Hier erscheinen in lockerer Reihenfolge Ideen, Reflexionen, Denkanstöße, die die Chancengerechtigkeit von Frauen in der Wissenschaft betreffen. 

      

 

Juli 2023 - Gleichstellungsarbeit an der Uni Augsburg: Quo vadis?

 

 

Die Anregung für diesen Beitrag bildet eine empirische Untersuchung zur Gleichstellungspolitik im Kontext der neuen Governance an Universitäten: Birgit Erbe (2022): Gleichstellungspolitik im Kontext neuer Governance an Universitäten. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36917-0.

 

Birgit Erbe ging der Frage nach, worin die Chancen und Grenzen an Universitäten für Gleichstellungspolitik liegen und was sie für die Praxis der Gleichstellungsakteur*innen bedeuten. Es wurden vier Universitäten aus vier unterschiedlichen Bundesländern Deutschlands ausgewählt, die extern, also z.B. von der DFG eine sehr gute Bewertung ihrer hochschulinternen Gleichstellungspolitik erhalten hatten. Anhand von Organisationsfallstudien wird exemplarisch nachgezeichnet, unter welchen Bedingungen und in welchem Ausmaß ihnen ein gleichstellungspolitischer Wandel gelungen ist.

 

Gleichstellungsarbeit als Gestaltung einer Wissenschaftskultur

 

Unstrittig ist, dass die Möglichkeiten der Steuerung einer quantitativen Gleichstellung von Frauen an Universitäten begrenzt sind. Aber bei Gleichstellungspolitik geht es um mehr, nämlich um die Gestaltung einer Wissenschaftskultur. Birgit Erbe meint, dass eine emanzipative Hochschulgleichstellungspolitik immer noch mit vergeschlechtlichten Organisations- und Machtstrukturen konfrontiert ist.

 

Ab Mitte der 1990er Jahre vollzog sich eine Hochschul-Governance-Reform, die zuerst von der Deregulierung des Hochschulsystems und der Einführung neuer, dem New Public Management entlehnter Steuerungsinstrumente geprägt war und dann ab ca. 2005 durch den Wettbewerb zwischen den Hochschulen verschärft wurde. Auch wenn bereits ab 1998 Gleichstellung gesetzlich als Organisationsaufgabe der Hochschulen definiert wurde, nutzten eigentlich nur wenige Hochschulen die neu gewonnenen internen Steuerungsmöglichkeiten für gleichstellungspolitische Ziele. Bei der Universität Augsburg hätte man, wenn sie in die Studie von Erbe einbezogen worden wäre, feststellen können, dass bereits in dieser frühen Phase Gleichstellung als Organisationsziel verfolgt und Gender-Mainstreaming-Prozesse gefördert wurden.

 

Delegation als Hemmnis für Entwicklung

 

Zugleich mussten sich, Birgit Erbe zufolge, die Universitäten eingestehen, dass die Fachbereiche bzw. Fakultäten und mit ihnen die Hochschullehrenden als ‚Gatekeeper‘ universitärer Karrieren gleichstellungspolitisch nicht wirklich erreicht wurden. So viel anders war dies an der UniA nicht. Zwar wurde einem der Vizepräsidenten das Gleichstellungsressort zugeteilt, aber die eigentliche Gleichstellungsarbeit wurde weiterhin an die Frauenbeauftragten und das Büro für Chancengleichheit delegiert. Hier entwickelte sich dann eine gewisse Eigenständigkeit, was in Verwaltung und Universitätsleitung auch zunehmend Kritik auslöste. „Die Frauen machen eh was sie wollen“, hört man manchmal. In den letzten Jahren wurden Prozessabläufe an Standards angepasst und Kriterien für Entscheidungen eingeführt. Doch einmal gefasste Urteile haben eine gewisse Halbwertzeit.

 

Meines Erachtens liegt dies an einem weiterhin bestehenden, zirkulären, organisationsdynamischen Prozess: es wird delegiert und damit auch separiert, dann nutzt der Separierte seine Privilegien, und schließlich wird ihm angelastet, dass er das tut. Indem der Separierte negativ bewertet wird, wird die ursprüngliche Separation im Nachhinein bestätigt.

 

Vorgaben von außen: Anreize für Entwicklung?

