Experimentelle Onkologie und Tumorepigenetik

Leitung: PD Dr. med Pascal Johann
Victoria Fincke, MSc., Doktorandin
Mateja Krulik, MSc.

 

Die Arbeitsgruppe experimentelle, pädiatrische Onkologie befasst sich mit den Mechanismen der Tumorentstehung im Kindesalter. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf Krebserkrankungen, die sich durch Aberrationen des SWI/SNF Komplexes auszeichnen. Dieser Multiproteinkomplex steuert bei normaler Funktion in gesunden Zellen die Differenzierung von beispielsweise neuronalen Stammzellen.
In vielen Tumoren sind einzelne Komponenten dieses Komplexes (wie zum Beispiel die Proteine SMARCB1 oder SMARCA4) von inaktivierenden Mutationen oder Deletionen betroffen. Häufige Beispiele im Kindes-und Jugendalter sind Rhabdoidtumore, bei denen mehrheitlich SMARCB1 deletiert ist, aber auch SMARCB1 defiziente (sogenannte epithelioide) Sarkome und Nierentumore vorkommen.

 

AG Experimentelle pädiatrische Onkologie und Tumorepigenetik
tSNE Analyse und Darstellung SMARCB1 oder SMARCA4 defizienter Entitäten / PD Dr. Johann

 

Die Deletionen des SWI/SNF Komplexes führen zu vielfältigen epigenetischen Veränderungen, die sowohl den Histoncode als auch die Methylierung dieser Tumore betreffen.
Durch die Veränderungen des SWI/SNF Komplexes werden beispielsweise Tumorsuppressorgene abgeschaltet und gleichzeitig pro-tumorigene Signalwege (wie z.B. der SHH pathway oder auch der EGFR pathway) gefördert. Auch wenn die genetischen Mechanismen hinter diesen Erkrankungen bekannt sind, ist bislang nur ein Bruchteil der epigenetischen Veränderungen, welche diese Tumore bedingen, identifiziert.
In der Vergangenheit konnten so beispielsweise bei Rhabdoidtumoren des ZNS (sogenannte ATRT) gezeigt werden, dass trotz der hohen genetischen Homogenität eine ausgeprägte epigenetische Heterogenität besteht und drei klinisch relevante Subgruppen konnten nachgewiesen werden.

In diesem Teilprojekt befassen wir uns schwerpunktmässig mit den epigenetischen Mechanismen, welche die Entstehung von Epithelioiden Sarkomen und Renal Medullären Carcinomen bedingen.
Beide Erkrankungen zeichnen sich durch Deletionen von SMARCB1 auf genetischer Ebene und klinisch durch eine hohe Resistenz gegen klassische Chemotherapie aus.
Mittels Methylierungsarrays und ChIP-Sequenzierungen analysieren wir die epigenetische Landschaft dieser Tumore, um so zu neue therapeutische Ziele aufdecken zu können. Dies geschieht sowohl an Zelllinien als auch an Primärgeweben.
In einem weiteren Schritt werden die in den vorhergegangenen Analysen nachgewiesenen Zielstrukturen an Zelllinien auf ihre Eignung als therapeutisches Target überprüft.  

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeitsgruppe liegt künftig in der Durchführung sogenannter liquid biopsies bei pädiatrischen Hirntumorpatienten. Dieses Projekt bewegt sich im Rahmen des BZKF (Bayrisches Krebsforschungszentrum, Studiengruppe für pädiatrische Hirntumore, Leitung: Prof. Dr. Michael Frühwald, Stellvertreter: PD Dr. Pascal Johann) und das Ziel ist die Standardisierung der Messung molekularer Tumormarker im Liquor. Hierdurch soll eine minimal-invasive Maßnahme etabliert werden, welche die Bestimmung der Tumorlast durch  gewonnenen Liquorproben ermöglicht.

 

Durchführung von liquid biopsies zu Tumordiagnose und Monitoring im Rahmen des Bayrischen Krebsforschungszentrums / PD Dr. Johann

 

Im Rahmen eines Verbundprojektes mit den anderen bayrischen Universitätsklinika werden wir zunächst standardisierte Bedingungen zur Liquorasservierung erarbeiten. In einem zweiten Schritt wird versucht, Mutationen, die typisch für pädiatrische Hirntumore sind, im Liquor nachzuweisen und mit der tatsächlich vorhandenen Krankheitslast zu korrelieren.
Ziel dieses Projektes ist, minimal invasiv ein Tumor-Monitoring durchzuführen und damit Patienten zielgenauer behandeln zu können.

 

Die vollständige Auflistung der Publikationen finden Sie hier: Publikationen PD Dr. Pascal Johann auf pubmed

 

Wichtige Publikationen der letzten Jahre:

