Verleihung des Thomas A. Herz-Preises für qualitative Sozialforschung

Auf ihrem diesjährigen Kongress vergab die Deutsche Gesellschaft für Soziologie den renommierten Thomas A. Herz-Preis für qualitative Sozialforschung an den im Sommer 2021 verstorbenen Augsburger Soziologen PD Dr. Saša Bosančić (Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät, Institut für Sozialwissenschaften).

© Universität Augsburg

PD Dr. Saša Bosančić erhielt den Preis posthum für seine an der Augsburger Universität verfassten Studien zum wesentlich von ihm im deutschsprachigen Raum entwickelten sozialwissenschaftlichen Ansatz der Interpretativen Subjektivierungsanalyse. "Es handelt sich dabei um einen hervorragenden und wegweisenden empirischen sowie theoretisch-methodologische Beitrag, der bereits in den vergangenen Jahren sein Anregungspotential für die qualitative Sozialforschung im deutschsprachigen Raum unter Beweis gestellt hat. Seine Anwendungsmöglichkeiten beschränken sich keineswegs auf den europäischen Kontext, sondern sind auch für außereuropäische Gesellschaftskontexte von hoher Relevanz", erläutert Prof. Dr. Reiner Keller, Lehrstuhl für Soziologie.

Entfaltet wird die Interpretative Subjektivierungsanalyse vor dem Hintergrund der in Augsburg entstandenen und 2014 veröffentlichten Dissertation zur „Subjektivierung ungelernter Arbeiter“. In dieser empirischen Untersuchung befasste sich PD Dr. Saša Bosančić damit, ob und wie ungelernte Arbeiter sich das vielfach diskutierte Konzept des ‚unternehmerischen Selbst‘ (U. Bröckling) zu eigen machen, und wie sie sich dazu verhalten. Der Begriff der „Subjektivierung“ entstammt dem Kontext der sozialwissenschaftlichen Diskursforschung, und hier insbesondere den Arbeiten von Michel Foucault sowie der in Augsburg entwickelten Wissenssoziologischen Diskursanalyse.

Nach dieser originellen und innovativen Dissertations-Studie unternahm Saša Bosančić in den folgenden Jahren im Rahmen mehrere Fachbeiträge und insbesondere in seiner an der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät im Fach Soziologie erfolgreich eingereichten Habilitationsschrift mit dem Titel „Wissen, Selbst und Gesellschaft. Die Forschungsperspektive der Interpretativen Subjektivierungsanalyse“ eine systematische theoretisch-methodologische Grundlegung dieses Ansatzes als Forschungsprogramm. Daneben ist vor allem die durch ihn initiierte, 2018 erfolgte Gründung des intersektionalen Arbeitskreises Subjektivierungsforschung (Sektionen Biographiefoschung und Wissenssoziologie der DGS) hervorzuheben. Daraus ist eine Buchreihe im Verlag Springer VS hervorgegangen, die von Saša Bosančić und weiteren Kolleginnen und Kollegen verantwortet wird bzw. wurde. Eine Veröffentlichung der Habilitatiosnschrift soll im Frühjahr 2023 erfolgen.

Der Thomas A. Herz-Preis für qualitative Sozialforschung wurde von Claudia und Trutz von Trotha gestiftet und ist mit 5.000 Euro dotiert. Mit dem Preis werden seit 2014 alle zwei Jahre jeweils zwei Preistägerinnen und Preisträger geehrt, deren soziologische Arbeiten einen innovativen Beitrag zur qualitativen Sozialforschung und zur empirisch fundierten Theoriebildung leisten.

Auf dem Bielefelder Kongress im September nahm ihn stellvertretend für die Familie Prof. Dr. Reiner Keller entgegen und würdigte den Preisträger und seine Arbeiten in einer kurzen Dankesrede. Das Preisgeld wurde als Spende an arbeiterkind.de weitergeleitet, denen PD Dr. Saša Bosančić sehr verbunden war.

PD Dr. Saša Bosančić studierte Soziologie an der Universität Augsburg. Danach war er seit 2006 Mitarbeiter am hiesigen Lehrstuhl für Soziologie, zuletzt seit 2020 als Akademischer Oberrat a. Z. Die Promotion erfolgte 2014, die erfolgreiche Habilitation im Jahre 2020. Am 14. Juli 2021 verstarb er nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 43 Jahren.

Suche