Pressemitteilung 189/15 - 20.11.2015

Überheblichkeit war ihm völlig fremd

Zum Tod von Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhold Werner (29. 3. 1947 - 11. 11. 2015)

Augsburg - Wenige Wochen nach seinem Eintritt in den Ruhestand ist am 11. November 2015 Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhold Werner im Alter von 68 Jahren verstorben. Bei der Trauerfeier am vergangenen Montag würdigte der Dekan der Philologisch-Historischen Fakultät, Prof. Dr. Gregor Weber, den Verstorbenen als einen Menschen und Wissenschaftler, "der uns mit seinem Vorbild fehlen wird". Prof. Dr. Dieter Götz hat als dessen langjähriger Kollege in der Leitung des Augsburger Sprachenzentrums Reinhold Werners Stationen und Leistungen als Sprachwissenschaftler, Hochschullehrer und Wissenschaftsorganisator in einem Nachruf nachgezeichnet, der sich unten an Passagen aus der Trauerrede von Dekan Weber anfügt.

25 Jahre lang war Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhold Werner Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Sprachwissenschaft (Romanistik) an der Universität Augsburg gewesen, am 1. Oktober 2015 hatte er - zum Einstand in seinen Ruhestand - die Vertretung seines eigenen, noch nicht wiederbesetzten Lehrstuhls im Wintersemester 2015/16 angetreten. "Mir gegenüber hatte er erst kürzlich die Bereitschaft erklärt, seine Tätigkeit, wenn wir es denn wünschten und es erforderlich sei, auch im kommenden Sommersemester fortzusetzen; diese Selbstverständlichkeit ist typisch für ihn gewesen", sagte Dekan Prof. Dr. Gregor Weber in seiner Trauerrede.

Weber würdigte seinen verstorbenen Fakultätskollegen als einen Wissenschaftler mit denkbar weitem Horizont, geprägt von der unbedingten Überzeugung, " dass Sprache an sich, deren Verstehen und Analyse, entscheidend für das Verstehen anderer Kulturen sei ­ vor allem versuchte Reinhold Werner, Verbindungslinien herzustellen zwischen den Sprachen und zwischen den Kulturen." Wissenschaft sei für ihn weit mehr gewesen als nur Schreibtischtätigkeit, nämlich "das Herstellen von Kontinente übergreifenden Kooperationen und der enge Kontakt mit den Menschen, ein echtes Interesse an ihnen." Wenn er von einer Sache überzeugt gewesen sei, habe er mit der ihm eigenen Beharrlichkeit und realistischen Einschätzung nicht geruht, bis eine Lösung gefunden war. "Und", so Weber weiter, "er war sich auch nicht zu schade, sich in die sogenannten Niederungen von Verwaltung und Abrechnung zu begeben ­ Überheblichkeit war ihm hier völlig fremd."

"Bei seiner sehr geraden Art", hob Weber in seiner Erinnerung an Reinhold Werner schließlich hervor, "wusste man immer, woran man war, und mit seinen klaren Argumenten konnte er mitunter auch ziemlich unbequem sein. Seine nüchterne Sachbezogenheit aber war gepaart mit einer großen Hilfs- und Gesprächsbereitschaft und mit einer Zugewandtheit und Großzügigkeit, die die Belange und Sorgen anderer deutlich wahrnahm. Für ihn besaßen Ämter in einer Weise, wie ich sie sonst kaum kenne, eine dienende Funktion ­ ein Dienst an den Menschen und an der Sache, ganz im Einklang mit einem tief verwurzelten christlichen Selbstverständnis, das sich nicht in Worten erschöpfte, sondern tatkräftig war. Gerade hier wird er uns mit seinem Vorbild fehlen! Machtspiele und die Ausnutzung des eigenen Vorteils waren seiner Person gänzlich fremd ­ mit ausbleibendem Engagement und großen Worten allein hatte man ihn nicht auf seiner Seite, im Gegenteil, hier nahm er genauestens auch feine Unterschiede wahr; sein Rat ist sicher nicht nur von mir geschätzt worden. Reinhold Werner wird uns als Wissenschaftler und als Mensch in guter Erinnerung bleiben; er fehlt uns jetzt schon.

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Reinhold Werner - ein Nachruf von Prof. Dr. Dieter Götz

Am 11. November 2015 ist Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhold Werner verstorben, im Alter von 68 Jahren. Er war seit 1991 Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Sprachwissenschaft (Romanistik) und einer der beiden Leiter des Sprachenzentrums. Zum 1.Oktober dieses Jahres wurde er in den Ruhestand versetzt. In den wenigen Wochen bis zu seinem Tod vertrat er seinen früheren Lehrstuhl.

Nach seinem Abitur in Passau (1967) begann Reinhold Werner 1969 mit dem Studium der Romanischen, Slawischen und Baltischen Philologie an der Universität München. Nach einem Studienjahr in Madrid wechselte er an die Universität Salzburg. 1975 wurde er dort mit einer Arbeit über die ältesten rumänischen Inschriften zum Dr. phil. promoviert. Anfang 1991 wurde er an der Universität Erlangen-Nürnberg mit einer Arbeit über die lateinamerikanisch-spanische Lexikographie habilitiert.

