Pressemitteilung 96/18 - 18.09.2018

Ein Vademecum für das Zusammenleben in mehrsprachigen Gesellschaften

Praxisnah aufbereitet und kostenlos verfügbar präsentiert das europäische Forschungsverbundprojekt MIME seine Ergebnisse zum Thema „Mobilität und Inklusion im mehrsprachigen Europa“

Augsburg/PAK/KPP – Ist eine gemeinsame Sprache Voraussetzung für eine lebendige Demokratie? Wie können Städte mit der zunehmenden  Sprachenvielfalt umgehen? Was ist bei der Nutzung von Übersetzungssoftware zu beachten? Diesen und weiteren Fragen widmet sich das MIME Vademecum, eine Publikation, in der die Forschungsergebnisse des Projekts „Mobilität und Inklusion im mehrsprachigen Europa” (MIME) vorgestellt werden. Der Augsburger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Peter A. Kraus war „Interdisciplinarity Manager“ des Verbundprojekts, dessen 25 Teams für das MIME Vademecum ihre Ergebnisse in Form praxistauglicher Hintergrundinformationen zu 72 im weitesten Sinne sprachenpolitischen Fragen aufbereitet haben.

Das Vademecum richtet sich vor allem an Menschen, die in ihrem Berufsleben mit den konkreten Herausforderungen, die Mehrsprachigkeit mit sich bringt, konfrontiert sind. Wissenschaftliche Erkenntnisse, Grafiken und Beispiele aus verschiedenen europäischen Ländern wurden auf je zwei Seiten pro Frage miteinander verbunden, um Menschen aus der Praxis einen Einblick in den Forschungsstand zu mehrsprachigen Gesellschaften zu liefern und ihnen zu helfen, ihre eigenen Antworten auf die verschiedenen Problemstellungen zu entwickeln.
 

Auf das praxisnahe MIME-Vademecum soll 2020 eine umfangreiche Publikation der Ergebnisse des europäischen Forschungsverbundprojekts "Mobiltät und Inklusion im mehrsprachigen Europa" für das wissenschaftliche Fachpublikum folgen.

Das von der Europäischen Kommission mit fünf Millionen Euro geförderte MIME-Projekt ist nach vierjähriger Bearbeitungszeit im August 2018 ausgelaufen. MIME war das erste Projekt, das interdisziplinär ein weites Spektrum verschiedener Fragen des Zusammenlebens in mehrsprachigen Gesellschaften abdeckte. Über zwanzig Partneruniversitäten aus 16 Ländern befassten sich eingehend mit den Herausforderungen der Sprachenvielfalt. Die Themen reichten unter anderem von rechtlichen Grundsatzfragen über soziologische Beiträge zur sprachlichen Integration von Migrantinnen und Migranten bis hin zu sprachwissenschaftlichen Analysen verschiedener pädagogischer Ansätze im Fremdsprachenunterricht und zum Umgang mit neuen Übersetzungstechnologien. Die Leitfrage des MIME-Projekts war, wie einerseits die Mobilität der EU‐Bürgerinnen und Bürger im mehrsprachigen Europa gefördert und andererseits zugleich der sprachlich-soziale Zusammenhalt in den einzelnen europäischen Gesellschaften gestärkt werden kann.


Sprachenvielfalt und Identitätsbildung – Ergebnisse des Augsburger Teilprojekts

Prof. Dr. Peter A. Kraus – „Interdisciplinarity Manager“ des Gesamtprojekts und Leiter des MIME-Arbeitsbereichs „Society“ – bearbeitete mit seinem Team an der Augsburger Professur für Vergleichende Politikwissenschaft die Frage der Identitätsbildung unter den Bedingungen sprachlicher Vielfalt. Er kooperierte in diesem Themenbereich mit Amsterdamer und Brüsseler Kolleginnen und Kollegen aus den Disziplinen Soziologie, Politikwissenschaft und Geographie. Das Team beschäftigte sich mit der Wahrnehmung der Sprachenvielfalt im gesellschaftlichen Alltag und mit der Bedeutung von Multilingualismus für die Konstruktion individueller und kollektiver Identitäten in verschiedenen europäischen Großstädten.

Die Augsburger Forscherinnen und Forscher richteten ihr Augenmerk vor allem auf die besonderen Herausforderungen in Gesellschaften, die bereits aus historischen Gründen eine sprachlich vielfältige Bevölkerung aufweisen und in denen sowohl eine oder mehrere Nationalsprachen als auch Regional- und Minderheitensprachen vorzufinden sind. Im Zuge von Europäisierung und Zuwanderung zeichnen sich diese Gesellschaften – zusätzlich zu ihrer historischen – durch eine „neue“, noch höhere und komplexere Vielfalt an Sprachen aus. Kraus untersuchte zusammen mit Dr. Núria Garcia, Dr. Vicent Climent-Ferrando und Melanie Frank den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit der Mehrsprachigkeit in den drei Städten Barcelona, Luxemburg und Riga, um herauszufinden, wie in der jeweiligen Stadtbevölkerung unter Bedingungen ausgeprägter soziolinguistischer und sprachenpolitischer Komplexität  neue Identitätsmuster entstehen.

Die aus den drei Fallstudien für das Vademecum aufbereiteten Forschungsergebnisse des Augsburger Teams machen deutlich, dass und warum es für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtig ist, dass Sprachenpolitik auf die lokalen Gegebenheiten im Alltag der Menschen eingeht. „Unsere Fallstudien zeigen, dass eine Sprachenpolitik, die die durch die gestiegene Mobilität verursachten Veränderungen anerkennt und mit dem Ziel einer inklusiven Gesellschaft vereint, ungeachtet der komplexen Herausforderungen möglich ist“, so Kraus. Und weiter: „Für eine erfolgreiche Sprachenpolitik ist es notwendig, eine Balance zu finden zwischen erstens dem Schutz von Minderheiten- und Regionalsprachen, zweitens der Förderung von Kenntnissen der öffentlichen Verkehrssprache bzw. -sprachen für alle Mitglieder der Gesellschaft und drittens schließlich der Unterstützung des Erwerbs globaler Sprachen wie etwa Englisch.“


Als freier Download verfügbar

Zusätzlich zum praxisnahen MIME-Vademecum, das auf http://www.mime-project.org/vademecum/ als freier Download zur Verfügung steht, sollen im Jahr 2020 die MIME-Forschungsergebnisse einem wissenschaftlichen Fachpublikum in einem umfangreichen MIME-Buch präsentiert werden.


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MIME‐Projekthomepage:

http://www.mime‐project.org/


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Ansprechpartner:

Prof. Dr. Peter A. Kraus
Vergleichende Politikwissenschaft/Institut für Kanada‐Studien
Universität Augsburg
D‐86135 Augsburg
Telefon +49(0)821‐598‐5263
peter.kraus@phil.uni‐augsburg.de

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