Privatrecht und Privatunrecht
Nachdem der Referent zunächst die These widerlegte, dass die Zivilrechtsjustiz im NS-Unrechtssystem „standhaft“ geblieben sei, legte er dar, dass der Schwerpunkt des Privatunrechts nicht auf der Gesetzgebung, sondern auf der Rechtsanwendung durch die Justiz gelegen habe. Mithilfe von Generalklauseln und anderen offenen Rechtsbegriffen sowie einer völlig entstellten Zivilrechtsdogmatik und Methodenlehre sei das Zivilrecht auf die Linie nationalsozialistischer Ideologie und Politik gebracht worden. Dieses „Umdenken der Rechtsbegriffe“ (Carl Schmitt) habe zu schlicht „unkorrekter“ Rechtsanwendung und vielfach grob ungerechten gerichtlichen Entscheidungen geführt. Rückert schloss seinen Vortrag mit dem Aufruf an die zuhörenden (Nachwuchs-)Jurist:innen: „Gehorchen Sie dem Gesetz gewissenhaft und loyal und vergessen Sie nicht das Kritische zu kritisieren.“ Die sich anschließende intensive Diskussion mit den über 80 Teilnehmenden im Hörsaal und zugeschaltet via Zoom bestehend aus Teilnehmenden am Seminar „(Un-)Recht in Unrechtssystemen“, Lehrenden, Studierenden und Mitgliedern der Juristischen Gesellschaft behandelte unter anderem die sog. Positivismuslegende. Ferner wurde die vielfach ungenügende Behandlung der juristischen Methodenlehre im heutigen Studium des Rechts thematisiert.