  • Atypical teratoid /rhabdoid tumor (ATRT) is an epigenetically heterogeneous disease with distinct subgroup specific enhancer landscapes. Cancer Cell 2016; 29(3):379-93.
    Johann P*, Erkek S*, Zapatka M, Kerl K, Buchhalter I, Hovestadt V, Sturm D, Hermann C, Wang MS, Korshunov A, Ryzhova M, Jones DTW, Northcott P, Groeschel S, Kratochwil F, Wittmann A, Sieber L, Oyen F, Capper D, Milde T, Witt O, Kulozik A, Ebinger M, Ruland V, Shalaby T, Mora J, Aronica E, Pietsch T, Schuller U, Schneppenheim R, Frühwald M, Lichter P, Eils R, Gajjar A, Hasselblatt M, Pfister S, Kool M: Atypical teratoid /rhabdoid tumor (ATRT) is an epigenetically heterogeneous disease with distinct subgroup specific enhancer landscapes. Cancer Cell 2016; 29(3):379-93.
  • Johann P*, Erkek S*, Zapatka M, Kerl K, Buchhalter I, Hovestadt V, Sturm D, Hermann C, Wang MS, Korshunov A, Ryzhova M, Jones DTW, Northcott P, Groeschel S, Kratochwil F, Wittmann A, Sieber L, Oyen F, Capper D, Milde T, Witt O, Kulozik A, Ebinger M, Ruland V, Shalaby T, Mora J, Aronica E, Pietsch T, Schuller U, Schneppenheim R, Frühwald M, Lichter P, Eils R, Gajjar A, Hasselblatt M, Pfister S, Kool M: Atypical teratoid /rhabdoid tumor (ATRT) is an epigenetically heterogeneous disease with distinct subgroup specific enhancer landscapes. Cancer Cell 2016; 29(3):379-93.
  • Johann P, Bens S, Oyen F, Wagener R, Giannini C, Perry A, Raisanen JM, Reis GF, Nobusawa S, Arita K, Felsberg J, Reifenberger G, Agaimy A, Buslei R, Capper D, Pfister SM, Schneppenheim R, Siebert R, Frühwald MC, Paulus W, Kool M, Hasselblatt M. Sellar Region Atypical Teratoid/Rhabdoid Tumors (ATRT) in Adults Display DNA Methylation Profiles of the ATRT-MYC Subgroup. Am J Surg Pathol. 2018 Apr;42(4):506-511.
  • Johann P, Hovestadt V, Thomas C, Jeibmann A, Hess K, Bens S, Oyen F, Hawkins C, Pierson CR, Aldape K, Kim S, Widing E, Sumerauer D, Hauser P, van Landeghem F, Ryzhova M, Korshunov A, Capper D, Jones D, Pfister SM, Schneppenheim R, Siebert R, Paulus W, Frühwald M, Kool M, Hasselblatt M: Cribriform neuroepithelial tumor (CRINET): Molecular characterization of a SMARCB1-deficient non-rhabdoid tumor with favorable longterm outcome. Brain Pathology. 2017 Jul;27(4):411-418.
  • Holdhof D*, Johann PD*, Spohn M, Bockmayr M, Safaei S, Joshi P, Masliah-Planchon J, Ho B, Andrianteranagna M, Bourdeaut F, Huang A, Kool M, Upadhyaya SA, Bendel AE, Indenbirken D, Foulkes WD, Bush JW, Creytens D, Kordes U, Frühwald MC, Hasselblatt M, Schüller U. Atypical teratoid/rhabdoid tumors (ATRTs) with SMARCA4 mutation are molecularly distinct from SMARCB1-deficient cases
    Acta Neuropathol 2021 Feb;141(2):291-301. doi: 10.1007/s00401-020-02250-7.

 

PD Dr. med. Pascal Johann, Leitung
AG Experimentelle pädiatrische Onkologie und Tumorepigenetik
Victoria Fincke, MSc., Doktorandin
Mateja Krulik, MSc.
Felix Dorn, Biologielaborant

Tumordisposition

KREBSERKRANKUNGEN IM KINDESALTER –

NUR SCHICKSAL ODER DOCH MEHR?

 

Leitung: PD Dr. Michaela Kuhlen
Daniela Pfeiffer, M.Sc.
Simon Huber, MD
Daniela Angelova-Toshkina, MD

 

Lange Zeit wurde angenommen, dass Krebserkrankungen im Kindesalter eine Folge unglücklicher Umstände sind. Heutzutage wissen wir jedoch, dass bei ca. 10% der betroffenen Kinder und Jugendlichen ein sogenanntes Tumor-Dispositions-Syndrom (TDS) zugrunde liegt. Auch bei Erwachsenen mit einer Krebserkrankung spielen TDS eine wichtige Rolle. Neuesten Untersuchungen zufolge ist anzunehmen, dass bei bis zu 25% aller Patienten mit einer Tumorerkrankung ein TDS zugrunde liegt.


TDS sind genetische Erkrankungen, die mit einem erhöhten Risiko für verschiedenste gut- und vor allem bösartige Tumorerkrankungen einhergehen. TDS können vererbt oder im betroffenen Patienten neu entstanden sein. Die Möglichkeiten, betroffene Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf eine solche genetische Disposition zu untersuchen, nehmen stetig zu. Gemäß den Empfehlungen der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) und der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) soll bei allen Kindern und Jugendlichen mit einer neu diagnostizierten Krebserkrankung mittels eines Fragebogens geprüft werden, ob Hinweise für ein TDS vorliegen. Bei Auffälligkeiten werden eine genetische Beratung und ggf. Untersuchung empfohlen.

ZeKiTDS

 

Mögliche Hinweise auf ein zugrundeliegendes TDS können beispielsweise sein:

  • gehäuftes Auftreten von Tumoren in der Familie/bei einem Familienangehörigen
  • besondere Tumorarten, die typisch für ein TDS sind
  • Tumorerkrankungen in Zusammenhang mit anderen genetischen Erkrankungen (z.B. Vorliegen eines Syndroms)

Das Wissen um ein zugrundeliegendes TDS kann erheblichen Einfluss sowohl auf die Therapie der Krebserkrankung als auch die weitere Versorgung der Kinder und Jugendlichen im Rahmen der Tumornachsorge haben. Hier ist es insbesondere wichtig, die Nachsorgeuntersuchungen durch Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung weiterer Krebserkrankungen bzw. sogenannter Zweittumorerkrankungen zu ergänzen. Für das häufigste und zugleich bekannteste TDS – das Li-Fraumeni Syndrom – gibt es bereits gute Daten, dass durch ein solches Konzept die Sterblichkeit von Trägern des TDS deutlich gesenkt werden kann. Für andere TDS wie bspw. sogenannte Mismatch Reparatur Defekte gibt es erste medikamentöse Empfehlungen, die eine Tumorentwicklung verzögern und im Idealfall verhindern sollen.


Über die meisten der über 100 TDS ist heutzutage jedoch noch wenig bekannt, entsprechend beschränken sich die Empfehlungen vor allem auf regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen. Aufgrund des rasanten Erkenntnisgewinns im Bereich der Krebsentstehung und der Entwicklungen in der Präzisionsmedizin ist allerdings zu erwarten, dass in den kommenden Jahren neue Optionen zur Tumorprävention für Patienten, die Träger eines TDS sind, zur Verfügung stehen werden.


Schon heute leben viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einem TDS. In den verschiedenen Abteilungen der Klinik für Kinder und Jugendliche am Universitätsklinikum Augsburg werden beispielsweise ca. 250 Kinder und Jugendliche mit einem TDS betreut. Insbesondere der Übergang von der Betreuung in der Kinder- und Jugendmedizin hin zur Erwachsenenmedizin stellt eine empfindliche Phase dar und erfordert ein besonderes Maß an Information und Stärkung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Hinblick auf die Auseinandersetzung und den Umgang mit einer möglichen genetischen Tumordisposition. Auch die Lebens- und Familienplanung können durch ein solches Wissen entscheidend beeinflusst werden. Über die Bedürfnisse vor allem von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einem TDS ist jedoch wenig bekannt, auf diese besondere Lebenssituation abgestimmte, spezielle Unterstützungsangebote fehlen.