 

Laut Birgit Erbes Forschung kam in der zweiten Phase Bewegung in die Hochschulgleichstellungspolitik, und zwar über den an Gleichstellung gekoppelten Wettbewerb um prestigeträchtige Forschungsmittel. Aufgrund der Angewiesenheit der Universitäten auf Drittmittel suchten nun auch jene Universitäten, die, anders als die UniA ‚Latecomer‘ waren, nach Lösungen für interne gleichstellungspolitische Steuerungsprobleme. Das führte dort zur breiteren Öffnung für Gleichstellungsfragen. An der UniA ist dies nur sehr begrenzt der Fall: Gleichstellungsmaßnahmen werden bisher nicht mit allgemeinen, zentralen Maßnahmen verbunden, und die Entscheidungsprozesse in der Kommission für Gleichstellungsfragen kommen kaum voran, weil letztlich auch nicht geklärt ist, wie mit dort gefassten Beschlüssen weiter umgegangen werden würde. Und noch ein Beispiel: Gerade erst kürzlich wurde mir vorgehalten, dass „die Frauen“ ja über etwa 3x so viel Geld verfügen wie andere Bereiche der Nachwuchsförderung und dass man deswegen nicht weiter über strukturelle Maßnahmen nachdenken müsse. (Reflektorisch dachte ich, dass man das Ministerium auffordern müsse, die Überweisung von Landesmitteln sofort zu stoppen, weil sie das Denken behindern. Das würde ich nun nicht tun, denn natürlich sind Stipendien für einzelne Nachwuchswissenschaftlerinnen immer noch hilfreich.)

 

Status quo: Phase I des organisationalen Lernprozesses

 

Die UniA war einmal Vorreiterin für Hochschulgleichstellungspolitik. Das ist schon eine Weile her, indes ist manches langjährig gängige Praxis: es wird Geschlechtergerechtigkeit bei Berufungsverfahren beachtet, sicher nicht immer perfekt, aber im allgemeinen doch sehr bemüht. Mit der Einrichtung eines nunmehr eigenständigen Familienservice wurde die Dienstleistung erhöht. Das Beratungs- und Beschwerdemanagement zu sexueller Belästigung und Diskriminierung ist nicht mehr mit dem Frauenbeauftragten-Amt gekoppelt. Es wurde ein Kulturwandel im Selbstverständnis der Frauenförderung eingeleitet, Qualitätskriterien wurden definiert, und in Bezug auf die Sichtbarkeit der Wissenschaftlerinnen an der UniA ist man kreativ geworden.

 

Doch eigentlich hätte es längst darum gehen müssen, das Prinzip der Delegation aufzugeben, d.h. Veränderungen an Strukturen vorzunehmen und neue Konstellationen der Zusammenarbeit zu suchen und zu etablieren. Bei den erfolgreichen Universitäten waren dies laut Birgit Erbe z.B. die stärkere Einbindung der Hochschullehrenden als beteiligte Akteur*innen. Doch sind es nicht immer noch die Frauenbeauftragten, denen es in Berufungskommissionen überlassen wird, den Kandidaten/die Kandidatin nach Gleichstellungsambitionen zu befragen?

 

Mögliche Neuausrichtungen der Gleichstellungsarbeit

 

Die Formierung einer Steuerungsgruppe bestehend aus Hochschulleitung, Hochschulmanagement, Gleichstellungsbeauftragten und Dekan*innen – an erfolgreichen Universitäten ein Erfolgsmodell – gibt es an der UniA nicht. Mehr als ein regelmäßiger ca. 10-Minuten-Bericht der Frauenbeauftragten im Concilium Decanale (7x pro Jahr) ist bisher nicht anberaumt. Ich würde daher anregen, an den etablierten Vorgehensweisen, Strukturen und Konstellationen etwas zu ändern, um in eine nächste Phase der Organisationsentwicklung einzutreten.

 

Doch einfach wird dies nicht sein. Denn, wie die Birgit Erbe bei ihren Fallanalysen beobachten konnte, brachen zwischen der ersten und der zweiten Phase des organisationalen Entwicklungsprozesses Konflikte auf: Konflikte um die Definitionsmacht über gleichstellungspolitische Ziele und ihre Reichweite, Konflikte über die Relevanz von Gender in Forschung und Lehre u.v.m..

