Pressemitteilung 82/22 - 05.10.2022

Projekt erschließt einzigartige Sammlung zur Pressegeschichte

An der Universität Augsburg soll der eingelagerte Fundus des Deutschen Zeitungsmuseums für eine weitere Nutzung vorbereitet werden

Ein Projekt an der Universität Augsburg soll einen Schatz heben, der nicht nur hierzulande seinesgleichen sucht: Der Pressehistoriker Dr. Martin Welke hat in den vergangenen 50 Jahren Tausende von Exponaten zur deutschen und europäischen Zeitungsgeschichte gesammelt. Dank einer Kooperation der Universität mit der vom Ehepaar Dr. Sabine und Dr. Martin Welke gegründeten Stiftung Deutsches Zeitungsmuseum werden diese nun in den nächsten drei Jahren wissenschaftlich bearbeitet. Mittelfristig könnte an der Universität Augsburg damit ein Zentrum für historische Presseforschung mit deutschlandweiter Strahlkraft entstehen. Das Projekt wird vom Freistaat Bayern finanziell gefördert und von der Stadt Augsburg unterstützt.

Illustration: Die Karikatur "Die 'gute' Presse" (Abbildung: Unbekannter Zeichner, Public domain, via Wikimedia Commons)

 

Die Sammlung deckt einen Zeitraum von rund 500 Jahren ab – von den Anfängen erster periodischer Zeitungsdrucke bis in die Gegenwart. Ein Großteil der Objekte wurde vor einigen Jahren in Augsburg eingelagert. Dank der Förderung in Höhe von 350.000 Euro kann dieser Schatz nun seiner kulturhistorischen Bedeutung gebührend beleuchtet und für eine zukünftige Nutzung vorbereitet werden. „Das Sammlungsgut soll in den nächsten drei Jahren gezielt aufgearbeitet und in zukunftsfähige Kontexte für Forschung, Lehre und museale Konzepte gestellt werden“, erklärt Prof. Dr. Daniel Bellingradt.

Der Historiker und Buchwissenschaftler bekleidet eine Gastprofessur am Institut für Europäische Kulturgeschichte (IEK) der Universität Augsburg. Sie wurde speziell für das Projekt eingerichtet. „Wir werden uns in den kommenden Monaten einen Überblick über die Sammlung und deren Zukunftspotenziale verschaffen“, sagt er. „Besonders herausragende Themen und Objekte werden wir dann tiefgehender untersuchen. Dazu planen wir, auch Drittmittel für weiterführende Forschungsprojekte einzuwerben.“ Das Vorhaben „knüpft damit an eine lange Reihe ergiebiger Forschungen zur Medien- und Wissensgeschichte an, die am Institut für Europäische Kulturgeschichte seit seiner Gründung betrieben wurden und werden“, wie Prof. Dr. Lothar Schilling, der Geschäftsführende Direktor des IEK, betont.

Zusätzlich sollen wichtige Dokumente und Objekte digitalisiert und so der Forschung besser erschlossen werden. Zudem möchte Bellingradt ausloten, wie sich Teile der Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machen lassen. „Denkbar sind beispielsweise Ausstellungen zu bestimmten thematischen Schwerpunkten, etwa zu den Dynamiken, Hintergründen und Medieneffekten von Fake News: Inwieweit gab es das früher schon, wer hat sie wie in die Welt gesetzt, welche Folgen haben und hatten solche Medienmanipulationen.“ Dabei plant er auch, mit digitalen Ausstellungsformaten zu experimentieren. Die Sammlung biete gerade den Vorteil, eine Langzeitperspektive auf Phänomene zu ermöglichen, mit denen wir uns auch heute konfrontiert sähen, meint Bellingradt. An der Universität selbst will er ausgewählte Exponate daher auch für die Lehrerausbildung im Fach Geschichte nutzen.  „Am konkreten Material lassen sich Themen wie Medienmacht oder Zensurmaßnahmen ebenso erfahren wie technische Faktoren, die bei der Herstellung von Zeitungen eine Rolle gespielt haben“, sagt er. „Die Stücke machen Kommunikationsgeschichte sinnlich erlebbar.“

„Das neue Projekt zeigt, dass historische Forschung und Archivarbeit einen wichtigen Beitrag für das Verständnis heutiger gesellschaftlicher Entwicklungen haben“, meint die Präsidentin der Universität Augsburg, Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel. Der Fundus des Deutschen Zeitungsmuseums biete dafür vielfältige Ansatzpunkte.

Schon jetzt ist klar, dass unter den Objekten auch eine Reihe von Unikaten sind, die in der Forschung auf besonderes Interesse stoßen dürften. Dazu zählen beispielsweise Abonnentenlisten der ersten gedruckten periodischen Zeitungen aus dem 17. Jahrhundert. „Meines Wissens gibt es das sonst nirgendwo“, betont Bellingradt. In der Sammlung, die als eine der größten ihrer Art in Europa gilt, dürften noch weitere solcher für die Mediengeschichte relevanten Perlen schlummern. Der Wissenschaftler betont dabei das Potenzial dieses Projekts, das er als ersten Schritt auf dem Weg zu einer institutionalisierten universitären Forschungsstelle „Historische Presseforschung“ sieht. „Die Universität Augsburg hätte damit im deutschsprachigen Europa, also in Deutschland, Österreich und der Schweiz, ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt er.

Dass sowohl die wissenschaftliche Erforschung als auch die Planungen zur Nutzung und Präsentation des eingelagerten Museumsguts in Augsburg erfolgen, passt zur Bedeutung, die die Stadt über Jahrhunderte innerhalb des europäischen und nationalen Nachrichtenwesens gehabt hat. Bereits im frühen 16. Jahrhundert war Augsburg dank der ausgedehnten Handelsnetzwerke der Fugger eines der wichtigsten Nachrichtenzentren Europas, in denen zunächst handschriftliche Zeitungen und später gedruckte Nachrichten zirkulierten. Nicht nur Bellingradt würde es begrüßen, wenn diese Tradition durch ein wissenschaftliches Kapitel eine Fortsetzung fände.

Wissenschaftliche Ansprechperson

Gastprofessor
Institut für Europäische Kulturgeschichte

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