Skulpturenpark in Augsburg: Wie kommt die Kunst auf den Campus?

Ein Beitrag von Professor i. R. für Politikwissenschaft Hans-Otto Mühleisen

Beim Gang durch den Skulpturenpark der Universität Augsburg wird man sich fragen: Von wem stammen die Kunstwerke und wer hat sie finanziert und für diesen Standort ausgewählt? Diese und weitere Fragen beantwortet Hans-Otto Mühleisen in seinem Beitrag und gibt Einblicke in den Skulpturenpark der Universität Augsburg.
 

Über die Finanzierung der Kunstwerke

Die zweite Frage ist formal leicht zu beantworten: Die Zerstörungen des II. Weltkrieges führten dazu, dass der deutsche Bundestag bereits 1950, in seiner ersten Legislaturperiode beschloss, dass bei allen Bauaufträgen des Bundes 1%der Baukosten für Kunstwerke zu reservieren sei. Die Förderung einer Ästhetik des Wiederaufbaus sollte wenigstens bei den öffentlichen Bauten an die kulturelle Tradition der Städte erinnern. Mit Modifizierungen, teilweise mit einer Erhöhung, übernahmen die Bundesländer diese Regelung. In Bayern sind 2% der Kosten des Bauwerks für Aufträge an bildende Künstler vorgesehen.

 

Wer bestimmt welches Kunstwerk auf den Campus kommt?

Die Entscheidung über die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler sowie letztlich auch über das Ergebnis eines Wettbewerbs lag in Bayern bis 2018 bei der dem Staatsministerium des Innern zugehörenden Obersten Baubehörde. Mit Beschluss der Bayerischen Staatsregie-rung vom 21. März 2018 wurde diese Aufgabe dem neu gegründeten Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr zugeordnet. Auch weiterhin kommt den an der Auswahl beteiligten Gremien und Ausschüssen, in die diejenigen einzubeziehen sind, die den Grundbesitz nutzen, ausschließlich beratende Funktion zu. Die Auswahl der zu einem Wettbewerb „Kunst am Bau“ eingeladenen Künstlerinnen und Künstler trifft das Ministerium, zum Teil treffen auch die für die Kunstauswahl eingerichteten Gremien die Entscheidung. In der Zusammenschau zeigt sich, dass dabei außer einem gewissen Bekanntheitsgrad häufig der regionale Bezug von Ausbildungs- oder Arbeitsstätte der Kandidatinnen und Kandidaten berücksichtigt wird.

 

Auswahl der Künstlerinnen und Künstler

So hat etwa die Hälfte der in Augsburg vertretenen Künstlerinnen und Künstler haben ihre Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste in München absolviert; bei den älteren ist dies die Mehrheit und von diesen haben wiederum viele bei Toni Stadler (* 1888 – † 1982) gelernt. Stadler lehrte von 1946 bis 1958 Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München, nachdem er am „Tag der Deutschen Kunst“ 1939 den Ehrentitel des Professors erhalten hatte und seit 1942  als ordentlicher Professor an der Städel-Schule in Frankfurt tätig gewesen war. Auch dass bis 1990 fast alle in Augsburg vertretenen Künstlerinnen und Künstler ebenfalls an anderen bayerischen Hochschulen mehrfach, teilweise bis zur Hälfte mit Werken vertreten sind, ist ein Hinweis auf Kriterien der Kandidatenauswahl. 

 

Eine solide Quelle für diese Zeit und damit für die frühen Werke auf dem Augsburger Campus ist die vom Bayerischen Staatsministerium des Innern – Oberste Baubehörde herausgegebene Dokumentation: Bildwerk – Bauwerk – Kunstwerk, 30 Jahre Kunst und staatliches Bauen in Bayern, München 1990. Es wäre wünschenswert, wenn eine solche Dokumentation auch für die darauf folgenden Jahrzehnte erstellt würde. Da bereits die Besetzung der Kommissionen mehrheitlich von der Behörde bestimmt wird, ist auch bei kontroversen Diskussionen, die sich in Abstimmungsverhältnissen widerspiegeln, eine Anschaffung von Kunstwerken im Dissens zum Ministerium ausgeschlossen.