Für die UniA ist genau diese Erkenntnis, nämlich dass Hürden beim Wechsel von der ersten zur zweiten Phase erwartbar sind, äußerst hilfreich. Denn mit ihr lässt sich besser einordnen, warum größere oder kleinere Kontroversen zwischen den Akteur*innen auftauchen. Und weiterhin auftauchen werden.

 

'reparation of messiness' als Motor für die Gleichstellungsarbeit

 

Gegensätzlichkeiten, Irritationen und Fehler kommen in Entwicklungsprozessen vor und sind wichtig! Für Toleranz möchte ich daher plädieren, Toleranz gegenüber Konflikten. In meinem Fach sagt man: reparation of messiness rather than synchrony might be a key change-inducing process.  Mit reparation of messiness könnte die UniA den Übergang in die nächste Entwicklungsphase gestalten und letztlich erfolgreich(er) beim Professorinnenprogramm oder bei der Exzellenzinitiative werden.

 

Darüber hinaus, und dies ist m.E. eine Kernaufgabe einer Universität, wird Raum für den wissenschaftlichen Nachwuchs geschaffen. Es ist ein Raum, in dem Dysbalancen nicht einfach hingenommen werden, in dem der für die Gesellschaft so wichtige Umgang mit Diversität gelebt wird, in dem neue Ideen zur Beantwortung der essenziellen, auch sozialen Fragen unserer Zeit reifen können.

 

Professorin Dr. Susanne Metzner, Beauftragte für die Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft und Kunst

 

 

FEBRUAR 2022 -   Hinterm Horizont geht’s weiter

Die Überzeugung, dass Frauen mit ihrer Berufung zu gleichgestellten Peers geworden sind und ihnen daher alle Möglichkeiten offenstehen, ist weit verbreitet. Formal stimmt das auch. Aber der Alltag sieht manchmal doch anders aus. Die Erzählungen von Professorinnen über problematische Kooperationserfahrungen im Rahmen von Gremien, Kommissionen und Forschungsteams sind jedenfalls vielfältig, wie eine aktuelle, vom BMBF geförderte Untersuchung von Wagner et al. zeigt. (https://academicaprojektde.files.wordpress.com/2021/12/handreichung-jenseits-der-glaesernen-decke.pdf)

 

Auch ich als Frauenbeauftragte höre immer wieder davon. Geht es einmal darum, zwar als Quotenfrau in eine Kommission gewählt worden zu sein, dann aber die Erfahrung machen zu müssen, dass die fachlichen Beiträge unterdrückt werden, wird ein anderes Mal eine hohe emotionale und soziale Kompetenz zugeschrieben und damit die Übernahme von vermittelnden, moderierenden oder fürsorgenden Aufgaben erwartet. Es kommt auch vor, dass eine Professorin von gleichgestellten Kollegen als Statusniedere adressiert und ungefragt in väterlicher Weise „beraten“ wird, oder sie muss feststellen, dass die männlichen Kollegen die thematische Ausrichtung eines eigentlich kooperativ geplanten Drittmittelantrags am Abend zuvor bereits vereinbart haben, so dass ihre Expertise entbehrlich ist. Kooperation und Konkurrenz liegen in der Forschung nahe beieinander. Ganz absurd wird es, wenn Frauen gegeneinander ausgespielt werden, indem der einen nachgesagt wird, sie sei frauenfeindlich, weil sie eine andere angeblich (!) nicht unterstützt habe. 

 

Alles an den Haaren herbeigezogen?

Nun, ich habe diese Erfahrungen selbst machen müssen und beileibe nicht nur am Anfang meiner Laufbahn. Ich habe, wie die meisten Frauen auch, nicht damit gerechnet. Das könnte man als Naivität auslegen. Aber eine über Jahrzehnte eingeübte, innere Weigerung, damit von vornherein zu rechnen, gibt es auch.   

 

Was ist zu tun? 

Der häufigste Rat, den ich gehört habe: alles bloß nicht persönlich nehmen. 

Der Zweithäufigste: weibliches Verhalten und Erscheinungsbild kontrollieren, um nicht zu eng mit meinem Geschlecht in Verbindung gebracht zu werden, was immer auch die Abwertung von Kompetenz bedeuten würde, weil Weiblichkeit eben oft noch immer nicht mit Professionalität gleichgesetzt wird. 

