, sagt Prof. Dr. Sebastian Herbst, Professor für Musikpädagogik am Leopold Mozart College of Music. Für ihn ist Musizieren nicht nur Handwerk, sondern auch Rückzugsort und Kommunikationsmedium zugleich.

 

© Universität Augsburg
„Musik begleitet uns seit Jahrtausenden. Sie hat evolutionäre Vorteile. Sie kann Zugehörigkeit stiften, Emotionen modulieren und Identitätsentwicklung unterstützen“, erklärt Josephine Geipel, Professorin für Musiktherapie. „Menschen nutzen Musik, um zu zeigen, wer sie sind. Sie finden in ihr Trost, Freude oder Energie. Und in Sportstadien erleben wir, wie Lieder Massen in Sekunden zusammen schweißen.“ Manchmal, so sagt sie, sei es erst durch den musikalischen Ausdruck

möglich, das eigene Erleben hörbar zu machen und Worte dafür zu finden. Gerade Improvisation spiele dabei eine wichtige Rolle. Improvisation hat im Curriculum des LMC einen festen Platz. Für Herbst ist sie mehr als virtuoses Abspielen musikalischer Skalen. Sie steht für das aufmerksame Zuhören, das spontane Reagieren, den Umgang mit Unvorhersehbarem und das Prinzip des gemeinsamen Gestaltens im situativen Moment – gerade im Ensemble. „Jedes Ensemble ist eine Gesellschaft im Kleinen. Es gibt Abstimmungsprozesse, Menschen, Instrumente und Stimmen, die phasenweise führen, streiten, lachen, sich zurücknehmen, eine Einheit bilden. Es sind Aushandlungsprozesse und Future Skills, die nicht nur für das Musizieren konstitutiv sind.“ Gestaltungsfragen spielen ebenso bei der Aufführung von Kompositionen eine Rolle. Es geht immer auch um Entscheidungen über Interpretationen, um die Balance zwischen historisch gesichertem Wissen und künstlerischer Freiheit. „Künstlerinnen und Künstler vermitteln zwischen Komponist, Welt und ihnen selbst. Wenn das nicht geschähe, wäre Musik relativ leer. Jede Aufführung muss eine eigene Idee mitbringen und zugleich in die aktuelle Zeit hineinsprechen.“

 

Zukunft Musik

 

Das Motto des aktuellen Studienjahres „Zukunft Musik“ prägt auch Herbsts musikpädagogische Arbeit. „Musikpädagogik hat unter anderem die Aufgabe, Anlässe zur Reflexion zu schaffen: Warum habe ich selbst angefangen zu musizieren? Was bedeutet es mir heute? Wie kann ich meine Begeisterung lebendig halten?“ Es gelte, den Blick auf das Eigentliche nicht zu verlieren: Musik als Faszination am Klang, als Ausdruck, als Möglichkeit, sich selbst und anderen etwas mitzuteilen. „Es ist wichtig, Lernbiografien zu ergründen und den Motiven der eigenen Leidenschaft auf die Spur zu kommen. Von dort aus lässt sich musikalische Bildung der Zukunft begeistert entwickeln und Musik in Konzert und Unterricht begeisternd vermitteln.“

 

© Universität Augsburg

2023 richtete sich das damalige Leopold-Mozart-Zentrum nach 15 Jahren und dem Umzug ins neue Gebäude der ehemaligen Hauptpost Augsburg (Grottenau) 2020 neu aus, frischte seine Ausbildung auf und gab sich einen neuen Namen. „Das Leopold Mozart College of Music der Universität Augsburg präsentiert sich mit dem neuen Namen so international wie es schon seit Langem ist“, sagte seinerzeit die Präsidentin der Universität, Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel. „Er macht es weltweit sichtbarer, betont aber auch sein Selbstverständnis als vielfältig vernetzte musikalische Ausbildungsstätte mit regionalem Bezug.“ Beim Bachelorstudiengang im neuen Format wichen die zahlreichen, teils sehr speziellen Vertiefungsrichtungen zugunsten einer künstlerischen wie auch pädagogischen Ausbildung, die die Studierenden auf möglichst viele Berufsmöglichkeiten im musikalischen Kontext vorbereitet. Für Herbst ist das der richtige Weg: „Unsere Studierenden müssen heute mehr denn je breit ausgebildet werden. Sie sind dann besser gerüstet für die Mehrgleisigkeit, die im Berufsmusiker-Leben Realität ist. „Portfolio-Karrieren“ nennt Herbst diese Lebensentwürfe.

