Pressemitteilung 29/23 - 27.04.2023

Regionales Bio-Plastik für Augsburger Pfandbecher

Forschende der Universität Augsburg suchen nach innovativen Wegen, herkömmliche Kunststoffe zu vermeiden


Welche Folgen unser Griff zu Plastiktüten, PET-Flaschen oder verschweißten Gurken hat, werden durch immer mehr Studien belegt. Forschende der Universität Augsburg versuchen gemeinsam mit sieben weiteren Projektpartnern, den Müllberg mit neuen Ansätzen zu reduzieren. Zudem möchten sie Kunststoffe durch regional verfügbare und umweltverträglichere Alternativen ersetzen. Insgesamt 2,5 Millionen Euro fließen in das Verbundprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), das nun für weitere zwei Jahre gefördert wird.

 

© Universität Augsburg

Die Idee war einfach, der Erfolg spektakulär: Zur Kanu-Weltmeisterschaft, die im vergangenen Jahr in Augsburg stattfand, brachte der Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetrieb der Stadt Augsburg (AWS) 25.000 Pfandbecher in den Umlauf. Die mit berühmten Köpfen der Region verzierten Getränke-Behälter sind nun in einem Modellversuch von einer ganzen Reihe von Kneipen und Restaurants erhältlich und werden von diesen Betrieben auch zurückgenommen und gereinigt. „Wir nehmen an, dass dadurch fast 400.000 Einwegbecher eingespart wurden“, erklärt Felix Assies von der Universität Augsburg. Die Vision ist ein stadtweites, einheitliches Pfandbecher-System.

Der Wirtschaftsingenieur untersucht in seiner Promotion Möglichkeiten, fossile Kunststoffe durch nachhaltigere Alternativen zu ersetzen und ihre Menge zudem durch intelligente Kreislaufsysteme zu reduzieren. Der „Augsburger Becher“ war auf diesem Weg nur ein erster Schritt - allerdings ein sehr effektiver: „Nach unseren konservativen Schätzungen wurde jeder Becher mehr als 15 Mal genutzt“, sagt Assies. „Dadurch konnten gegenüber herkömmlichen Einweg-PET-Bechern gut 20 Tonnen Kohlendioxid vermieden werden.“ Das bedeutet eine Reduktion um 75 Prozent – und das, obwohl die Trinkbehälter aufgrund ihrer höheren Lebensdauer dickwandiger sein müssen, und trotz der Energie, die für ihre Reinigung eingesetzt wird.


Assies ist Mitarbeiter im Verbundprojekt reGIOcycle, das seit 2020 vom BMBF gefördert wird. „Wir suchen darin nach innovativen Wegen, die Plastikmüll-Flut einzudämmen“, sagt Forschungsgruppenleiterin Dr. Andrea Thorenz, Mitarbeiterin des Instituts für Materials Resource Management und des Zentrums für Klimaresilienz der Universität Augsburg. Dazu gehört es auch, die Umweltbelastung dieser Strategien genau zu beziffern – im Fall des „Augsburger Bechers“ von seiner Herstellung bis zu seiner Entsorgung.

„Life Cycle Assessments“ nennen sich solche umfassenden Ökobilanzierungen in der Fachsprache. Und dort schneidet das Pfandsystem nicht nur in Punkto Klimabelastung sehr gut ab, sondern etwa auch bei der Verschmutzung der Meere oder bei dem Schaden, der durch die Produktion der Getränke-Behälter an der Ozonschicht entsteht. Einen zusätzlichen deutlichen Fortschritt versprechen sich die Forschenden von einem weiteren Schritt, den sie bis 2025 etablieren wollen: „Momentan bestehen die Mehrweg-Becher noch aus herkömmlichen Kunststoffen auf Erdöl-Basis“, erklärt Thorenz. „Wir möchten sie durch sogenannte Bio-Kunststoffe ersetzen.“

Allerdings nicht, wie sonst üblich, durch solche aus Mais oder Zuckerrohr. Denn die Grundrohstoffe hierfür werden häufig aus Brasilien, den USA oder Thailand importiert, wodurch zusätzliche Emissionen entstehen. „Wir planen dagegen, Bio-Plastik mit regionalen Abfällen der Land- und Forstwirtschaft herzustellen“, betont Thorenz – also etwa aus Stroh oder Rinde. „Dazu haben wir eine Datenbank für sämtliche Landkreise in Baden-Württemberg und Bayern erstellt“, sagt sie. „Darin sind die biogenen Rohstoffe aufgeführt, die dort in großen Mengen zur Verfügung stehen und die sich für die Bioplastik-Herstellung nutzen ließen.“

Das Becherproblem ist aber nur eines von vielen, denen sich die Forschenden gemeinsam mit ihren Projektpartnern im reGIOcycle-Projekt noch bis 2025 widmen. „Wir untersuchen unter anderem auch, wie wir erreichen können, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr so viele Plastikprodukte in ihren Biomüll entsorgen“, erklärt Felix Assies. Ursache solcher „Fehlwürfe“ ist oft schlicht Bequemlichkeit – etwa, wenn Kartoffelschalen oder Obstreste mitsamt der Tüte, in der sie gesammelt wurden, in die braune Tonne geworfen werden. Mitunter mangelt es aber auch an ausreichender Aufklärung.