 

Angegliedert an das Schwäbische Kinderkrebszentrum der Klinik für Kinder und Jugendliche am Universitätsklinikum Augsburg und das Augsburger Zentrum für Seltene Erkrankungen bauen wir ein KompetenzZentrum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Tumor-Dispositions-Syndromen Bayern (ZeKiTDS) auf, in dem Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einer Tumorerkrankung in Hinblick auf das Vorliegen eines TDS diagnostiziert und versorgt werden können. Mit einem Team aus Ärzten, Psychologen und Wissenschaftlern wollen wir neue Diagnose- und Vorsorgemöglichkeiten entwickeln und umfangreiche Versorgungsstrukturen für betroffene Patienten und Familien schaffen. Ergänzt wird dies durch umfangreiche Forschungsaktivitäten (sog. Care4TuDoS-Studie), die sowohl zu einem besseren Verständnis der Krebsentstehung und -früherkennung als auch einer besseren Versorgung betroffener Patienten entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse beitragen sollen. Langfristiges Ziel ist es, durch die Kombination aus Forschung, Therapie und Versorgung die Lebensumstände von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit einem TDS nachhaltig zu verbessern.


Forschungsprojekte:

 

  • Care4TuDoS: Identifizierung und interdisziplinäre Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sowie deren Familien mit Tumordispositionssyndromen (Medizinische Fakultät, Universität Augsburg)
  • Towards personalized cancer surveillance in children, adolescents and adults with Neurofibromatosis type 1 (PLGA Foundation)

Osteonekrosen

 

Leitung: PD Dr. Michaela Kuhlen

 

In Deutschland erkranken jährlich ca. 500 Kinder und Jugendliche an einer akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) oder einem lymphoblastischem Lymphom (LBL). Mit den heutigen Behandlungsmethoden (Kombinationschemotherapie) werden mehr als 80% der Kinder und Jugendlichen dauerhaft geheilt.

Als eine schwerwiegende Folge der antileukämischen Therapie können sogenannte Osteonekrosen auftreten. Das Wort „Osteonekrose“ leitet sich aus den beiden griechischen Worten „osteon“ (Knochen) und „nekros“ (abgestorben) ab und heißt übersetzt „abgestorbener Knochen“. Ganz allgemein meint dies den Gewebetod von Knochensubstanz unterschiedlichster Ursache.

PD Dr. M. Kuhlen
PD Dr. M. Kuhlen

 

Alle Osteonekrosen haben eine gemeinsame Endstrecke: eine lokal verminderte, knöcherne Durchblutung führt zu einer vermehrten Wasseransammlung (sogenanntes Knochenmarködem) in dem betroffenen Knochenabschnitt. Diese erhöht den Druck innerhalb des Knochens, wodurch es zu einer verminderten Sauerstoffversorgung in den betroffenen Knochenarealen kommt, welche wiederum zur Entwicklung von Osteonekrosen führt. Potentielle Risikofaktoren für die Entwicklung von Osteonekrosen sind vielfältig, z.B. verschiedene Medikamente (u.a. Kortikosteroide), Infektionen, Stoffwechsel- und Gerinnungsstörungen und Tumorerkrankungen. Osteonekrosen betreffen überwiegend die großen, gewichtstragenden Gelenke (Hüfte, Knie). Betroffene Kinder und Jugendliche sind in frühen Erkrankungsstadien häufig beschwerdefrei oder haben nur geringe Schmerzen. In fortgeschrittenen Stadien klagen die Patienten regelhaft über Schmerzen, die sich bei Belastung verstärken und in Ruhe anhalten, und haben Bewegungseinschränkungen der betroffenen Gelenke. Aufgrund des wellenförmigen Schmerzverlaufs und des häufig vollständigen Fehlens von Schmerzen am Erkrankungsbeginn werden Osteonekrosen überwiegend erst in späten Krankheitsstadien diagnostiziert, in denen der Knochen- und Gelenkschaden nicht mehr umkehrbar ist. In diesen sog. Kollaps-Stadien kommt es aufgrund der ungleichmäßigen Gelenkflächen zu einer Zerstörung des Gelenkknorpels und zur Arthrose (Gelenkverschleiß) mit den entsprechenden dauerhaften Einschränkungen der Gelenkbeweglichkeit. Die Frühdiagnose von Osteonekrosen ist nur mittels Magnetresonanztomographie (MRT) möglich.
Nichtoperative Therapien sind neben einer Schmerztherapie die mechanische Entlastung (z.B. Unterarmgehstützen / Rollstuhl) und Krankengymnastik, die oft über Monate und Jahre erforderlich werden. Verschiedene Medikamente zur Behandlung von Osteonekrosen wurden bereits erprobt, ohne dass eine Wirksamkeit auf den weiteren Verlauf der Osteonekrosen nachgewiesen werden konnte. Für die fortgeschrittenen Krankheitsstadien stehen keine heilenden Therapieverfahren zur Verfügung. Häufig werden operative Eingriffe mit Anbohrung des Gelenks/Knochens (ggf. mit Einbringung verschiedenster Formen von körpereigenem oder –fremdem Knochenmaterial) oder Gelenk ersetzende Verfahren (z.B. Hüftgelenk- /Kniegelenkersatz) erforderlich.

 

In den vergangenen Jahren wird vermehrt zum Thema Osteonekrosen infolge antileukämischer Therapie geforscht. Heutzutage wissen wir daher, dass ca. 15-20% der Kinder und Jugendlichen, die in einem Alter von ≥10 Jahren an einer ALL / einem LBL erkranken, von dieser Nebenwirkung betroffen sind. Die Häufigkeit dieser Nebenwirkung scheint anzusteigen. Jedoch sind weder der genaue Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Osteonekrosen, der zeitliche und langfristige Verlauf sowie die Auswirkungen auf den späteren Alltag betroffener Kinder und Jugendlicher hinreichend bekannt. Die Diagnose „Osteonekrose“ wird immer noch zu spät, nämlich erst in einem weit fortgeschrittenen „Kollaps-Stadium“, gestellt, in dem sich die Behandlung äußerst schwierig gestaltet und viele Betroffene im Laufe ihres Lebens einen künstlichen Gelenkersatz benötigen.

