Zur Kunst am Campus: Bildhauerei im öffentlichen Raum

Beitrag von Prof. Dr. Constanze Kirchner

Was hat es mit der Kunst auf dem Campus auf sich? Was macht die Kunst so besonders? Prof. Dr. Constanze Kirchner gibt in Ihrem Beitrag einen Einblick in Spezifika der Kunst im öffentlichen Raum und erklärt, was das Besondere an der Bildhauerkunst ist.

Auf dem Gelände der Universität Augsburg sind zahlreiche Kunstwerke versammelt. Manche werden nur flüchtig wahrgenommen, andere führen zu der irritierten Frage: „Was soll das?“ Wenigen der insgesamt weit über hundert Kunstwerke innerhalb und außerhalb der Universitätsgebäude gelingt es, die Vorbeieilenden zum intensiven Betrachten zu bewegen. Zugegeben: Der Zugang zur zeitgenössischen Kunst ist oft schwer, da die Erwartungen an gegenständlich Erkennbares nicht immer erfüllt werden. Eindeutige Motive fehlen und abstrakte, kunstimmanente Probleme werden neben den gesellschaftlichen Aspekten thematisiert.

 

Dennoch verdienen die qualitätsvollen Werke ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie regen ebenso zum Nachdenken an wie zur Kontemplation – wenn man in einen Dialog mit ihnen tritt. Die meisten Werke weisen direkt oder indirekt einen konkreten Bezug zur Universität auf – ortsbezogen oder inhaltlich: Eingangsportale (Abb. 1 und 2), Innenhöfe (Abb. 3) oder Verkehrswege (Abb. 4) werden ebenso thematisiert wie Denkprozesse (Abb. 5), die Kommunikation und das rege Miteinander auf dem Campus (Abb. 6).

Die Werke auf dem Campus als Kunst im öffentlichen Raum

Die Werke auf dem Campus sind, wie nahezu jede Kunst im öffentlichen Raum, für einen bestimmten Standort in Bezug zu den örtlichen Gegebenheiten – wie die umgebende Architektur, den Landschaftsverlauf usw. – entwickelt worden. Sie markieren einen Platz im öffentlichen Raum und schaffen neue Raumverhältnisse, indem die gebaute Umgebung sowie die Landschaftsstruktur in Relation zum Kunstwerk gesehen werden.

 

Der Ort verändert sich durch die Präsenz der Kunst, und es kommt somit zu einer Neudefinition der räumlichen Gegebenheiten. Die Korrespondenz der Kunst mit ihrer Umgebung ist ein wesentliches Merkmal von Kunst im öffentlichen Raum. Weitere Besonderheiten sind u.a. die Größenverhältnisse im Außenbereich, Ansichten aus mehreren Perspektiven, die Materialität und die Gestaltung der Materialoberfläche. Beständiges Material, Materialveränderungen wie Verwitterungsprozesse und ihre räumliche Dimensionierung prägen die Werke. Der Aufforderungscharakter von Material und Oberfläche intendiert neben der körperlich-räumlichen und visuellen auch eine haptische Wahrnehmung.

Über die Rundgänge

Mit den fünf Rundgängen über den Campus wird die Quadratur des Kreises versucht: Einerseits sollen die unterschiedlichen künstlerischen Positionen hervorgehoben und in der Zusammenschau mit verschiedenen Werken präzisiert werden. Andererseits müssen die einzelnen Kunstwerke vor dem Hintergrund ihres Orts- und Umgebungsbezugs betrachtet werden, d.h. in der Chronologie der Baumaßnahmen.

 

Zudem sollen die beschriebenen Werke fußläufig nicht allzu weit auseinander liegen, überschaubar sein und das Pendeln zwischen den Werken ermöglichen. Die Konsequenz ist ein Kompromiss, der in die nachfolgend dargestellten fünf geografisch eingeteilten Rundgänge mündet und die künstlerischen Positionen weitgehend chronologisch fasst.