Ab Anfang 1973 war er an der Universität Augsburg als Mitarbeiter, später Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Angewandte Sprachwissenschaft (Romanistik) (Prof. Haensch) tätig. Er arbeitete mit am Aufbau der damaligen Philosophischen Fakultät - eine Art "Lehrzeit" für die nicht-wissenschaftlichen Belange im wissenschaftlichen Bereich. 1980 übernahm er die Vertretung einer C3-Professur für Romanische Sprachwissenschaft an der Universität Gießen. Von 1980 bis 1991 war er Geschäftsführer des Sprachenzentrums der Universität Erlangen-Nürnberg (ab 1983 als Akademischer Direktor), bis er danach an die Universität Augsburg berufen wurde.

Ein großer Teil seiner wissenschaftlichen Arbeit war der Lexikographie gewidmet. Er führte das von Günther Haensch begonnene DFG-Projekt "Wörterbuch des amerikanischen Spanisch³ fort und brachte Wörterbücher zum kolumbianischen, argentinischen, uruguayischen, kubanischen Spanisch sowie sprachenkontrastierende lateinamerikanische Wörterbücher heraus, jeweils als Mitherausgeber, Autor großer Teile und Projektleiter (Einzelheiten unter Reinhold Werner in ufsc.br). Diese praktischen lexikographischen Arbeiten vertiefte und erweiterte er in über 60 Aufsätzen zur lexikographischen Theorie und mit theoretischen Überlegungen zu einer Vielzahl von Einzelproblemen.

Für einen Lexikographen wie Reinhold Werner waren Wörter nicht nur Elemente in einer alphabetischen Liste. Seine Arbeiten befassen sich auch mit der Geschichte von Wörtern und Sprachen, mit der Einbettung von Wörtern in syntaktische Fügungen, mit den Konzepten, die sich in ihnen ausdrücken, mit dem kommunikativen Zweck, zu dem sie eingesetzt werden, und mit der Kultur und Ideologie der Sprache, zu der sie gehören. Er war Herausgeber und Mitherausgeber einer Reihe von wissenschaftlichen Zeitschriften und Mitglied verschiedener ausländischer Sprachakademien.

Die in einem weiten Sinn soziale Funktion von Sprache war für Reinhold Werner immer auch Anlass, sich für Institutionen einzusetzen, welche die Fähigkeit zur Verständigung der Menschen (und der Kulturen) untereinander fördern.

Mit seiner Berufung 1991 wurde Reinhold Werner auch zu einem der beiden Leiter des Sprachenzentrums der Universität Augsburg. Diese zentrale Einrichtung ist zuständig für die Ausbildung in den Studiengängen der Fakultäten. Sie hat derzeit 35 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und 50 Lehrbeauftragte. In den letzten Jahren haben sich, nicht zuletzt aufgrund der Modularisierung und der Internationalisierung, die Anforderungen wesentlich erhöht, und das Sprachenzentrum hat sich zu einer zunehmend komplexeren Institution weiterentwickelt.

Die Universität Augsburg hat seit längerer Zeit Schwerpunkte in Lehre und Forschung eingerichtet, die sich mit Russland, Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa befassen. Prof. Werner war seit 1999 in der Leitung des entsprechenden Forschungs- und Kooperationszentrums tätig, seit 2004 war er Leiter der daraus entstandenen Arbeitsstelle FORUMOST an der Philologisch-Historischen Fakultät. Die Staatliche Geisteswissenschaftliche Universität in Chabarowsk würdigte sein Wirken mit einem Ehrendoktorat.

Von 2003 bis 2012 war Prof. Werner Vorsitzender des Vorstandes des Bukowina-Instituts. In dieser Zeit förderte er sowohl die Angliederung des Instituts an die Universität als auch dessen wissenschaftliche Entwicklung.

Von 1995 bis 2012 war Prof. Werner zudem Geschäftsführender Direktor des Instituts für Spanien-, Portugal- und Lateinamerikastudien (ISLA) der Universität Augsburg. Diese interdisziplinäre wissenschaftliche Einrichtung der Universität Augsburg ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Lateinamerika-Forschung und unterhält Beziehungen zu akademischen und offiziellen Stellen der entsprechenden Länder, z.B. dem Instituto Cervantes.

2002 bis 2004 war er Dekan der Philologisch-Historischen Fakultät, in seiner gesamten Zeit an der Universität Augsburg auch Mitglied in Fakultäts- und Senatskommissionen.

Reinhold Werner hat alles, was seiner Meinung nach zu tun war - in Lehre Forschung, Verwaltung und Führung - mit bewundernswerter Energie, höchstem Einsatz, starkem Willen und großer Effizienz geleistet. Er war überzeugt davon, dass Wissenschaft und wissenschaftsbezogenes Arbeiten gelenkt sein müssen von sozialer Verantwortung, und davon, dass die eigenen Fähigkeiten eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft bedeuten. Reinhold Werner fühlte sich dabei nicht nur gegenüber der Fakultät und den Kolleginnen und Kollegen sowie seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verpflichtet, sondern insbesondere auch gegenüber den Studierenden. Bei seinen Studierenden war er wegen seiner großen fachlichen Kompetenz, seines breiten Wissens und seiner menschlichen Qualitäten sehr geachtet. In den Kursen beeindruckte er die Studierenden nicht nur durch sein enzyklopädisches Wissen, sondern auch, weil ihm stets daran gelegen war, auf die Bedürfnisse der Studierenden einzugehen.

Die Kolleginnen und Kollegen, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und die Studierenden haben einen sehr geschätzten Ansprechpartner und Ratgeber verloren.

Dieter Götz

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