Die Natur als Inspiration

Wie Drohnen an der Universität Augsburg das Schwärmen lernen
 

Die Tierwelt hat schon oft zu technischer Innovation inspiriert. Gerade Vogel-, Fisch- und Insektenschwärme gelten als eines der faszinierendsten Naturschauspiele, welches auch das Interesse von Forschenden weckt. Während die Regeln und Gründe für das natürliche Schwarmverhalten durch langjährige Forschung immer genauer verstanden werden können, sind die Möglichkeiten für den Einsatz in technischen Systemen noch weniger bekannt. Am Institut für Software & Systems Engineering der Universität Augsburg (ISSE) forscht Prof. Dr. Wolfgang Reif mit seinem Team daran, wie Schwarmverhalten bei fliegenden Drohnen eingesetzt werden kann.
© Universität Augsburg

Zunächst erscheint eine schwarze Bildfläche mit vielen bunten Punkten auf dem Monitor von Dr. Oliver Kosak, Experte für Selbstorganisierende Systeme am ISSE und Themenkoordinator im KI-Produktionsnetzwerk. Als er die Simulation startet, fangen die Punkte an herumzuschwirren. Was zunächst chaotisch aussieht, ordnet sich schnell. Die Punkte jeder Farbe sortieren sich um ein Zentrum, so dass sie die Olympischen Ringe darstellen. Was in der Simulation sichtbar wird, ist bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokyo schon in die Realität umgesetzt worden. Dort haben Drohnen die Ringe in den Nachthimmel gemalt. „Bei dieser und anderen Lightshows kann man sehen, was da für ein riesiger Planungsaufwand dahintersteckt und wie viel Arbeit notwendig ist, um im Vorfeld alle Flugpläne für jede einzelne Drohne zu entwerfen“, erklärt Kosak.

Verhaltensregeln für Drohnenschwärme


Um den Planungsaufwand bei solchen Vorhaben in Zukunft gering zu halten, forscht der Lehrstuhl für Softwaretechnik in einem von der DFG geförderten Projekt an selbstorganisierenden Systemen. „Der Paradigmenwechsel ist hier, dass die Drohnen nicht mehr einzeln gesteuert werden müssen, sondern untereinander kommunizieren, um ihr Ziel zu erreichen, ohne dass Impulse von außen notwendig sind“, erläutert Reif. Als Vorlage einer solchen Organisation dienen Tierschwärme in der Natur, deren Verhaltensweisen bereits seit längerer Zeit von Forschenden der Biologie untersucht werden. Die Erkenntnisse aus dieser Forschung geben Impulse für das Verständnis von Prozessen in der Physik und der Systemdynamik, können aber auch in der Informatik genutzt werden.
So konnte das Augsburger Forschungsteam Regeln für die Simulation von Drohnenschwärmen übernehmen. „Die Individuen wollen immer im Schwarm bleiben, dazu orientieren sie sich an ihren Nachbarn versuchen ähnlich wie diese zu fliegen, die gleiche Geschwindigkeit zu haben, aber auch nicht zu kollidieren“, erläutert Reif.

Von Simulation zur Realität

Einzelne Drohnen kommen schon seit längerem im Alltag zum Einsatz. Sie liefern Pakete aus oder inspizieren Industrieanlagen wie Windräder und Solarparks. Abgesehen von Lightshows sind Drohnenschwärme am Himmel aber bislang noch nicht zu sehen. „Das liegt vor allem daran, dass für die Steuerungsmechanismen noch Forschung notwendig ist“, so Kosak.
Gemeinsam mit Dr. Constantin Wanninger, Abteilungsleiter Flugrobotik am ISSE, wird der praktische Teil der Drohnenforschung unter anderem in einer Flugarena umgesetzt. Hierbei werden die in Simulationen erprobten Techniken dann auf echte Drohnen übertragen. „Mit viel Arbeit und einigen Anpassungen sieht man, dass das eben auch bei echten Systemen funktionieren kann, wenn auch noch nicht so reibungslos wie in der Simulation“, so Kosak.
Erste Feldversuche gab es auch schon. Bei diesen haben die Drohnen im Schwarm ein Glasfaserkabel zur Temperaturmessung mehrere Meter über dem Boden gehalten. „So bekommt man ein sehr großflächiges, mobiles und in der Höhe anwendbares Messinstrument.“

Drohnenschwärme nach Katastrophenfällen

Eine weitere Anwendung an der geforscht wird, beschäftigt sich mit dem Einsatz von Drohnenschwärmen in Katastrophenfällen. So könnten diese beispielsweise nach Chemieunfällen schnell und genau bestimmen, in welche Richtung giftige Dämpfe ziehen. Die nächsten stationären Wetterstationen, welche die genaue Windrichtung bestimmen könnten, sind oft mehrere Kilometer vom Unfallort entfernt, so dass die konkreten Auswirkungen des Wetters auf die Verbreitung von Dämpfen nicht bekannt sind. Laut Kosak könnten Drohnenschwärme hier eingesetzt werden, um als Gruppe Entscheidungen zu treffen und so zum Beispiel die Position der höchsten Konzentration des Gases zu identifizieren und anschließend herauszufinden, ob es in Ausbreitungsrichtung für die Bevölkerung kritisch werden könnte.

 

Unsere Forschenden

Akademischer Rat a.Z.
Institut für Software & Systems Engineering
Institutsdirektor
Institut für Software & Systems Engineering

Suche