 

Nähe und Netzwerk

 

Dass das Leopold Mozart College of Music Teil einer Volluniversität ist, sieht Herbst als entscheidenden Vorteil. „Musikausbildung kann nicht im Elfenbeinturm der Musik stattfinden. Wir müssen uns vernetzen – z. B. mit der Bildungsforschung, der Psychologie, der Sportwissenschaft, der Medizin, den Kultur- und Neurowissenschaften. Die Chancen, die wir hier an der Universität Augsburg haben, sind hervorragend.“ Gerade in lehrerbildenden Studiengängen, so Herbst, werde deutlich, wie wichtig Querverbindungen sind: „Fragen des Musizierenlehrens und -lernens sind interdisziplinär zu betrachten. Dafür ist die Universität Augsburg ein idealer Ort. Wir können hier einen Standort schaffen, der leuchtturmartig für die musizierbezogene Lehr- und Lernforschung wirkt.“

 

Musikbezogene Welten

 

Als „großes Glück“ sieht das auch Gesa zur Nieden, Professorin für Musikwissenschaft, die angehende Musiklehrerinnen und -lehrer für Grund-, Mittel- und Realschulen ausbildet und am LMC kooptiert ist. Ihr Lehrstuhl gehört zwar organisatorisch nicht zum College, doch die Zusammenarbeit ist eng. „Musikwissenschaft ist einerseits seit dem Mittelalter Teil des universitären Fächerkanons und hat sich in dieser Funktion schon immer mit ganz unterschiedlichen Musikbegriffen oder musikbezogenen Welten in ihrer historischen Entwicklung, aber auch in ihren sozialen, politischen, ästhetischen oder anthropologischen Funktionen beschäftigt.“

Heute gehe es zum Beispiel um die Frage, welche Rolle verschiedene Musikgenres vor dem Hintergrund audiovisueller Medien und Digitalität spielten. Andererseits sei Musikwissenschaft ein wichtiges Pendant zur praktischen Musikausbildung, denn in der musikalischen Praxis gehe es, so zur Nieden, nicht allein um Ausdruck oder Emotion, sondern auch um das Denken in Musik, um die Verdeutlichung bestimmter Formen über Harmonie, Melodie, Rhythmus und Klang. „Und dies ist immer dann interessant, wenn das Musikalische in einem besonderen Bezug zu unserer Lebenswelt steht. Von hier aus kann Musikwissenschaft auch Zugänge eröffnen, gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge zu verstehen, wie die Verflechtung ganz unterschiedlicher Geschichten in unseren heutigen pluralen Gesellschaften über das besondere Medium der Musik. Warum gibt es zum Beispiel so einen klassischen Musikkanon und wie lässt sich dieser durch Werke von Komponistinnen dynamischer gestalten?“

 

„Wir sind Geschichtenerzähler“

 

Und dann ist da noch die Frage, wie Musikerinnen und Musiker ihr Handwerk verstehen. Edward King, Professor für Violoncello, formuliert es so: „Wir sind Geschichtenerzähler. Unsere Aufgabe ist es, Emotionen authentisch zu transportieren. Wenn wir das nicht ehrlich tun, möchte niemand zuhören.“ Für King sind Technik und Kreativität zwei Seiten derselben Medaille. Bevor er mit seinen Studierenden an einem Stück arbeitet, fragt er zunächst nach den Vorstellungen und Emotionen, die das Werk in ihnen weckt. „Wenn man gleich auf die Technik geht, bleibt alles schwarz-weiß. Aber Musik ist bunt, sie lebt von der Vorstellungskraft.“

King widerspricht der häufig kolportierten Trennung von Kunst und Wissenschaft. „Da ist sehr viel Wissenschaft in dem, was wir tun. Musik ist Wissenschaft – und gleichzeitig Kunst“, sagt er. „Schon Platon beschrieb sie als Teil des Quadriviums – gleichrangig mit Arithmetik, Geometrie und Astronomie. Musik und Wissenschaft sind seit der Antike also untrennbar verbunden.“ Die Netzwerke der Universität Augsburg seien ein idealer Ort, diese Verbindung sichtbar zu machen.

 

Zwischen Tradition und Aufbruch

Die Musikausbildung an der Universität Augsburg ist international. Mehr als 30 Nationen sind unter den Studierenden und Lehrenden am LMC vertreten – eine kulturelle Vielfalt, die für Herbst eine große Chance ist. „Musik im Kontext kultureller Diversität zu verhandeln, lädt ein zur Reflexion, fördert musikkulturelle Innovation und ist im 21. Jahrhundert eine Notwendigkeit.“ Musik, sagt Herbst, sei immer auch Spiegel und zugleich Motor gesellschaftlicher Prozesse. „Wenn in Kompositionen etwa musikalische Regeln und Hörgewohnheiten aufgebrochen werden, dann kann das mit gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit in Verbindung stehen.“ So verbindet das Leopold Mozart College of Music Tradition und Aufbruch, Kunst und Wissenschaft, Lokales und Internationales. „Wir sind hier in einer Stadt, die eine wunderbare Größe und vielfältige Kulturszene hat – groß genug, um Spielraum zu bieten, aber nicht zu groß, um unübersichtlich zu werden“, sagt Herbst. „Das gibt uns und unseren Studieren den die Chance für eine anregende, praxisnahe, hochkarätige und interdisziplinäre Musikausbildung in einer Universität.“ Musik lässt sich hier als Botschaft, als Erkenntnis und Ausdruck zugleich erleben und erlernen.

 

ch

 

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Prof. Dr. Sebastian Herbst
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