Pressemitteilung 106/25 - 09.10.2025

„Umweltfragen sind komplex – deswegen forschen wir über Fachgrenzen hinweg“

Prof. Dr. Jens Soentgen über die 25-jährige Erfolgsgeschichte des Wissenschaftszentrums Umwelt der Universität Augsburg

Seit 25 Jahren fördert das Wissenschaftszentrum Umwelt (WZU) an der Universität Augsburg interdisziplinäre Forschung, Lehre und Austausch zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen. Es initiiert eigene Forschungsprojekte, moderiert fachübergreifende Arbeitsgruppen und bietet ein interdisziplinäres Lehrangebot. Dazu gehört auch die etablierte Vorlesungsreihe UmweltStudium, die das Zentrum gemeinsam mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt und weiteren Partnern gestaltet. Prof. Dr. Jens Soentgen, Wissenschaftlicher Leiter des WZU, im Interview über 25 Jahre Wissenschaftszentrum Umwelt.

Dr. Jens Soentgen leitet das Wissenschaftszentrum Umwelt der Universität Augsburg © Universität Augsburg

Das Wissenschaftszentrum Umwelt feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Wenn Sie zurückblicken: Mit welcher Idee wurde das WZU im Jahr 2000 gegründet?

Soentgen: Ausgangspunkt war die Einsicht, dass Umweltthemen nie in einer einzelnen Disziplin aufgehoben sind. Wer etwa die globale Erwärmung verstehen will, braucht naturwissenschaftliches Wissen, aber genauso historische und ökonomische Perspektiven. Die Universität Augsburg wollte mit dem WZU einen Ort schaffen, an dem dieser interdisziplinäre Austausch systematisch möglich wird. Umweltfragen sind komplex – deswegen forschen wir über Fachgrenzen hinweg.

Was macht die Zusammenarbeit zwischen Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften so herausfordernd – und zugleich so wichtig?

Soentgen: Jede Disziplin hat ihre eigene Sprache und ihr eigenes Verständnis von Problemen. Das macht die Zusammenarbeit teilweise mühsam – man verlässt die Komfortzone. Gerade deshalb braucht es Strukturen, die diesen Austausch fördern. Sie müssen mehrsprachig arbeiten – nicht nur im Sinne von Fremdsprachen, sondern in den „Sprachen“ der Disziplinen. Wer mehrere Fächer versteht, kann zwischen ihnen vermitteln und Projekte moderieren. Genau das wollen wir tun.

Aktuell setzen Sie mit den Environmental Humanities – also der Umweltforschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften – neue Akzente. Was versprechen Sie sich davon?

Soentgen: Damit wollen wir den Geistes- und Sozialwissenschaften im Umweltbereich mehr Gewicht geben. Es reicht nicht, ökologische Probleme technisch zu beschreiben – wir brauchen auch ein Verständnis für kulturelle, historische und gesellschaftliche Dimensionen. Wenn zum Beispiel pauschal gesagt wird: ‚Chemikalien sind unnatürlich‘, dann schütteln Chemikerinnen und Chemiker darüber den Kopf. Grund ist, dass in der Naturwissenschaft ein anderer Naturbegriff zählt als in der Öffentlichkeit. Sich darüber klarzuwerden kann das Gespräch und die Suche nach Lösungen fördern. Mit dem Internationalen Doktorandenkolleg „Um(welt)denken“, das vom Freistaat Bayern bereits in einer zweiten Runde gefördert wird, fördern wir intensiv die interdisziplinäre Arbeit und haben auch einige ‚mehrsprachige Nachwuchstalente‘ dabei, die im Grenzbereich von Natur- und Geisteswissenschaft arbeiten.

Erfolgreich waren beispielsweise die am WZU entwickelten „Stoffgeschichten“. Können Sie erklären, was sich hinter diesem Ansatz verbirgt?

Soentgen: Stoffgeschichten verfolgen den Weg von Materialien wie Holz, Kohle oder Plastik durch verschiedene Kontexte und Zeiten. Dadurch lassen sich naturwissenschaftliche, historische, soziale und ökonomische Dimensionen auf eine gemeinsame Erzählweise beziehen. Das erleichtert den Dialog, weil alle Beteiligten an einen konkreten „Stoff“ anknüpfen können. Mittlerweile haben wir 16 Bücher veröffentlicht – von Staub und Phosphor über Zucker und Milch bis zu seltenen Erden, Ozon und CO₂.

Wie hat das Wissenschaftszentrum Umwelt in den letzten 25 Jahren die Universität Augsburg mitgeprägt?

Soentgen: Wir haben bereits seit 2003 das Forschungsfeld der Umweltmedizin in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz Zentrum München und dem Institut für Geographie aufgegriffen. Heute ist es einer der beiden Forschungsschwerpunkte der 2016 gegründeten Medizinischen Fakultät, an dem das Wissenschaftszentrum Umwelt nach wie vor beteiligt ist.

Impulsgeber war das WZU auch bei der Ressourcenstrategie – also der Betrachtung der nachhaltigen Nutzung, Verwaltung, Entwicklung und Entsorgung natürlicher Ressourcen. Dies umfasst unter anderem die Analyse von Ressourcenströmen, die Bewertung von Rohstoffrisiken die Entwicklung von Technologien. Sowohl die Mathematisch-Naturwissenschaftlich-Technische als auch die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät bearbeiten diese Themen heute intensiv. Ohne das WZU wären diese Felder nicht in dieser Form entstanden.

Das WZU befasst sich auch stark mit der Umwelt vor der Haustüre – zum Beispiel auf dem Campus.

Soentgen: Ja. Umwelt ist nie nur global. Sie zeigt sich immer auch vor Ort. Mit unseren Projekten wollen wir die Universität Augsburg selbst grüner machen und damit Maßstäbe für eine nachhaltige Transformation setzen.

Ein anderer Ort, an dem wir forschen, ist der Lech. Das vom Klimawandel bedrohte Ökosystem soll geschützt werden. Hier sind wir an einem Projekt beteiligt, das nach Wegen sucht, das Gewässer trotz der Wasserkraftwerke zu stärken. Dabei soll eine Lösung gefunden werden, die alle beteiligten Akteure – von Naturschutzverbänden bis zu Kraftwerksbetreibern – unterstützt.

Mit der Ausstellung „Vom Wildfluss zum ‚Cyborg‘“ haben wir historische und aktuelle Landschaftsaufnahmen gegenübergestellt, die den Wandel des Flusses sichtbar machen. Uns ist es wichtig, auch die Öffentlichkeit zu erreichen und Wissenschaft erfahrbar und begreifbar zu machen.

 

Imagevideo des Wissenschaftszentrums Umwelt an der Universität Augsburg:

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