OPAL-Studie

Osteonekrosen bei pädiatrischen Patienten
mit akuter lymphoblastischer Leukämie und lymphoblastischem Lymphom


Vor diesem Hintergrund haben wir zusammen mit den Studienleitungen der Therapiestudien für die Behandlung der ALL (AEIOP-BFM und CoALL) und des LBL (NHL-BFM) die OPAL-Studie initiiert. „OPAL“ steht für Osteonekrosen bei pädiatrischen Patienten (Kindern und Jugendlichen) mit ALL und LBL. In der OPAL-Studie werden Risikopatienten für die Entwicklung von Osteonekrosen unter antileukämischer Therapie, nämlich Kinder und Jugendliche ≥10 Jahre, therapiebegleitend auf die Entwicklung von Osteonekrosen klinisch und mittels MRT untersucht.

Die systematische Untersuchung des Auftretens von Osteonekrosen bei Risikopatienten unter antileukämischer Therapie soll zur Entwicklung risikoangepasster Diagnostikstrategien beitragen und eine fundierte Datenbasis für die nachfolgende Prüfung vorbeugender und gezielter Ansätze in der Behandlung der Osteonekrosen schaffen. Langfristiges Ziel ist die Senkung der Zahl von Osteonekrosen betroffener Kinder und Jugendlicher.

Die OPAL-Studie wird durch die Deutsche Kinderkrebsstiftung gefördert.

 

Publikationen

 

 

 

Weitere Infos zur Care4TuDoS-Studie finden Sie unter der Kategorie „Klinische Studien“ am Ende der Seite.

Die vollständige Auflistung der Publikationen finden Sie hier: Publikationen PD Dr. Michaela Kuhlen auf pubmed

 

Wichtige Publikationen der letzten Jahre:

Eur J Pediatr, 2021

 

The need for tumor surveillance of children and adolescents with cancer predisposition syndromes: a retrospective cohort study in a tertiary-care children's hospital.

 

Huber, S; Schimmel, M; Dunstheimer, D; Nemes, K; Richter, M; Streble, J; Vollert, K; Walden, U; Frühwald, MC; Kuhlen, M

 

Expert recommendations for the management of tumor surveillance in children with a variety of cancer predisposition syndromes (CPS) are available. We aimed (1) at identifying and characterizing children who are affected by a CPS and (2) at comparing current practice and consensus recommendations of the American Association for Cancer Research workshop in 2016. We performed a database search in the hospital information system of the University Children's Hospital for CPS in children, adolescents, and young adults and complemented this by review of electronic patients' charts. Between January 1, 2017, and December 3, 2019, 272 patients with 41 different CPS entities were identified in 20 departments (144 [52.9%] male, 128 [47.1%] female, median age 9.1 years, range, 0.4-27.8). Three (1.1%) patients died of non-malignancy-associated complications of the CPS; 49 (18.0%) patients were diagnosed with malignancy and received regular follow-up. For 209 (95.0%) of the remaining 220 patients, surveillance recommendations were available: 30/220 (13.6%) patients received CPS consultations according to existing consensus recommendations, 22/220 (10.0%) institutional surveillance approaches were not complying with recommendations, 84/220 (38.2%) patients were seen for other reasons, and 84/220 (38.2%) were not routinely cared for. Adherence to recommendations differed extensively among CPS entities.Conclusion: The spectrum of CPS patients at our tertiary-care children's hospital is manifold. For most patients, awareness of cancer risk has to be enhanced and current practice needs to be adapted to consensus recommendations. Offering specialized CPS consultations and establishing education programs for patients, relatives, and physicians may increase adherence to recommendations. What is Known: • A wide spectrum of rare syndromes manifesting in childhood is associated with an increased cancer risk. • For many of these syndromes, expert recommendations for management and tumor surveillance are available, although based on limited evidence. What is New: • Evaluating current practice, our data attest significant shortcomings in tumor surveillance of children and adolescents with CPS even in a tertiary-care children's hospital. • We clearly advocate a systematic and consistent integration of tumor surveillance into daily practice.
© 2021. The Author(s).

 

PMID: 34950979

Klinische Studien

Maligne rhabdoide Tumoren

 

Maligne rhabdoide Tumoren (MRT) sind seltene, hoch aggressive und häufig sehr schwer zu heilendeTumorerkrankungen. Sie betreffen bevorzugt Säuglinge und Kleinkinder unter drei Jahren und können bereits vorgeburtlich manifest werden. MRT können in annähernd allen anatomischen Lokalisationen auftreten. Am häufigsten betreffen sie das Zentralnervensystem (ZNS) (> 50% im Kleinhirn). Dort werden sie als ATRT (Atypischer Teratoider, Rhabdoider Tumor) bezeichnet. Andere häufige Lokalisation sind die Nieren (RTK – Rhabdoid Tumor of the Kidney) und die Weichgewebe (eMRT – Extrarenal Malignant Rhabdoid Tumor) u.a. zervikal, thorakal, hepatisch, mediastinal, retroperitoneal, kardial, im Beckenweichgewebe, skrotal, vaginal, an den Extremitäten, lumbosakral oder orbital.

 

 

Frühwald M.C. et al.
Deutsches Kinderkrebsregister

 

Bei annähernd 100% der rhabdoiden Tumoren finden sich genetische Alterationen (somatisch und/oder Keimbahn) der Gene SMARCB1 in der Chromosomenregion 22q.11.23 oder SMARCA4 (2-3%) in 19p.13.2. Gleichzeitig lassen sich bislang keine zusätzlichen rekurrierenden genetischen Mutationen in rhabdoiden Tumoren nachweisen. Rhabdoid-Tumoren gehören zu der Gruppe von Malignomen, bei der sich am häufigsten eine Keimbahnmutation nachweisen lässt. Beim Nachweis von Keimbahnmutationen in SMARCB1 spricht man von einem Rabdoid-Tumor-Dispositions-Syndrom 1 (RTPS1), bei SMARCA4-Keimbahn-Mutationen von RTPS2.

 

Das EU-RHAB Register: Weltweit anerkanntes Kompetenzzentrum

 

Das Europäische Rhabdoidregister wurde von Professor Frühwald im Auftrag der GPOH aufgebaut und national und international etabliert. Es ist seit 2010 am Universitätsklinikum in Augsburg ansässig. Seit 2005 registrieren wir im EU-RHAB Register umfassende, klinische und genetische Daten zu Kindern mit einem Rhabdoiden Tumor (inkl. RTPS) aus Europa und vielen anderen Ländern. Wir beraten Kliniker, Laborärzte und betroffene Familien sowohl persönlich als auch über Gutachten und empfehlen – im Rahmen einer klinischen, europaweiten Versorgungsstudie – ein einheitliches Therapieschema, welches wir spezifisch für Patienten mit MRT entwickelt haben. Seit 2005 konnten wir mehr als 450 Patienten mit MRT in EU-RHAB registrieren. Mehr als 350 davon wurden entsprechend den EU-RHAB Empfehlungen behandelt. Somit wurde im Kompetenzzentrum in Augsburg eine einzigartige klinische Expertise basierend auf einem umfassenden Datensatz generiert.