Der Dritthäufigste: selbst Netzwerke bilden, zum einen externe, um die eigene wissenschaftliche Sichtbarkeit zu erhöhen, zum andern universitätsinterne Frauennetzwerke.

 

Aus Gleichstellungsperspektive wären jedoch heterogene Netzwerke wünschenswert.

Nur wird ein zentraler Faktor im Netzwerk durch weibliche Personen, die in manchen Wissenschaftsbereichen ja immer noch vereinzelt sind, das Vertrauen nämlich, oft nicht gestärkt, sondern eher in Frage gestellt. Das gilt womöglich auch umgekehrt für den einzelnen Mann in einem Frauennetzwerk. Unter Gleichen kann man sich mehr darauf verlassen, dass jede*r die Spielregeln beherrscht. 

 

Wie in jeder Organisation stellen auch an einer Universität informelle Netzwerkstrukturen ein komplementäres Element zu den formalen Organisationsstrukturen dar. Ihnen kommt eine zentrale Bedeutung zu, denn sie sind in vielfacher Hinsicht mit wissenschaftlicher Produktivität verknüpft. Dies scheint zunächst im Widerspruch zu stehen zu dem, was eine Universität am meisten auszeichnet, also dem hohen Grad an Individualität, Originalität und Autonomie der Professor*innen. Das mag noch für den einzelnen Lehrstuhl gelten, aber schon längst nicht mehr für alle und erst recht nicht, wenn man an die größeren Forschungskooperationen denkt. Informalität ist besonders für Amtsinhaber*innen oder für Professor*innen, die ein Amt anstreben - dies gilt für alle Geschlechter -, eine essenzielle Ressource, um navigieren und Gestaltungsspielräume nutzen zu können. 

 

Doch wie reagieren Frauen typischerweise, wenn sie das gute Funktionieren informeller Netzwerke der männlichen Kollegen erkennen? 

Manchmal nehmen sie Kauf, instrumentalisiert zu werden, weil sie meinen, es sei nur vorübergehend und sie könnten mit ihrer Energie, Kompetenz und Überzeugungskraft diese abhängige Position in einen Vorteil verwandeln. Überwiegend aber reagieren sie mit Befremden, wie die o.g. Studie zeigt. Dies tritt in Form von Ablehnung auf, sich auf informelle Netzwerke einzulassen, meist legitimiert mit dem Engagement für das eigene Fach/die eigene Professur. Aber auch in Form von Erschrecken oder gar Abschätzigkeit über die „Hinterbühnen“. Auch quasi-ethnografische Analysen der Vorgänge fungieren als Distanzierung, die allerdings nicht unbemerkt bleibt und im Zirkelschluss wiederum den Zugang zum Netzwerk verunmöglicht. 

 

Der häufigste Fehler, den Frauen begehen, besteht darin, ein informelles Netzwerk aufdecken zu wollen. Ein Tabubruch, der mit dauerhafter Exklusion belegt wird, manchmal weit über das betreffende Netzwerk hinaus. Auch die Frauenbeauftragte, von der „man“ weiß oder zumindest ahnt, dass sie „weiß“, ist betroffen. Es wirkt so, als sei sie qua Amt aus den wirklich wichtigen informellen Kreisen von vornherein ausgeschlossen, ob nun auf Fakultäts- oder Universitätsebene. Man muss die letzten Sätze nur einmal mit einem männlichen Amtsinhaber denken und spürt sofort, warum dies so exotisch erscheint. Der Kollege würde ein echtes Risiko eingehen und bräuchte dazu viel Mut.

 

Informelle Netzwerke sind nicht per se schlecht.

Wenn wir es neutral betrachten, und nur so geht es, befinden wir uns in einem Transformationsprozess. Innerhalb dessen obliegt es allen Professor*innen, den eigenen Weg, das eigene Verhalten, die eigenen Einstellungen zu reflektieren. Selbstkritik mag hie und da unbequem sein, und niemand wird eine machtvolle Position in einem informellen Netzwerk aufgeben wollen. Schließlich ist sie nicht einfach so zugeflogen. Aber wollen wir an unserer Universität wirklich überwiegend getrennte Männer- und Frauennetzwerke? Erst wenn man Netzwerk- und Genderbewusstsein kombiniert, eröffnen sich doch die neuen Perspektiven, die größeren Handlungsspielräume. Es geht hinterm Horizont nämlich wirklich weiter!