 

Nach welchen Kriterien wird entschieden?

Das erste Kriterium, nach dem das Gutachtergremium entscheidet, ist die –  in der Kunst freilich schwierig objektivierbare – Qualität. Konkreter kann man die Interessen einerseits der Baubehörde, andererseits der Institution feststellen,  bei der das Kunstwerk seinen Platz bekommen soll. Aus Sicht der Baubehörden ist es, wie die Zahlen zeigen, sicher ein Anliegen von „Kunst am Bau“ die Förderung regionaler, auch noch nicht wirklich etablierter, auf dem Markt deshalb noch nicht besonders hoch gehandelter Kunst. Dies erleichtert den Ankauf und hat bisweilen auch eine soziale Komponente. Anders als für die ortsfremden Sachverständigen ist für die zur Universität gehörenden Kommissionsmitglieder dagegen eher der Gedanke bestimmend, dass sie zukünftig alltäglich mit den Kunstwerken konfrontiert sind und diese so zu Begleitern über den Campus werden, denen man sich nicht entziehen kann.

 

Wie wird über die Qualität der Werke entschieden?

Die Qualität der Kunst bekommt eine andere Farbe, je nachdem ob man sie, im strengen Sinn, als „Kunst am Bau“ versteht, oder ob diese in ein Architekturensemble integriert wird, das einer eigenen Form von Arbeit und Kommunikation dient. Wenn man sich auf den Weg über den Campus macht und ihn so insgesamt als eine wesentliche Kulturlandschaft erfährt, ahnt man wohl kaum, dass bei der Anschaffung hinter einigen Kunstwerken heftige Kontroversen gelegen haben. Die Synopse ergibt jedenfalls, dass die Prozesse von Auswahl und Entscheidungen insgesamt zu überzeugenden Ergebnissen geführt haben und der Augsburger Skulpturenpark ausgesprochene Kostbarkeiten bereithält. 

 

Einige der älteren Werke sind einer klassischen Moderne zuzurechnen, was sich nicht zuletzt an heutigen Marktpreisen für Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler ablesen lässt. Manchen von ihnen wurden mit der Zeit eigene Museen gewidmet, andere sind in großen Museen vertreten und/oder haben ihren Nachlass so geordnet, dass die Werke auch in Zukunft den Kunst-Interessierten zugänglich sind.

 

Veränderungen der Werke

Bei den späteren Werken wird sich zum Teil noch entscheiden, welcher Rang ihnen im Spektrum der Kunst auf Dauer zugesprochen wird. Zu dem Prozess „Kunst am Bau“ gehört auch Vergänglichkeit und Veränderung. Dies gilt in Augsburg in besonderer Weise für den „Novalis-Hain“ des renommierten Landart-Künstlers Nils-Udo. Nordöstlich der Teilbibliothek der Sozialwissenschaften befand sich bis zum Neubau des Zentrums für Kunst und Musik eine Landschaftsskulptur in Form einer ansteigenden betretbaren Grünanlage (Abb. 1). Die darin in unregel-mäßigen Abständen positionierten sieben Natursteinblöcke findet man heute verteilt über den Campus (Abb. 2). Vor dem oberen Abschluss aus Sträuchern war ursprünglich im Laufe des Jahres immer wieder ein blaues Meer verschiedener Blumen Bestandteil dieses Kunstobjekts (Abb. 3). Wie viele Land-Art-Künstler verband Nils-Udo hier Kunst und Natur zu einer Einheit. Die Vergänglichkeit der Natur wurde dann zum Zeichen, als der Novalis-Hain mit der Zustimmung des Künstlers dem neuen Kunstzentrum weichen musste. Andere Veränderungen im Zuge von Baumaßnahmen waren die Umsetzung  der Werke von Hans Jürgen Breuste und  Michael Croissant. Das Mahnmal gegen Krieg und Gewalt „Rasterversion Drogheda“, 1982, von Breuste wurde zunächst höchst repräsentativ vor der Mensa aufgestellt (Abb. 4). Doch als die Straßenbahn angelegt wurde, wurde es abgebaut und verschwand Jahrzehnte hinter einem  Bauzaun.