 

Kernstück des EU-RHAB Registers ist ein Netzwerk von Spezialisten aus Klinik, Diagnostik und Labor. Seit 2005 werden die biologischen Materialien aller rekrutierten Patienten (Erfassung in Deutschland annähernd 100%) in Referenzinstituten für Pathologie und Neuropathologie (Prtofessor Vokuhl, Bonn und Professor Hasselblatt, Münster), Humangenetik und (Molekulare)Zytogenetik (Professor Siebert, Ulm), molekulare Genetik (Professor Siebert, Ulm) sowie Liquoranalytik (Professor Frühwald, Augsburg) ausgewertet. Die klinischen Daten aller Betroffenen werden im Kompetenzzentrum in Augsburg (Professor Frühwald) erhoben, validiert und ausgewertet. Die Bilddatensätze werden Server-gestützt an Referenzinstituten in Augsburg (Professor Kröncke, extrakranielle RT, Dr. Bison, ATRT) befundet.

 

Das Kompetenzzentrum in Augsburg leistet einen herausragenden Versorgungsauftrag in der klinischen Beratung betreuender Kliniker. Es unterstützt in enger Koordination zwischen Arbeitsgruppen in Augsburg und Ulm auch in der humangenetischen Betreuung betroffener Familien im Rahmen von persönlichen Gesprächen aber auch Gutachten. Dies reicht von Fragen der Interpretation der klinischen Konsequenz von Mutationen über die Bestimmung der Wiederholungswahrscheinlichkeit bis zu Aspekten der Familienplanung.

Durch die Auswertungen umfassender, standardisierter Daten einheitlich therapierter Kinder und die weitreichende Referenzdiagnostik an biologischen Materialien konnten wir dazu beitragen, das Verständnis der grundlegenden molekularen Mechanismen entscheidend zu verbessern. Die Daten des Registers bilden die Grundlage für die Erarbeitung verbesserter Therapiestrategien.

 

EU-RHAB

Forschungsprojekte/Aktuelle Studie:

 

  • SIOPE ATRT01 : „An international prospective umbrella trial for children with atypical teratoid/rhabdoid tumours (ATRT) including A randomized phase III study evaluating the non-inferiority of three courses of high-dose chemotherapy (HDCT) compared to focal radiotherapy as consolidation therapy. Deutsche Kinderkrebsstiftung 
  • RTPS Projekt: „Familien mit Rhabdoid-Tumor-Dispositions-Syndromen (RTPS1 und 2) – Entwicklung eines klinischen und humangenetischen VersorgungskonzeptesRhabdoid Tumor Dispositions Syndrome“. Deuitsche Krebshilfe 70113981
  • Rezidivprojekt: „Mechanismen der Progression bei malignen Rhabdoidtumoren“. DFG 1516/4-1

Atypische Teratoide, Rhabdoide Tumoren (ATRT) sind seltene, hoch aggressive Tumoren des Zentralnervensystems, ZNS (Gehirn und Rückenmark), die v.a. sehr junge Kinder (Alter bei Diagnose meist 18-22 Monate) treffen. Das Europäische Rhabdoidregister (EU-RHAB) hat über Jahre hinweg  die Daten von über 450 Kindern erfasst und sowohl genetische als auch klinische Daten ausgewertet. Alle betroffenen Kinder wurden nach einem einheitlichen Therapieschema auf der Basis von Expertenmeinungen behandelt. Die Behandlungsempfehlungen des EU-RHAB Registers sind Grundlage für die im Folgenden skizzierte Therapie.

 

Einige klinisch bedeutsame Fragen konnten von den Registeranalysen in EU-RHAB nicht geklärt werden. Dies gilt u.a. für die Frage ob sich Spätschäden bei Kleinkindern infolge einer Strahlentherapie durch den Ersatz dieser durch eine Hoch-Dosis-Chemotherapie (HDCT) vermeiden lassen. Um einen entscheidenden Schritt in Richtung einer Therapieverbesserung zu tun, die Heilungsraten zu erhöhen und gleichzeitig die Nebenwirkungsraten so niedrig wie möglich zu halten, wurde ein „Umbrella- Konzept“ (Studie, die aus mehreren Teilen besteht und alle betroffenen Patienten erfasst) für Kinder mit ATRT in Europa entworfen: die SIOPE ATRT01 Studie mit den drei Teilen: Part A, Part B und Part C.

Integraler Bestandteil des Konzeptes ist eine randomisierte, klinische Studie nach §4 (23) AMG (Part A). Primäres Ziel dieser Studie ist es die Nicht-Unterlegenheit einer HDCT gegenüber einer Strahlentherapie für Patienten in einem Alter von 12-35 Monaten zu prüfen. Nach einer Behandlung mit drei Chemotherapiekursen erfolgt eine rein zufällige Zuordnung zu einem von zwei in der Wirksamkeit und im Nebenwirkungsprofil nicht sicher unterscheidbaren Armen. Um sicher zu gehen, dass die Patienten in den beiden Gruppen gleich verteilt sind, wird jeder Patient nach dem Zufallsprinzip einer der beiden Gruppen zugeordnet. Während im Arm HDCT eine Therapie mit drei Kursen einer HDCT erfolgt, erhalten Patienten im Arm RT eine Radio-Chemotherapie mit 12 Kursen Chemotherapie und parallel eine Strahlentherapie. Patienten außerhalb von Part A (z.B. < 12 oder >35 Monate) werden je nach Risikokonstellation entweder mit HDCT (Part B - HDCT) oder mit einer Radiotherapie und 12 Kursen einer konventionellen Chemotherapie (Part C - RT) behandelt. In Part B und C erfolgt ein Vergleich mit historischen Kontrollen (Patienten aus dem EU-RHAB Register und andere Daten aus der Literatur).

Des Weiteren werden neuropsychologische Untersuchungen durchgeführt, die mittels einer speziell zusammengestellten Testbatterie die Entwicklung der kognitiven Dimensionen (z.B. Gedächtnis, Konzentrationsfähigkeit) und die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen überprüft. Es soll dabei untersucht werden, ob Kinder, die in jungem Alter eine Strahlentherapie erhalten, nach 2, 5 und 10 Jahren in ihrer geistigen Entwicklung stärker beeinträchtigt sind als solche, die eine HDCT erhalten haben.

