Neben der Patientenversorgung und der klinischen Forschung stellt die experimentelle Forschung das dritte Betätigungsfeld der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin dar. In unserem Forschungslabor bearbeiten wir translationale und grundlagenwissenschaftliche Themen aus dem Bereichen Schmerz und hemmende, insbesondere glycinerge Neurotransmission. Zielsetzung ist dabei die Identifizierung neuartiger Therapieansätze für die Behandlung bzw. Prävention chronischer Schmerzen.

CHRONISCHE SCHMERZEN

Das Schmerzempfinden stellt eine wichtige Warnfunktion des Körpers dar und schützt ihn vor potentiellen Schäden. Chronische Entzündungen, systemische Erkrankungen oder Läsionen im peripheren oder zentralen Nervensystem können zu einer pathologischen nozizeptiven Hyperaktivität führen. Dies äußert sich in einer spontanen und/oder übermäßiger Schmerzantwort auf nicht schmerzhafte oder leichte Stimuli (Allodynie bzw. Hyperalgesie). Diese chronischen Schmerzformen sind trotz intensiver Forschungen in vielen Fällen schwierig zu therapieren. In einem signifikanten Anteil der Patienten sind die Behandlungserfolge z.T. aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen der eingesetzten Medikamente, z.T. aufgrund unzureichender Wirksamkeit der jeweiligen Therapien, nicht zufriedenstellend. Umfangreiche Daten deuten darauf hin, dass die Chronifizierung von Schmerzen neuroplastische Änderungen innerhalb des zentralen Nervensystems verursacht, die zu spezifischen Unterschieden in der Prozessierung chronischer und akuter Schmerzen führen. Es ist bekannt, dass sich insbesondere im Hinterhorn des Rückenmarks während der Entwicklung chronischer Schmerzen die Balance synaptischer Erregung und Hemmung ändert und dies wahrscheinlich zur Pathogenese chronischer Schmerzen beiträgt. Insbesondere Änderungen in der glycinerge Hemmung sind bisher nur unvollständig untersucht und pharmakologische Interventionen hier aufgrund der bisher schlecht entwickelten Pharmakologie glycinerger Neurotransmission nicht oder nur schlecht möglich.

 

In diesem Projekt versuchen wir mittels multidisziplinären Ansätzen, die den neuroplastischen Änderungen zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen und auf deren Basis neuartige Therapiekonzepte zu entwickeln.

 

Als neuartigen Ansatz für die Behandlung chronischer Schmerzen untersuchen wir die Möglichkeiten, glycinerge Hemmung indirekt durch Inhibition durch Glycin-Transporter (GlyT) zu verstärken. Dabei untersuchen wir die Wirkmechanismen dieser putativer GlyT aktiver Substanzen und die Funktionen dieser Transporter in in-vitro und in-vivo, mittels biochemischer, pharmakologischer, elektrophysiologischer, und Maus-genetischer Methoden.

 

Barsch, L, Werdehausen R, Leffler A, and Eulenburg V (2022) Modulation of Glycinergic Neurotransmission May Contribute to the Analgesic Effects of Propacetamol“. Biomolecules. 11:493. doi.org/10.3390/biom11040493.

 

Groemer, Teja Wolfgang, Antoine Triller, Hanns Ulrich Zeilhofer, Kristina Becker, Volker Eulenburg, und Cord Michael Becker (2022) Nociception in the Glycine Receptor Deficient Mutant Mouse Spastic. Frontiers in mol. Neurosci 15: 83249 doi.org/10.3389/fnmol.2022.832490.

 

Armbruster A, Neumann E, Kötter V, Hermanns H, Werdehausen R and Eulenburg V (2018) The GlyT1 Inhibitor Bitopertin Ameliorates Allodynia and Hyperalgesia in Animal Models of Neuropathic and Inflammatory Pain.  Front. Mol. Neurosci. 10:438. doi: 10.3389/fnmol.2017.00438.

 

Kurolap A*, Armbruster A*, Hershkovitz T, Hauf K, Mory A, Paperna T, Hannappel E, Tal G, Nijem Y, Sella E, Mahajnah M, Ilivitzki A, Hershkovitz D, Ekhilevitch N, Mandel H, Eulenburg V$*, Baris H$* (2016) Loss of glycine transporter 1 causes a subtype of glycine encephalopathy with arthrogryposis and mildly elevated cerebrospinal fluid glycine.  Am J Hum Gen 99: 1172-1180 doi: 10.1016/j.ajhg.2016.09.004.