 

Abb.2: Basaltblock des früheren Novalis-Hains 3 / Modell Novalis-Hain, Die blaue Blume, 1998 auf dem Campus am Seeufer © Universität Augsburg
Hans-Jürgen Breuste: Rasterversion Drogheda (Cromwell 1649 - Thatcher 1982), 1982 © Universität Augsburg

Im Jahr 2004 erhielt das Werk einen neuen Standort, leider etwas versteckt zwischen den Bäumen vor dem Hörsaalzentrum Physik (Geb. T) und  dem Eingang zum Sportzentrum. Durch diese Veränderung des Standorts verliert  die Plastik deutlich an politischer Brisanz. Der „Kopf“, 1984, von Michael Croissant hingegen musste wegen der Anbringung von Fahnenmasten und Fahrradständern „umziehen“. Auch dieses Werk hat seinen repräsentativen Standort vor der Universitätsbibliothek verloren (Abb. 5). Insbesondere die erforderliche Untersicht, um das grazile Kinn und damit die Kopfform zu erkennen, fehlt am neuen Standort völlig. Dass die „Kunst am Bau“ auch ungewöhnliche Wege nehmen kann, zeigt die Kunst im Sportzentrum: Anfang der 1990er Jahre wird das Sportzentrum (Geb. V)  gebaut, jedoch fließen die hierfür vorgesehenen Mittel für Kunst am Bau dort in die außergewöhnlich gestaltete Kletterwand (Abb. 6).

 

Michael Croissant: Kopf, 1984 © Universität Augsburg
Abb.6. Kletterwand im Sportzentrum © Universität Augsburg

Kunst gibt es dennoch zu sehen: Archäologische Funde der Glockenbecherkultur, die beim Bau des Sportzentrums ausgegraben wurden, werden  in einer Vitrine präsentiert. Wie wichtig für die Wirkung eines Kunstwerks nicht nur die Proportionen, die Kompositionen und Materialien sind, sondern auch der dafür vorgesehene Ort ist, belegen die Modelle und Planungsskizzen der Künstlerinnen und Künstler. Ein entscheidender Zeitpunkt ist daher die Präsentation von Modellen derjenigen Künstler und Künstlerinnen, die in die engere Wahl kommen, weil damit eine Vorstellung der Beziehung des Objekts zu seinem Umfeld möglich wird. Wenn die öffentliche Hand Kunst fördert, wird in demokratischen Systemen daraus noch nicht Auftragskunst. Dennoch ändert sich etwas an der Freiheit der Kunst, wenn Kunstschaffende bei ihrer Arbeit deren notwendige Akzeptanz durch staatliche Institutionen im Blick haben. Dies verhinderte nicht, dass sich gerade bei den frühen Arbeiten auf dem Campus auch Künstler mit politisch engagierten Werken durchsetzten, die so zu einem Spiegel gesellschaftlicher Streitfragen wurden. Auch dass viele Arbeiten ganz unterschiedlich das Bild vom Menschen thematisieren – zerlegt, einsam, bedroht, zusammen und getrennt –, wird in der Zusammenschau zu einer Folie, auf der sich etwas vom Denken und Fühlen der ersten fünf Jahrzehnte der Universität Augsburg abbildet.

Der Autor

Professor i. R. für Politikwissenschaft Dr. phil., Dr. theol. h.c.

Hans-Otto Mühleisen

 

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