Studie: "Hochwassermanagement in Zeiten des Klimawandels"

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Überlaufende Flüsse können enorme Probleme verursachen: Weltweit werden die jährlichen Schäden, die durch Flussüberschwemmungen verursacht werden, auf über 100 Milliarden Dollar geschätzt - und sie steigen weiter an. Bislang ist unklar, ob sich Europa langfristig gesehen derzeit in einer hochwasserreichen Zeit befindet. Neben den vielen anderen historischen Orten dieser Studie kann Augsburg, trotz verschiedener Katastrophen in seiner über 2000 Jahre alten Geschichte, auf eine sehr gute historische Datenlage verweisen. Die Bedeutung des Fließens von Wasser, zumindest seit der Römerzeit, spiegelt sich auch in der Aufnahme Augsburgs in das UNESCO-Weltkulturerbe wider.

Wissenschaftler der Universität Augsburg waren Teil einer großen internationalen Studie, die klare Beweise dafür liefert, dass die letzten drei Jahrzehnte zu den hochwasserreichste Zeiträumen in Europa während der letzten 500 Jahre gehörten und dass sich dieser Zeitraum hinsichtlich seiner Ausdehnung, Lufttemperaturen und Hochwassersaisonalität von anderen unterscheidet. Im Vergleich zur Vergangenheit sind Überschwemmungen an vielen Orten tendenziell größer, der Zeitpunkt hat sich verschoben und die Beziehung zwischen Hochwasserereignis und Lufttemperaturen hat sich umgekehrt. In der Vergangenheit traten Überschwemmungen tendenziell häufiger in kalten Phasen auf, während heute die globale Erwärmung eine der Hauptursachen für ihre Zunahme ist. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt im Nature Research Journal veröffentlicht worden. Geleitet wurde die Studie von Prof. Günter Blöschl von der TU Wien, einem österreichische Hochwasserexperten.

Historische Daten aus 500 Jahren

" Nach der vorliegenden Studie können wir eine Veränderung der klimatischen Rahmenbedingungen für die Entstehung der letzten hochwasserreichen Phasen (1990 - 2016) seit dem Jahr 1500 feststellen. Auch hier ist der Klimawandel ein Treiber für umfangreichere und extremere Schadenereignisse", sagt Dr. Oliver Böhm vom Geographischen Institut der Universität Augsburg, ein Mitautor dieser Studie. Blöschl führt weiter aus: "Der Klimawandel ist ein Treiber für immer größere und extremere Schadensereignisse: "Für die Prognosen der nächsten Jahrzehnte ist es aber auch wichtig zu verstehen, ob es sich um eine völlig neue Situation handelt oder ob es sich nur um eine Wiederholung von etwas handelt, was bereits eingetreten ist. Bislang reichten die verfügbaren Daten nicht aus, um festzustellen, ob dies der Fall ist oder nicht. Wir haben diese Frage sehr eingehend untersucht und können nun mit Zuversicht sagen: Ja, die Hochwassercharakteristika der letzten Jahrzehnte sind anders als die der vergangenen Jahrhunderte". Für die Studie wurden Zehntausende von historischen Dokumenten mit zeitgenössischen Hochwasserberichten aus dem Zeitraum 1500 bis 2016 analysiert. Das Team der TU Wien hat mit Historikern aus ganz Europa zusammengearbeitet. "Die besondere Herausforderung dieser Studie bestand darin, die sehr unterschiedlichen Texte der verschiedenen Jahrhunderte und unterschiedlichen Kulturräume vergleichbar zu machen", erklärt Andrea Kiss von der Technischen Universität Wien, selbst Forscherin und Historikerin und eine der Hauptautorinnen der Publikation. "Diese Vergleichbarkeit haben wir erreicht, indem wir alle Texte mit viel Liebe zum Detail in ihren jeweiligen historischen Kontext gestellt haben", erklärt Andrea Kiss von der Technischen Universität Wien.

Früher kalt, jetzt warm: Überschwemmungen sehen heute anders aus

Die Datenanalyse identifizierte neun hochwasserreiche Perioden und damit verbundene Regionen. Zu den bemerkenswertesten Perioden gehörten 1560-1580 (West- und Mitteleuropa), 1760-1800 (der größte Teil Europas), 1840-1870 (West- und Südeuropa) und 1990-2016 (West- und Mitteleuropa). Vergleiche mit Lufttemperaturrekonstruktionen zeigten, dass diese historischen Hochwasserperioden wesentlich kühler waren als die dazwischen liegenden Phasen. "Dieser Befund scheint der Beobachtung zu widersprechen, dass in einigen Gebieten, wie etwa im Nordwesten Europas, das jüngst wärmere Klima mit größeren Überschwemmungen einhergeht", so Blöschl. Prof. Buermann vom Geographischen Institut der Universität Augsburg, der nicht an der Studie beteiligt war, sagt: "Diese beeindruckenden Ergebnisse tragen zu einer wachsenden Zahl von Beweisen dafür bei, dass sich der Wasserkreislauf in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert hat. Diese Meta-Analyse wurde durch eine neue, von den Autoren der Studie zusammengestellte Datenbank ermöglicht, die die genaue Datierung fast aller Hochwasserereignisse enthält, über die schriftliche historische Quellen berichten. Bisher musste man sich oft auf andere, weniger genaue Informationsquellen stützen, wie z.B. Seesedimente. Es ist weltweit die erste Studie, die historische Hochwasserperioden für einen ganzen Kontinent so detailliert auswertet.

Bessere Daten - bessere Prognosen

Wegen der Verschiebung der hochwassererzeugenden Mechanismen befürwortet Günter Blöschl den Einsatz von Instrumenten zur Hochwasserrisikobewertung, die die beteiligten physikalischen Prozesse erfassen, sowie von Managementstrategien, die die jüngsten Veränderungen des Risikos berücksichtigen können. "Ungeachtet der notwendigen Anstrengungen zur Eindämmung des Klimawandels werden wir die Auswirkungen dieser Veränderungen in den kommenden Jahrzehnten sehen", sagt Blöschl. "Das Hochwassermanagement muss sich an diese neuen Realitäten anpassen", so Blöschl.

Original-Veröffentlichung

Blöschl G. et al., Current European flood-rich period exceptional compared with past 500 years, Nature 583, 560-566 (2020).

Animation Hochwasser in 3D

Veränderung des Hochwassers in 3D-Animaton

Die Wissenschaftler

Lehrstuhlinhaber Physische Geographie mit Schwerpunkt Klimaforschung
Universität Augsburg


Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Günter Blöschl

Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie
TU Wien


Telefon: +43-1-58801-22315
 

 

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