Pressemitteilung 20/24 - 16.02.2024

Forscher finden in Israel rätselhafte frühchristliche Höhle

Unterirdischer Komplex besteht aus einer Grabkammer und einem Steinbruch, der für religiöse Zwecke genutzt wurde

Forscher der israelischen Bar-Ilan-Universität und der Universität Augsburg haben in Israel eine rätselhafte unterirdische Anlage entdeckt. Die frühchristlich genutzte Höhle ist wahrscheinlich schon vor dem 4. Jahrhundert nach Christus entstanden. Sie liegt etwa 50 Kilometer südwestlich von Jerusalem. Sie besteht aus einer Grabkammer, von der eine Treppe in einen Steinbruch hinabführt. Die Wände des Steinbruchs sind mit gemalten Kreuzen und einer großen Inschrift versehen. Beides deutet darauf hin, dass er für religiöse Zwecke genutzt wurde – möglicherweise, weil das Grab viele Pilger anzog.

Steinbruch mit Treppe in der frühchristlichen Höhle. B. Zissu

Die frühchristliche Verehrungsstätte liegt in der Nähe der antiken Stadt Eleutheropolis. Ende des 3. Jahrhunderts begann sich das Christentum in der Region zu etablieren. Im 5. Jahrhundert war die Stadt Bischofssitz und ein bedeutendes christliches Zentrum.

Der israelische Archäologe Prof. Dr. Boaz Zissu erforscht seit längerem die Umgebung von Eleutheropolis. Dabei stieß er 2017 auf die zuvor unbekannte Höhle. Der Experte für klassische Archäologie erkannte, dass es sich auch kirchenhistorisch um einen ungewöhnlichen Fund handelte. Er zog daher seinen Augsburger Kollegen Erasmus Gaß hinzu, mit dem er seit vielen Jahren kooperiert. „Ein Aspekt, durch den sich der Komplex von anderen Gräbern abhebt, ist der Steinbruch“, betont Gaß. „Grundsätzlich sind Steinbrüche in der Region zwar alles andere als selten. Hier wurde er aber offensichtlich für religiöse Zwecke genutzt - das kennt man ansonsten nicht.“

Das Grab liegt in einer unterirdischen quadratischen Kammer von etwa 5 mal 5 Metern Größe. Der Zutritt erfolgte über einen Vorraum, dessen Decke heute eingestürzt ist. Auf der gegenüberliegenden Seite führte eine Treppe hinunter in den glockenförmigen, rund 14 Meter hohen Steinbruch. „An seiner Wand befinden sich vier Meter über dem Boden drei kunstvolle Malereien“, sagt Gaß: „Bei einer davon handelt es sich um ein von einem Lorbeerkranz umgebenes Kreuz. Zwischen den Armen des Kreuzes sind die Buchstaben Iota und Chi für Jesus Christus sowie Alpha und Omega als Symbole für den Anfang und das Ende zu sehen.“

Das Kreuz deutet darauf hin, dass der Steinbruch für christliche Zwecke genutzt wurde. Dazu passt auch eine zweite Malerei, eine große Inschrift, die von einem verzierten Rechteck umrahmt ist. Dabei entsteht der Eindruck einer Tafel mit zwei seitlichen Griffen, einer sogenannten Tabula ansata. Darin stehen die Worte „Grabmal von Abraham dem Gerechten“. „Wer dieser Abraham war, wissen wir nicht“, betont Gaß. „Wahrscheinlich handelt es sich um einen Eremiten, Märtyrer oder Heiligen, der hier gestorben ist und von der lokalen Bevölkerung verehrt wurde.“

Detailbild der Inschrift: "Grabmahl von Abraham dem Gerechten“ © B. Zissu

Irgendwann scheint sich sein Grab jedoch zu einer populären Pilgerstätte entwickelt zu haben. „Wir vermuten, dass die eigentliche Grabkammer als Andachtsort für die Besucher zu klein wurde“, sagt Gaß. „Man beschloss daher wohl, den Steinbruch ebenfalls als Verehrungsstätte zu nutzen.“ In diesem Zuge seien dann wahrscheinlich das Kreuz und die Inschrift entstanden. Warum das Grab des Abraham eine so große Anziehungskraft entwickelte, ist unbekannt. Interessanterweise erscheint auf der Tabula ansata sein Name nicht (wie in christlichen Inschriften üblich) mit griechischer Endung, sondern in hebräischer Schreibweise. Vielleicht ist das eine Anspielung auf den alttestamentarischen Abraham. Eventuell wird der in Eleutheropolis Begrabene damit in eine Tradition zum Erzvater Israels gestellt.

Interessant ist auch noch ein weiterer Punkt: Im 5. Jahrhundert spekulierte der damalige Bischof von Eleutheropolis, dass in dem Grab ein ganz anderer Heiliger bestattet sei - nämlich der Prophet Micha von Moreschet. Dieser lebte und starb vermutlich tatsächlich in der Gegend. Doch warum deutete der Bischof das Grab um? „Auch das können wir nicht sagen“, gibt Gaß zu. „Vielleicht wollte er die Popularität der Verehrungsstätte noch weiter erhöhen - und damit auch das Renommée, das damit für Eleutheropolis einherging. Ein lokaler Märtyrer, das ist schließlich nur Kreisklasse. Ein biblischer Prophet ist dagegen Champions League.“

Steinbruch mit Kreuz (3) und Inschrift (2) in frühchristliche Höhle © B. Zissu

 

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