Posthume Verleihung des Thomas A. Herz-Preises für qualitative Sozialforschung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie an unseren 2021 verstorbenen Augsburger Kollegen PD Dr. Saša Bosančić

Sasa Bosancic
© Universität Augsburg

 

Unser geschätzter und schmerzlich vermisster Kollege PD Dr. Saša Bosančić hat im Rahmen des 26. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 26.9.2022 in Bielefeld für seine innovativen Beiträge zur interpretativen Subjektivierungsforschung posthum den Tho­mas A. Herz-Preis erhalten. Seine Weiterentwicklungen in der Wissenssoziologie, Diskurs- und Subjektivierungsanalyse haben einen breiten Forschungsansatz (ISA – Interpretative Subjektivierungsanalyse) zur Analyse von Subjektpositionen, Subjektverhältnisse und Subjektivitäten hinterlassen.

Entfaltet wurde die Interpretative Subjektivierungsanalyse vor dem Hintergrund der in Augsburg entstandenen und 2014 veröffentlichten Dissertation zur „Subjektivierung ungelernter Arbeiter“. In dieser empirischen Untersuchung befasste sich PD Dr. Saša Bosančić damit, ob und wie ungelernte Arbeiter sich das vielfach diskutierte Konzept des ‚unternehmerischen Selbst‘ (U. Bröckling) zu eigen machen, und wie sie sich dazu verhalten. Der Begriff der „Subjektivierung“ entstammt dem Kontext der sozialwissenschaftlichen Diskursforschung, und hier insbesondere den Arbeiten von Michel Foucault sowie der in Augsburg entwickelten Wissenssoziologischen Diskursanalyse. Ausgangspunkt ist die diskursanalytischen Beobachtung, dass in öffentlichen, diskursiven Konflikten spezifische, historisch veränderliche Subjektmodelle, also Vorstellungen vom erforderlichen privaten und beruflich-professionellen, moralisch gebotenen usw. Handeln etabliert werden. Als öffentliche Appelle oder auch im Rahmen organisatorischer und institutioneller Strukturen konfrontieren sie die Individuen mit spezifischen Erwartungen bezüglich ihres Handelns. Die Subjektivierungsforschung fragt nun danach, was Individuen aus diesen öffentlichen ‚Anrufungen‘ für sich relevant machen, und wie dies geschieht. In seiner an der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät im Fach Soziologie eingereichten Habilitationsschrift mit dem Titel „Wissen, Selbst und Gesellschaft. Die Forschungsperspektive der Interpretativen Subjektivierungsanalyse“ erfolgte eine systematische theoretisch-methodologische Grundlegung dieses Ansatzes als Forschungsprogramm. Über seine wissenschaftliche Arbeit hinaus hat sich Saša Bosančić für kollaborative Projekte des ISA-Ansatzes engagiert, und u.a. seit 2018 das Netzwerk Subjektivierungsforschung mitgegründet und mit einem kritischen, scharfen und stets auf Integration bedachten Geist aufgebaut.

Der Preis wurde von Prof. Dr. Reiner Keller entgegengenommen, mit seiner Laudatio erinnerte er an das vielfache wissenschaftliche Engagement unseres Kollegen und seine besondere Forscherpersönlichkeit, die eine hohe Sensibilisierung für gesellschaftskritische Fragen zur sozialen Ungleichheit hatte. Er verband dies mit der Hoffnung, dass der besondere Geist von Saša Bosančić in der zukünftigen empirischen Subjektivierungsforschung fortwirken wird.

Der Preis wurde von Claudia und Trutz von Trotha gestiftet und ist mit 5.000 Euro dotiert. Mit ihm werden seit 2014 alle zwei Jahre jeweils zwei Preistäger:innen geehrt, deren soziologische Arbeiten einen innovativen Beitrag zur qualitativen Sozialforschung und zur empirisch fundierten Theoriebildung leisten. Das Preisgeld wurde an arbeiterkind.de gespendet.

 

Unter folgendem Link findet sich eine kurze Besprechung der Preisverleihung:

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