Pressemitteilung 41 - 22.06.2020

Umwelt und Pandemien: Interview

Dr. Martinus Fesq-Martin sprach im Interview über die Folgen des zerstörischen Eingriff des Menschen in die Natur und den damit verbundenen Zusammenhang mit den Pandemien.

Augsburg/FL/CH – Dr. Martinus Fesq-Martin ist Lehrbeauftragter für Geobotanik am Institut für Geographie der Universität Augsburg. Schon 2015 hat der Biologe in der Fachzeitschrift „Nationalpark“ vor der Ausbreitung von Pandemien gewarnt: Jeder zerstörerische Eingriff des Menschen in die Natur räche sich irgendwann an ihm selbst.

 

Herr Dr. Fesq-Martin, Sie haben bereits vor fünf Jahren in einem Zeitschriftenbeitrag davor gewarnt, dass mit der Vernichtung der Biodiversität das Risiko weltweiter Pandemien steigt. Wie kam es dazu?

Zunächst einmal muss ich betonen, dass diese Idee nicht von mir stammt. Der US-amerikanische Wissenschaftsjournalist David Quammen hat ja schon 2012 mehr oder weniger vorhergesagt, was aktuell tatsächlich abläuft: dass Viren von Wildtieren auf den Menschen überspringen und eine globale Pandemie auslösen. Aus meiner ökologischen Perspektive heraus schien mir das plausibel. Dennoch findet dieser Gedanke bis heute hierzulande noch wenig Widerhall; daher auch mein Artikel.

 

Dass Viren sich neue Opfer suchen, ist allerdings ein ganz natürlicher Vorgang, den es schon seit Millionen von Jahren gibt.

Das schon. Er bekommt aber durch die Umweltzerstörung eine ganz neue Dynamik. Das liegt einerseits daran, dass wir in immer neue Lebensräume eindringen. So steigt beispielsweise durch Rodungen der Regenwälder und die Umwandlung in Agrarflächen die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen in Kontakt zu Wildtieren und deren Krankheitserregern kommen. Parasiten, Bakterien und Viren haben dadurch ihrerseits die Chance, sich neues Territorium zu erobern. Bildlich gesprochen, wird dem etablierten ökologischen Netz ein neuer Knoten hinzugefügt – der Mensch.

Dazu kommt noch ein weiterer Effekt, nämlich die zunehmende Fragmentierung der Ökosysteme. Wenn zum Beispiel große Waldflächen zerstört werden, so dass von ihnen nur noch kleine Inseln bleiben, dann bilden sich dadurch isolierte Tierpopulationen, die kaum noch in Austausch miteinander stehen. In getrennten Populationen verläuft aber auch die Evolution der Krankheitserreger getrennt.

 

Es entstehen also vermehrt unterschiedliche Erreger?

Richtig. Und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Virus entwickelt, das auch für den Menschen eine Gefahr darstellt – ganz so, wie es beim Corona-Virus der Fall war. Ähnliches gilt auch für andere Erreger. Studien zeigen zum Beispiel, dass Zecken, die in großen zusammenhängenden Waldgebieten leben, seltener Borrelien in sich tragen – das sind Bakterien, die die Borreliose auslösen.

 

Bei Malaria verfolgt man unter anderem die Strategie, die Überträger-Mücken auszurotten. Ist das eine gute Idee?

Das hat man ja beispielsweise in Norditalien gemacht, wo man die Gewässer mit DDT behandelt hat. Folge solcher Eingriffe ist stets eine Verarmung der Ökosysteme, von der dann wieder andere Arten profitieren können – oft mit negativen Konsequenzen. Wenn etwa aus irgendwelchen Gründen die Eulen seltener werden, können sich Mäuse und Ratten stärker vermehren. Und Nagetiere gelten mit den Fledermäusen als eines der Hauptreservoirs für zoonotische Viren – also solche, die möglicherweise auch auf den Menschen übergehen können.

Weniger Artenvielfalt bedeutet zudem auch, dass es Erregern leichter wird, sich in Ökosystemen durchzusetzen. Parasiten, Bakterien oder auch Viren sind ja Spezialisten, die meist nur wenige Arten befallen können. Wenn mehr Tiere derselben Spezies in größeren Dichten vorhanden sind, begünstigt das die Ausbreitung der Erreger.

 

Welche Maßnahmen können wir ergreifen, um das Risiko zukünftiger Pandemien zu verringern?

Ein wichtiger Punkt wäre es, die Übertragungsmöglichkeiten vom Tier auf den Menschen drastisch zu reduzieren. Zum Beispiel, indem man in Asien die Tiermärkte verbietet, die so genannten „wet markets“, oder vermehrt über die Gefahren aufklärt, die der Verzehr von "Bushmeat" – also etwa Affen oder Fledermäusen – mit sich bringt. Zudem müssen wir weg von der zunehmenden Fragmentierung der Ökosysteme.

Wichtig ist insgesamt etwas mehr Demut: Wir sind Teil eines unüberschaubaren Beziehungsgefüges zwischen Tieren, Pflanzen, Pilzen und Bakterien. Und damit haben unsere Handlungen oft Konsequenzen, die wir einfach nicht absehen können. Auch das Corona-Virus hatte unsere Gesellschaft nicht auf dem Schirm.

 

Sollten wir uns stärker bewusst machen, dass Umweltschutz auch uns Menschen schützt?

Ja. Wir müssen die Natur in ihrer Vielfalt erhalten. Wir können das ökozentrisch begründen, indem wir sagen, dass jede Art einen Wert an sich darstellt. Wir können aber auch anthropozentrisch argumentieren: Wenn wir die Ökosysteme mitsamt ihrer Biodiversität bewahren, dann kommt das direkt auch uns Menschen als Teil der Biosphäre zugute.

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