 

Prof. Dr. Susanne Metzner, Frauenbeauftragte der Universität Augsburg

 

MÄRZ 2021 -   thinking visible

Im Zusammenhang mit Diskussionen um Chancengleichheit für Frauen in der Wissenschaft wird zuweilen die Forderung laut, dass es mehr Präsenz von erfolgreichen Wissenschaftlerinnen in den Medien brauche, um Geschlechter-Stereotypien aufzuweichen. Doch mehr Sichtbarkeit wie z.B. auf dieser Webseite birgt auch das Risiko, normative Identitätsvorgaben, die für Wissenschaftlerinnen gelten, zu reproduzieren. 

 

Was meine ich damit? 

Nun, indem wir die wissenschaftlichen Erfolge von Frauen oder ihre akademischen Spitzenpositionen besonders hervorheben, so stolz wir auch sind, etwa über die erste Präsidentin einer bayerischen Universität, werden indirekt auch die gegenteiligen Erwartungshaltungen kommuniziert. Oder die markant modernisierten Bilder von Wissenschaftlerinnen: Sicher, die Anlässe für die Präsentation beziehen sich ebenso wie bei männlichen Kollegen auf bedeutende wissenschaftliche Entdeckungen, die Verleihung von Preisen o.ä.. Aber die Wissenschaftlerinnen werden vielseitiger, origineller, schicker vielleicht auch jünger dargestellt, während sich die medialen Diskurse über Wissenschaftler in den letzten Jahren nur wenig gewandelt haben. Hier reicht es, wenn sich vermittelt, dass der wissenschaftliche Erfolg vor allem auf Intelligenz, harter Arbeit und Leidenschaft beruht. Dies wird den Frauen beileibe nicht abgesprochen, aber es muss/darf zusätzlich ein bisschen bunter zugehen. Und was wohl kaum je vorkommt, ist in einem Atemzug mit berühmten Vorgängern wie Newton oder Einstein genannt zu werden. (By the way: Wer kann schon aus dem Stehgreif mehr als vier, fünf berühmte Wissenschaftlerinnen der Vergangenheit nennen?) 

 

Worauf steuert die Entwicklung wohl zu? 

Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist rechtlich gesehen Fakt. Die Bemühungen der Universitäten um eine zahlenmäßige Ausgewogenheit von Professorinnen und Professoren  sind beachtlich. Aber wird ein zukünftiger Leibniz-Preisträger der UniA dereinst ganz selbstverständlich in einem Atemzug mit seiner berühmten Vorgängerin von der Informatik genannt? Wird ein Wissenschaftler, angeregt durch diese Webseiten, seine eigene mediale Performance flexibilisieren und wenn ja, wie? Und werden wir bei seinem Curriculum Vitae die Information erwarten, dass dieser Spitzenforscher seinen wissenschaftlichen Erfolg trotz mehrjähriger Elternzeit errungen hat? Wird die mediale Darstellung insgesamt diverser, und spiegelt dies dann die Realität? Wir dürfen gespannt sein. 

 

Mir scheint nur eines verhältnismäßig sicher: In 10 Jahren wird es keine Webseiten mehr geben, die sich schwerpunktmäßig der Visibilität von Wissenschaftlerinnen widmen. Und genau deshalb wird diese Webseite nicht umsonst gewesen sein. 

 

Prof. Dr. Susanne Metzner, Frauenbeauftragte der Universität Ausburg

 

 

CHANGEMANAGEMENT - Juni 2020

Zu Beginn meiner Amtszeit als Universitätsfrauenbeauftragte formulierte ich folgende Thesen, die den inhaltlichen Rahmen für einen Veränderungsprozess in der Gleichstellungsarbeit bildeten. Professorin Dr. Susanne Metzner

 

Die Universität Augsburg hat als Reformuniversität bereits vor 30 Jahren die Förderung aller weiblichen Hochschulmitglieder gegenüber dem Bayerischen Staat erklärt. Die/der Universitätsfrauenbeauftragte und ihre/seine Stellvertreterinnen unterstützen die Universitätsleitung bei der Konzeption und Umsetzung der Gleichstellung. In den folgenden acht Thesen werden Entwicklungslinien gezeichnet, die für die inhaltlichen Schwerpunktsetzungen, Strukturentwicklungen und Prozessgestaltungen in den kommenden zwei Jahren leitend sind.
 