Zur Bildhauerkunst

Die Bildhauerkunst der Gegenwart versucht, handwerkliche Traditionen zu überwinden und Gattungsgrenzen hin zur Malerei und Architektur zu überschreiten. Konzeptuelle Arbeiten, die das gedankliche Spiel in der Rezeption intendieren, prägen die Bildhauerei der 1970er Jahre im öffentlichen Raum. Die Skulptur verliert ihren Kern, wird oft vielteilig, die Farbgebung wird einbezogen und raumgreifende architektonische Strukturen entwickeln sich, die die rezipierenden Personen integrieren.

 

Bevorzugtes Thema der Bildhauerkunst ist seit jeher der Mensch – in seiner klassischen Darstellungsform als Statue, entweder aufrecht-stehend als Einzelfigur, als Sitz- oder Liegefigur sowie als Büste auf Sockel oder Postament (Abb. 4, Abb. 7).

Mit dem Beginn der Moderne kommt ein weiteres Thema dominierend hinzu: Die Formensprache (Kantenverläufe, Proportionen, Oberflächenbehandlung usw.), das Material, die Entstehungsprozesse, der Raum etc. rücken in das Zentrum des Werks (Abb. 3, Abb. 5, Abb. 8, Abb. 9, Abb. 10). Amorphe, vegetabile Formen oder geometrische Formensprachen herrschen vor, Verwitterungsprozesse oder Spuren der Herstellung werden ebenso thematisiert wie Masse, Gewicht und die haptische Präsenz des Materials. Außen- und Innenform, Material und Raum erhalten eigenen ästhetischen Wert. Die Wahrnehmung soll sensibilisiert oder irritiert werden; wir sollen spezifische ästhetische Raum- oder Naturerfahrungen machen usw. Damit konzentriert sich die Kunst wieder auf den Menschen im Verhältnis zu seiner Umwelt bzw. zur Natur mitsamt allen gesellschaftlichen Funktionen (Abb. 6 und Abb. 10).

Inhaltliche Bezüge zum Campus

Jedes Werk entfaltet seine facettenreiche Wirkung erst im intensiven Betrachten und lässt sich nicht auf das Lösen formaler Probleme oder auf das Thema Mensch reduzieren. Gleichwohl können die beiden wesentlichen Themen der Bildhauerkunst Anlass sein, sich der Kunst auf dem Campus zu nähern: In jedem Werk lässt sich das Spiel mit Form und Material, mit Raum, Dynamik, Statik und Bewegung oder – zuweilen miteinander verzahnt – mit dem Thema Mensch im universitären Miteinander entdecken. Darüber hinaus ergibt sich aus der Zusammenschau der Werke auf dem Campus noch ein weiterer interessanter Blickwinkel: Mit der Chronologie der künstlerischen Objekte wird zugleich – zumindest in Ansätzen – ein Teil der zeitgenössischen Entwicklung von Bildhauerkunst gespiegelt.

 

Verfahrensweisen in der Bildhauerkunst

Das Spektrum der Werke bietet exemplarisch unterschiedliche Spielarten dreidimensionaler Gestaltung, wie sie seit Mitte des letzten Jahrhunderts in diesem Bereich vertreten sind. Im alltäglichen wie im wissenschaftlichen Sprachgebrauch werden die Bezeichnungen Plastik, Skulptur und Objekt häufig synonym für alle dreidimensionalen Gestaltungen verwendet, als Überbegriff gilt die Bildhauerkunst. Von ihrer ursprünglichen Bedeutung her unterscheiden sich Plastik (von griech. plassein, formen, bilden) und Skulptur (von lat. sculpere,schnitzen) allerdings erheblich nach der jeweils zugrunde liegenden Technik: Beim skulpturalen Arbeiten wird Material wie Stein oder Holz abgetragen. Zur Plastik zählen Gussformen (Bronze-, Eisen-, Stein-, Betonguss etc.) sowie zusammengefügte Elemente wie z. B. geschweißter Stahl, Aluminiumkonstruktionen usw. Jedoch sind Konstruktionen aus mehreren Segmenten streng genommen nicht mehr als Plastiken zu bezeichnen. Insbesondere wenn mehrere Materialien kombiniert werden, wird meist der Begriff des künstlerischen Objekts genutzt. Mehrteilige Arbeiten, deren Einzelelemente räumlich zueinander in Bezug stehen, werden auch Installation genannt.

Die Autorin

Lehrstuhlinhaberin
Kunstpädagogik

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