Unabhängig von seinen Ursachen führt dieses Verhalten zu unschönen Konsequenzen: Eine zu starke Beimengung von Plastik bedeutet zum Beispiel, dass der Biomüll nicht mehr kompostiert werden darf, sondern der thermischen Verwertung zugeführt werden muss. Sprich: die wertvollen Rohstoffe, die in ihm stecken, werden dann nicht mehr genutzt, sondern einfach verbrannt.

Mehr Infos unter www.regiocycle.de

 

 

Hintergrundinformationen zum Projekt „reGIOcycle“ zur Verbesserung der regionalen Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen im Raum Augsburg

Der Umweltcluster Bayern hat gemeinsam mit Vertretern aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft das Projekt "reGIOcycle" ins Leben gerufen. Ziel des Projekts ist es, ein Konzept zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen in der Region Augsburg zu entwickeln und zu erproben. Dabei sollen verschiedene Akteure und Stakeholder aus Kommunen, Forschungseinrichtungen und lokal agierenden Projektpartnern mitwirken. Das Projekt beschäftigt sich mit der Vermeidung von Kunststoffabfällen und Ersatzmöglichkeiten durch nachwachsende Ressourcen. Die steigenden Abfallmengen im Kunststoffmarkt bieten Anreize für neue Lösungen.

„reGIOcycle“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderrichtlinie "Stadt-Land-Plus" gefördert. Es soll Stadt-Land-Beziehungen und die regionale Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe im Raum Augsburg zu verbessern. Das Konsortium besteht aus insgesamt acht Partnern, darunter das Deutsche Institut für Urbanistik gGmbH, das Fraunhofer IWKS und die Universität Stuttgart - Institut für Kunststofftechnik. Assoziierte Partner wie die Regio Augsburg Wirtschaft GmbH, die Kommunale Abfallwirtschaft im Landkreis Aichach-Friedberg und der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises Augsburg für Nachwachsende Rohstoffe (TFZ) unterstützen das Vorhaben.

Das Projekt startete am 01.02.2020 und wird bis zum 31.01.2025 laufen. Die dreijährige Forschungsphase ist erfolgreich abgeschlossen worden und eine zweijährige Umsetzungsphase startete am 01.02.2023. Während dieser sollen bis 2025 die vorab entwickelten Konzepte praktisch umgesetzt werden. Themen an denen im Rahmen von reGIOcycle gearbeitet wird, sind die Vermeidung von Kunststoff im Biomüll in Großwohnsiedlungen in Augsburg und Umgebung, eine Sammlung von Wertstoffen auf dem Augsburger Stadtmarkt, Forschung an Biokunststoffen und Kunststoffersatzprodukten aus nachwachsenden Rohstoffen sowie den Ersatz von Einwegplastik in der Gastronomie mithilfe des „Augsburger Bechers“. Insgesamt steht "reGIOcycle" für Vermeidung, Substitution und nachhaltige Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen am Beispiel der Region Augsburg. Das Projekt soll dazu beitragen, die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe zu verbessern und die Verwendung von nachwachsenden Ressourcen in der Region zu fördern.

 

Homepage: https://www.regiocycle.de
Augsburger Becher: https://www.augsburger-becher.de
Umweltcluster Bayern: https://www.umweltcluster.net/de/projekte/regiocycle.html

 

Projektpartner:

  • AWS (Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetrieb der Stadt Augsburg)
  • Deutsche Institut für Urbanistik (Difu)
  • Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart
  •  Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategien, IWKS
  • Landpack GmbH
  • TECNARO
  • Umwelttechnologie-Cluster Bayern e. V.
  • Universität Augsburg

Assoziierte Partner:
  • Regio Augsburg Wirtschaft GmbH (A³)
  • AVA Abfallverwertung Augsburg
  • Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises Augsburg
  • Kommunale Abfallwirtschaft Friedberg
  • Technologie- und Förderzentrum im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe (TFZ)

Wissenschaftlicher Ansprechperson

Akademische Oberrätin, Leitung Resource Lab
Institut für Materials Resource Management
  • Telefon: +49 821 598-3948
  • E-Mail:
  • Raum 2210 (Gebäude I)

Medienkontakt

Michael Hallermayer
Stellvertretender Pressesprecher, Stellv. Leitung
Stabsstelle Kommunikation & Marketing
  • Telefon: +49 821 598-2095
  • E-Mail:
  • Raum 3002 (Gebäude A2)

Suche