These 1
Die Entwicklung emanzipatorischer und aktivistischer Frauenbewegungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fanden ihren Niederschlag einerseits in den Wissenschaften durch entsprechende Weiterentwicklung von Theorien zu gesellschaftlicher Ungleichheit und Diskriminierung, andererseits in juristischen und institutionellen Regelungen zur Verwirklichung von geschlechtsunabhängiger Chancengerechtigkeit. Dies hatte Folgen für die Organisationsstrukturen von Universitäten und operativen Maßnahmen zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft [1].
 
These 2
Ziele der Regelungen und Maßnahmen waren, die Leistungen von Frauen sichtbar zu machen, sie zu Akteur*innen werden zu lassen und ihre Repräsentation in wissenschaftlichen und institutionellen Zusammenhängen zu erwirken. Dies beruhte jedoch auf der Prämisse, dass Frauen in der Wissenschaft besonders förderungsbedürftig sind, was mit dem Nachteil behaftet ist, dass stereotype (Selbst-)Zuschreibungen an Weiblichkeit implizit fortgeschrieben werden. Gleichwohl ist der emanzipatorische Charakter der Regelungen und Maßnahmen unleugbar und war freilich die Voraussetzung für die darauf folgenden Schritte zur Verwirklichung von Chancengerechtigkeit.  
 
These 3
Auch wenn Chancengerechtigkeit rechtlich und institutionell prinzipiell abgesichert ist, so ist trotz der jahrzehntelangen Bemühungen - teils mit erheblichem finanziellem und personellem Aufwand - eine quantitative Ausgeglichenheit von Männern und Frauen bis dato noch nicht erreicht, und zwar insbesondere auf der Ebene der Führungspositionen. Als ursächlich wird ein multifaktorielles Bedingungsgefüge [2] angenommen, das - soweit möglich - faktenbasiert zu validieren ist, um jene Teil-Bereiche bestimmen zu können, auf die mit Maßnahmen der Organisationsentwicklung Einfluss genommen werden kann.
 
These 4
Frauen an Universitäten und in der Wissenschaft, besonders jene in den Führungs-positionen, definieren sich selbst heute nicht mehr generell als unterprivilegiert. Sie bestimmen ihre Ziele und bringen ihre Kompetenzen mit Selbstverständnis in die jeweiligen Aufgabenfelder ein. Sie legen Wert auf das Kriterium der Exzellenz bei Neuberufungen und unterstützen Nachwuchswissenschaftlerinnen darin, dies ebenfalls zu erreichen. Auf diese Weise tragen sie proaktiv dazu bei, dass aus einer Minorität längst eine signifikante Minorität geworden ist. Die Präsenz von Frauen in der Wissenschaft ist folglich nicht allein quantitativ sondern auch qualitativ zu bewerten.
 
These 5
Das Bemühen um Chancengerechtigkeit für Frauen in der Wissenschaft wird inzwischen von einer viel breiteren Diversity- und Antidiskriminierungsbewegung mit einer Vielzahl von Theorien, Diskursen und Aktivitäten eingeholt [3] . Die Konsequenz daraus ist, dass die nicht abgeschlossene quantitative Ausgeglichenheit von Frauen und Männern an der Universität Augsburg nun in einem veränderten Kontext zu sehen und einzuordnen ist, als dies noch zu Beginn der emanzipatorischen und aktivistischen Frauenbewegungen der Fall war.
 
These 6
Im Gleichstellungskonzept der Universität Augsburg sind das Leitbild von Gender & Diversity Equity/Equality sowie Formen der organisatorischen Umsetzung [4]  bereits verankert. In der derzeit anstehenden Organisationsentwicklungsphase besteht unter Berücksichtigung der zuvor formulierten Thesen die spezielle Funktion der Frauenbeauftragten darin, einen Transformationsprozess (mit) zu moderieren, der zwar weiterhin primär auf die Verwirklichung von Chancengerechtigkeit von Frauen und Männern zielt, jedoch bei den Kernstrategien eine Akzentverschiebung vornimmt, und zwar weg von einer ‚Problematisierung’ und dem bisher dominierenden Paradigma des Frauen-Förderns hin zu transdisziplinärer Vernetzung und Performanz.
 