 

SIOPE ATRT01 ist die erste randomisierte, kontrollierte, klinische Studie für Kinder mit der Erstdiagnose ATRT im deutschsprachigen und europäischen Raum.

Alle von einem ATRT betroffenen Kinder und Jugendlichen sollen in die Studie SIOPE ATRT01 aufgenommen werden um möglichst viel über die Erkrankung und v.a. über die Therapie und ihre Nebenwirkungen zu lernen.

M.C. Frühwald

Familien mit Rhabdoid-Tumor-Dispositions-Syndromen (RTPS1 und 2) – Entwicklung eines klinischen und humangenetischen Versorgungskonzeptes

 

Maligne Rhabdoide Tumoren (MRT) sind sehr aggressive und oft unheilbare Tumorerkrankungen des frühen Kindes- insbesondere des Säuglingsalters. Pathognomisch ist eine vollständige, biallelische Inaktivierung der SWI/SNF-Gene SMARCB1 oder seltener SMARCA4 in den Tumorzellen. Tritt eine Mutation in einem dieser Gene bereits in der Keimbahn (KBM) auf, so liegt ein Rhabdoid-Tumor-Dispositions-Syndrom (RTPS) vor mit Neigung zu besonders früh auftretenden, häufig multifokalen und wiederkehrenden MRT mit extrem schlechten Heilungschancen. Das 5 Jahres-Gesamtüberleben von Patienten mit RTPS und MRT liegt derzeit bei unter 10%, die meisten Säuglinge mit RTPS erreichen nicht das Kleinkindalter.

 

Im Jahr 2005 wurde das Europäische Rhabdoidregister (EU-RHAB) von den Antragstellern aufgebaut. Aktuell enthält es umfassende Datensätze zu Genetik, Epidemiologie und Therapie von mehr als 450 Patienten mit MRT aus über 18 europäischen Ländern. In zwei Serien des EU-RHAB Registers [143 intrakranielle MRT (ATRT) und 100 MRT der Nieren und Weichgewebe, RTK und eMRT] lag bei 25-30% der Patienten ein RTPS vor. In beiden Kohorten waren Patienten mit einem RTPS jünger als solche mit sporadischen Tumoren, neigten zu synchronen oder metachronen Malignomen und wiesen extrem schlechte Heilungsraten trotz aggressiver Behandlungsversuche auf (5 Jahres-OS ATRT: 43.6 vs. 9% und RTK/eMRT 55.6 vs 6.3%).

 

RTPS beschreibt somit eine zwar kleine aber sehr gut definierte „Extrem-Population“ von sehr jungen an Krebs erkrankten Patienten mit nahezu infauster Prognose und deshalb besonderem „medical need“. Betroffene lassen sich aktuell klinisch nicht frühzeitig, d.h. vor Auftreten eines MRT, erkennen. Die Ursache der zumeist de novo Mutationen sowie die Bedeutung genetischer und epigenetischer Faktoren für die Penetranz der Erkrankung bzw. die ungünstige Progonse sind derzeit unklar. Die aktuellen Empfehlungen zur Tumor Vor- und Nachsorge beruhen auf unzureichender klinisch-wissenschaftlicher Evidenz. Mit dem beantragten Projekt sollen wesentliche Fortschritte in der Erkennung, Vorsorge, und Nachsorge und damit der Versorgung dieser Patienten erzielt werden.

 

Aufbauend auf den umfassenden Datensätzen des EU-RHAB Registers werden im Rahmen des beantragten Versorgungsforschungsprojektes Säuglinge und Kinder mit einem RTPS1 oder 2 sowie deren Familienangehörige sowohl klinisch als auch genetisch retrospektiv und prospektiv umfassend charakterisiert. Eigen- und fremdanamnestische Daten sowie Befunde aus vor Ort Untersuchungen, Fotodokumenten, klinischer Bildgebung, sowie objektivierbare Labordaten (u.a. zur Immunologie) werden in einem eCRF System erfasst. Diese dienen zur Beschreibung eines möglichst kompletten klinsichen Phänotyps.

Die genetischen Standardanalysen des EU-RHAB Registers werden durch zusätzliche Analysen von Keimbahn- und Tumorgewebsexomen aber auch - aufgrund der epigenetischen Subklassifikation von MRTs und der Funktion des SWI/SNF-Komplexes - Analysen des Epigenoms ergänzt. Wenn immer möglich soll dies in Form von Trio-Analysen (Vater, Mutter und Kind) erfolgen. Durch eine integrative Analytik der Genom- und Epigenomdaten mit den klinisch-phänoytypischen Daten sollen z.B. Muster zur Identifierung von Patienten mit RTPS oder Ursachen für die infause Prognose aufgedeckt werden. Diese Muster in den erhobenen klinischen genetischen und epigenetischen Daten sollen in zwei internationalen Kohorten validiert werden (Paris und Toronto).

 

Schlussendlich soll zum einen ein Vorhersageinstrument entwickelt (Risk Score) und eine evidenzbasierte Vor- bzw. Nachsorgeleitlinie erstellt werden. Während des Projektes werden betreuende Kliniker aber auch die Familien direkt von einem zu etablierenden RTPS-Board beraten. Das vorgeschlagene Projekt verspricht nachhaltige Erkenntnisse über die Bedeutung klinischer, genetischer und epigenetischer Veränderungen für die Betreuung von Familien mit Rhabdoid-Tumor-Dispositions-Syndrom. Somit bildet es die Basis für konkrete Vor- und Nachsorgeprogramme in der klinischen Versorgung.

Biologie und klinischer Verlauf Atypischer Teratoider/Rhabdoider Tumoren (AT/RT)

 

Maligne Rhabdoide Tumoren (MRT) sind aggressiv wachsende Neoplasien und treten gehäuft zwischen der Geburt und dem 5. Lebensjahr auf. MRT der Nieren werden RTK (Rhabdoid Tumors of the Kidney), die des zentralen Nervensystems AT/RT (Atypical Teratoid/Rhabdoid Tumors) und die des Weichteilgewebes eMRT (extrarenal Malignant Rhabdoid Tumors) genannt. MRT weisen in über 95% der Fälle eine biallelische Alteration als Resultat einer homozygoten Deletion oder einer trunkierenden non-sense Mutation des SMARCB1 (BAF47/INI1/hSNF5) Gens auf. Trotz der scheinbar homogenen Genetik kennen wir inzwischen drei verschiedene molekular definierte Subgruppen von AT/RT, die sich bzgl. ihrer Epigenetik und ihrer Transkriptionsregulation klar voneinander unterscheiden. Dabei handelt es sich um die ‚ATRT-MYC Gruppe‘, die eine markante Überexpression des Onkogens MYC zeigt, um die ‚ATRT-SHH Gruppe‘, die zahlreiche Gene des Sonic Hedgehog (SHH) Signalwegs überexprimiert, und um die ‚ATRT-TYR Gruppe‘ mit Expression melanosomaler Marker wie z.B. Tyrosinase.