 

Werdehausen R, Mittnacht S, Bee LA, Minett MS, Armbruster A, Bauer I, Wood JN, Hermanns H, Eulenburg V (2015) The lidocaine metabolite N-ethylglycine has antinociceptive effects in experimental inflammatory and neuropathic pain.  Pain, 156, 1647-59.

Transporter abhängige Regulation glycinerger Neurotransmission

Glycin ist ein wichtiger inhibitorischer Neurotransmitter, fungiert aber zusätzlich auch als essentieller Koagonist an exzitatorischen Glutamatrezeptoren des N-Methy-D-Aspartat (NMDAR) Subtyps. Die Regulation der extrazellulären Glycinkonzentration an beiden Synapsentypen erfolgt über Glycin-Transportsysteme mit hoher Affinität und Kapazität, die den Transport von Glycin über die Membranen der präsynaptischen Terminale bzw. der die Synapse umgebenen Gliazellen katalysieren. Obwohl die meisten Zellen an Glycin-abhängigen Synapsen mehr als einen Transporter mit hoher Affinität für Glycin exprimieren, ist deren präzise Funktion sowie deren funktionelle Interaktion bisher nur unzureichend verstanden. In diesem Projekt untersuchen wir, wie Transporter mit hoher Affinität für Glycin, das sind der hauptsächlich astroglial exprimierte  Glycintransporter 1 (GlyT1; SLC6A9) der sowohl neuronal als auch astoglial exprimierte der Alanin-Serin-Cystein-1 Transporter (ASC-1, SLC7A10) und der ausschließlich neuronal exprimierten GlyT2 (Slc6a5), bei der Aufrechterhaltung der Glycin-Homöostase an glycinergen  Synapsen miteinander interagieren, und wie deren Funktion sich während der Entwicklung ändert.

 

Ziel dieses Projektes ist die Klärung der individuellen Funktionen von Glycin spezifischen Transportern bei der Regulation Glycin-abhängiger Neurotransmission. Hierbei werden wir die Funktionen der jeweiligen Transporter an inhibitorischen Synapsen klären, um so die genauen Mechanismen zu klären, wie diese Transporter für die Aufrechterhaltung des Glycin-Kreislaufs an glycinergen Synapsen miteinander interagieren. Wir planen dieses Projekt mit einem interdisziplinären Ansatz, der neben biochemischen und elektrophysiologischen Methoden auch auf komplexe genetische und RNAi Techniken zurückgreift.

 

Eulenburg V, and Hülsmann S (2022) Synergistic Control of Transmitter Turnover at Glycinergic Synapses by GlyT1, GlyT2, and ASC-1“ Int. J. Med. Sci. 23:2561 doi.org/10.3390/ijms23052561.

 

Hauf, K., Barsch L, Bauer D, Buchert R, Armbruster A, Frauenfeld L, Grasshoff U, and V. Eulenburg. (2020) GlyT1 Encephalopathy: Characterization of Presumably Disease Causing GlyT1 Mutations. Neuroichem. Int. 139: 104813. doi.org/10.1016/j.neuint.2020.104813.

 

Hirrlinger J, Marx G, Besser S, Sicker M, Köhler S, Hirrlinger PG, Wojcik SM, Eulenburg V, Winkler U, Hülsmann S. (2019) GABA-Glycine Cotransmitting Neurons in the Ventrolateral Medulla: Development and Functional Relevance for Breathing Front. Cell. Neurosci 13: 517 doi.org/10.3389/fncel.2019.00517.

 

Eulenburg V, Knop G, Sedmak S, Schuster S, Hauf K, Schneider J, Feigenspan A, Joachimsthaler A, and Brandstätter JH. (2018) GlyT1 Determines the Glycinergic Phenotype of Amacrine Cells in the Mouse Retina. Brain Struct. Funct. 223: 3251-66 doi.org/10.1007/s00429-018-1684-3.

Kontakt

Prof. Dr. Volker Eulenburg
Professor für Translationale Anästhesiologie und Intensivmedizin
Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin

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