These 7
Im Transformationsprozess spielen Anreizsysteme und Impulse zu bereichs- und hierarchieübergreifenden Selbststeuerungs- und Sinnstiftungsprozessen eine entscheidende Rolle. Die Initiierung von und das Vertrauen in Selbststeuerungsprozesse erfordern a) die enge Kooperation mit der Universitätsleitung, b) die Mandatierung der Frauenbeauftragten (bottom up und top down), c) klare und zugleich an den veränderten Kontext adaptierbare Rahmenbedingungen und d) eine Kultur des kommunikativen Feedbacks sowie des Konfliktmanagements.
 
These 8
Die Moderation des Transformationsprozesses zeichnet sich ganz wesentlich durch Prozessmerkmale aus, die mit den Wertesystemen und Zukunftsvisionen der Reform-Universität Augsburg kongruent sind. Aufgrund der Komplexität der Aufgaben agieren die Frauenbeauftragten zukünftig als Team und in unterschiedlichen Konstellationen mit weiteren Akteur*innen an der Universität. Sie
  • integrieren divergierende Positionen zur Geschlechtergerechtigkeit
  • fördern ein Selbstverständnis von exzellenten Wissenschaftlerinnen im Sinne einer qualitativen Signifikanz für die Universität durch professionell geführte PR Geltung und zwar nicht in einem abgegrenzten „Frauen-Bereich“ sondern im gesamten Erscheinungsbild der Universität,
  • etablieren das transdisziplinäre Forum für Diversität und Kommunikation (Arbeitstitel) als Zentrum der hochschulpolitischen Gleichstellungsarbeit,
  • gestalten Schnittstellen zum Diversity-Management sowie zum Campuskonzept als Arbeits-Lebens-Ort mit,
  • lassen Raum für Veränderungen im Büro für Chancengleichheit, so dass ein allmählicher Übergang von rein frauen-spezifischen Aktivitäten zu über-greifenden Aufgaben zur Chancengerechtigkeit vollzogen werden kann
  • bestimmen Meilensteine mit Indikatoren für (Zwischen-)Erfolge, die einem systematischen Monitoring unterzogen werden, so dass frauen-spezifische Maß-nahmen an der Universität Augsburg mittelfristig entfallen können und in der Gesamtstrategie einer diskriminierungsfreien Arbeits-, Studien- und For-schungskultur aufgehen.

____________________

 

[1] In Bezug auf die Chancen-Ungleichheit von Frauen und Männern wurde dies u.a. durch

  • die Schaffung des Amtes der Frauenbeauftragten mit Sitz in Universitätsgremien mit Entscheidungsbefugnis,
  • die Bildung von Organisationseinheiten zur Förderung von Chancengleichheit sowie
  • die Durchführung von Maßnahmen insbesondere zur Einwerbung von Professorinnen, Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen sowie Fort- und Weiterbildung umgesetzt.

[2] Die folgende Aufzählung ist nicht abschließend:

  • quantitativ: bislang geringer Frauenanteil in bestimmten Wissenschaftsfeldern
  • wissenschaftlich/ökonomisch: höhere Reputation von Wissenschaften, in denen traditionell bisher mehr Männer tätig waren und stärkere finanzielle Förderung der Forschungsaktivitäten erhalten; (teilweise) unattraktive Karrierewege und Arbeitsverhältnisse für Frauen in der Wissenschaft
  • gesellschaftlich: Macht als relational zu betrachtendes Phänomen, an dem beide Geschlechter beteiligt sind; Rollenzuschreibungen und Voreinstellungen bez. geschlechtstypischer Kompetenzen 
  • sozial: Überschneidung von Karriere- und Familienplanungszeiten; Konkurrenzdruck; lang gewachsene Netzwerke von Wissenschaftlern, in die Frauen selten(er) aufgenommen werden;
  • individuell: negative (Selbst-)Zuschreibungen bezüglich der eigenen Leistungs- und Durchsetzungsfähigkeit; Kompetenzscham

[3] Neben den weiterhin bestehenden feministischen Ansätzen sind hier Critical Race Theories, Disability Studies und intersektionale Ansätze zu nennen, aber auch Queer Theory, Postcolonial Studies, Anti-oppressive Practice und Empowerment Philosophy.

[4] Transdisziplinäres Forum für Gender und Diversität; Büro für Chancengleichheit; Runder Tisch Diversität; Arbeitstreffen Inklusion

 

 


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