 

Betroffene Patienten werden im Rahmen intensiver multimodaler Therapieansätze inklusive Chemo-, Bestrahlungstherapie und Operation behandelt. Die Etablierung von spezifischen Registern zur Behandlung von Patienten mit MRT konnte die Prognose dieser Patienten verbessern. Trotzdem erleiden immer noch ca. 50% aller Betroffenen im ersten Jahr nach Beendigung der intensiven Therapie einen Progress oder ein Rezidiv der Erkrankung. Zwar können einzelne dieser Patienten, durch lokale Therapien in Remission gebracht werden, insgesamt ist die Prognose aber extrem ungünstig: Nur ca. 3% der betroffenen Patienten mit einem Progress haben eine Überlebenschance und nur ca. 6% der Patienten mit Rezidiv leben ein Jahr nach Rezidivdiagnose. Eine Intensivierung der Therapie (z. B. durch Hochdosistherapie) scheint die Prognose nicht sicher zu verbessern, sondern erhöht nur die Rate an schwerwiegenden Nebenwirkungen. Klinisch kontrollierte, randomisierte Studien gibt es zu dieser Fragestellung bislang nicht. Neuartige Therapieansätze zur Behandlung von Rezidiven eines ATRT sind daher dringend erforderlich, um die Heilungsraten zu verbessern. Die Gründe dafür, dass dies bislang nicht gelungen ist, liegen auch im fehlenden Verständnis der Pathogenese solcher Rezidive. An diesem Punkt setzt unser hier zur Förderung vorgeschlagenes Forschungsprojekt an.

 

Aufbau eines europäischen Patientenregisters (EU-RHAB) und Zusammenstellung von Blut und Tumormaterialien für die geplanten Experimente

 

Unter der Leitung von Professor Frühwald wurde seit 2010 in Augsburg ein europäisches Pati-entenregister aufgebaut (‚European Rhabdoid Registry‘, EU-RHAB), welches zum einen Thera-piekonzepte für rhabdoide Tumoren koordiniert und Resultate dokumentiert, zum anderen den Zugriff auf Blut- und Tumorproben ermöglicht. Das EU-RHAB-Register übersieht inzwischen über 450 Patienten aus mehr als 18 Ländern. Aktuell liegen uns im Register mehr als 100 ATRTs Informationen zur molekularen Subgruppe vor (ATRT-MYC, -SHH oder -TYR). Zudem können wir auf Mutationsanalytikdaten von über 150 Tumoren zurückgreifen. In einer präliminären Analyse konnten wir belegen, dass sich ATRT in der Primärsituation klinisch in differenzierte prognostisch relevante Gruppen einteilen lassen. Kinder mit einer Keimbahnmutation waren in der Regel sehr jung, hatten häufig synchrone Tumoren, wiesen eine ATRT-SHH oder ATRT-TYR Signatur auf und hatten extrem schlechte Heilungsaussichten. Patienten mit einer ATRT-MYC Signatur wiederum hatten ebenfalls eine sehr schlechte Prognose, zeigten aber nie eine Keimbahnmutation, waren eher supratentoriell lokalisiert und im Median älter als die Kinder der Keimbahngruppe. Dagegen zeigten Kinder, die älter als 1 Jahr alt waren und Merkmale der Subgruppe ATRT-TYR zeigten die besten Heilungsaussichten.

 

Neben dem Aufbau dieser Datenbank haben wir begonnen, Material für die geplanten Analysen zu identifizieren und für unser Forschungsvorhaben bereit zu stellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jährlich zwischen 15 und 25 primäre ATRT an EU-RHAB gemeldet werden und dass in der Vergangenheit weniger als 10% der Patienten mit einem Rezidiv rebiopsiert oder re-reseziert wurden. Trotzdem konnten wir mehr als von 20 Patienten Tumorproben des Primärtumors und mindestens eines Rezidivs zusammentragen. Von bislang mehr als 15 Patienten liegt uns auch eine Blutprobe vor, und von bislang 5 Patienten haben wir neben dem Blut auch gefrorenes Material des Primärtumors und des Rezidivs. Dieses Material liegt in Hamburg zur Analyse vor. Angesichts zusätzlicher Patienten, von denen wir nach Recherche unserer Datenbank wissen, dass Tumormaterial in der Primär- und in der Rezidivsituation asserviert wurde, gehen wir davon aus, Material von insgesamt mind. 30 klinisch vollständig dokumentierten Patienten im Rahmen dieses Projektes untersuchen zu können. Darüber hinaus haben wir eine Zusammenarbeit mit dem Leiter der prospektiven INFORM Studie (Individualized Treatment For Relapsed Malignancies in Childhood), Professor S. Pfister  (DKFZ Heidelberg), vereinbart, der uns molekulare Analyseergebnisse rezidivierter Rhabdoidtumoren zur Verfügung stellen wird, um unsere Ergebnisse zu ergänzen.

GPOH-MET

Leitung:

Dr. Antje Redlich, Studienleiterin

PD Dr. Michaela Kuhlen, stellv. Studienleiterin, wiss. Leiterin

 

Die Studie Maligne Endokrine Tumoren im Kindes- und Jugendalter der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH-MET) wurde 1997 durch Prof. Dr. P. Bucsky, Lübeck, initiiert. Seit 2008 ist die Studie unter Leitung von Prof. Dr. P. Vorwerk an der Universitätskinderklinik Magdeburg ansässig. Im Februar 2021 wurde das Mandat für das GPOH-MET Register Frau Dr. A. Redlich (Magdeburg) und Frau PD Dr. M. Kuhlen (Augsburg) durch die GPOH übertragen.

Maligne Endokrine Tumore (MET) gehören zu den sehr seltenen Tumoren mit variablem Verlauf und unterschiedlicher Prognose. Im GPOH-MET Register werden Kinder und Jugendliche mit adrenokortikalen Tumoren (ACT)/Karzinomen (ACC), Phäochromozytomen/Paragangliomen (PPGL), differenzierten Schilddrüsenkarzinomen (DTC), medullären Schilddrüsenkarzinomen (MTC) und Neuroendokrinen Tumoren (NET) des Gastroenteropankreatischen Systems (GEP) systematisch erfasst. Jährlich werden 70-80 Kinder und Jugendliche aus Deutschland in das Register gemeldet.

 

Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit MET erfolgt interdisziplinär. Aufgrund der Seltenheit der Tumore besteht ein hoher Beratungsbedarf während der gesamten Diagnostik und Therapie, der für behandelnde Ärzt*innen und betroffene Familien sowohl persönlich als auch über Gutachten erfolgt. Für die Beratung steht ein Netzwerk aus Spezialisten aus Klinik, Diagnostik und Labor zur Verfügung. Seit 1997 konnten wir mehr als 1350 Patienten mit MET in GPOH-MET registrieren und somit eine einzigartige klinische Expertise basierend auf einem umfassenden klinischen und genetischen Datensatz generieren. Die Daten des Registers bilden die Grundlage für die Erarbeitung verbesserter Therapiestrategien.

 

Lokalisierte, komplett entfernte MET haben in der Regel eine gute Prognose. Hier müssen die Reduktion von Komplikationen und therapiebedingten Langzeitfolgen wichtige Ziele in der Weiterentwicklung von Behandlungs- und Nachsorgekonzepten sein. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die Etablierung eines „Referenzzentrum Nuklearmedizin“ zur Standardisierung der Radioiodtherapie und langfristig Erfassung und Reduktion von Spätfolgen.
Hochrisikopatienten (z.B. lokal fortgeschrittene und metastasierte ACC, MTC, PPGL) haben auch heute noch eine ungünstige Prognose. Für diese Patienten werden innovative Therapiekonzepte benötigt. Aufgrund der Seltenheit der Tumore und damit einhergehend der geringen Patientenzahlen sind klinischen Studien nur für ausgewählte Patienten und Fragestellungen im internationalen Kontext möglich. Übergeordnetes Ziel ist es, möglichst viele Patienten in klinische Studien (Phase I-III) einzuschließen, um damit einerseits betroffenen Patienten innovative Therapieansätze mit größtmöglicher Patientensicherheit anbieten zu können und andererseits den bestmöglichen Erkenntnisgewinn zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten und -standards zu erzielen.


Das GPOH-MET Register wird durch die Deutsche Kinderkrebsstiftung gefördert.


Publikationen

  • Redlich A, Pamporaki C, Lessel L, Frühwald MC, Vorwerk P, Kuhlen M. Pseudohypoxic pheochromocytomas and paragangliomas dominate in children. Pediatr Blood Cancer. 2021 Jul;68(7):e28981. doi: 10.1002/pbc.28981.
  • Kuhlen M, Frühwald MC, Dunstheimer DPA, Vorwerk P, Redlich A. Revisiting the genotype-phenotype correlation in children with medullary thyroid carcinoma: A report from the GPOH-MET registry. Pediatr Blood Cancer. 2020 Apr;67(4):e28171. doi: 10.1002/pbc.28171.
  • Redlich A, Luster M, Lorenz K, Lessel L, Rohrer TR, Schmid KW, Frühwald MC, Vorwerk P, Kuhlen M. Age, ATA risk group and response to therapy are prognostic factors in children with differentiated thyroid cancer. J Clin Endocrinol Metab. 2021 Aug 20:dgab622. doi: 10.1210/clinem/dgab622. Online ahead of print.

 

 

Care4TuDoS-Studie

 

In Deutschland erkranken jährlich 2.000-2.500 Kinder und Jugendliche und 450-500.000 Erwachsene an einer Krebserkrankung. Nach heutigem Wissensstand liegt bei ca. 10% der Kinder und Jugendlichen ein klassisches Tumor-Dispositions-Syndrom (TDS) zugrunde, unter Berücksichtigung neu identifizierter Gene und komplexerer Zusammenhänge sind bis zu 25% aller Patienten von einer genetischen Disposition betroffen.
Die Identifizierung betroffener Patienten erfolgt über die Beurteilung der Tumormerkmale und -genetik, der Familienanamnese über mindestens drei Generationen sowie der klinischen Charakterisierung des Patienten (v.a. bei Kindern und Jugendlichen). Aufgrund der immer komplexer werdenden genetischen Daten und Einflussfaktoren, des breiten Spektrums an TDS sowie deren großer klinischer Varianz stellen sowohl die Identifizierung entsprechender Risikopatienten als auch deren Versorgung auf dem jeweils aktuellsten Wissensstand eine immer größer werdende Herausforderung im klinischen Alltag dar.


In der Studie „Care 4 TuDoS“ werden in einem gemeinsamen interdisziplinären Versorgungs- und Forschungsprojekt der Klinik für Kinder- und Jugendliche und der II. Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Augsburg (UKA) krebskranke Patienten (Kinder, Jugendliche und Erwachsene) aller Fachrichtungen sowie deren Angehörige auf das Vorliegen eines TDS untersucht und Versorgungskonzepte für Betroffene entwickelt und in ihrer Effektivität evaluiert. Weitere Ziele sind die Etablierung und Weiterentwicklung von Diagnostikalgorithmen und Versorgungskonzepten für krebskranke Patienten mit einem TDS und die Untersuchung von Einflussfaktoren auf die klinische Ausprägung und Manifestation eines TDS.


Langfristige Ziele sind durch eine frühzeitige Diagnose betroffener Kinder, Jugendlicher und Erwachsener die Sekundärprävention durch Vermeidung akuter Nebenwirkungen und therapiebedingter Spätfolgen insbesondere von Zweitumoren sowie die frühzeitige Erkennung von Tumoren durch Vorsorgeprogramme und perspektivisch Präventionsmaßnahmen.
Langfristiges Ziel ist darüber hinaus die Entwicklung interdisziplinärer altersübergreifender und bedarfsorientierter Versorgungskonzepte sowohl für bereits an Krebs erkrankte Betroffene eines TDS als auch klinisch bisher nicht betroffene Träger der genetischen Veranlagung.

 

Die Care4TuDoS-Studie wird im Rahmen der Intramuralen Forschungs- und Nachwuchsförderung der Medizinischen Fakultät, Universität Augsburg gefördert.

 

Publikationen

 

 

 

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