Bericht zum Werkstattgespräch mit Prof. Kaspar

Am 17. Januar 2024 referierte Prof. Dr. Johannes Kaspar in der Reihe „Die Klimakrise und das Recht“ zum Thema „Volles Verständnis oder volle Härte – zur strafrechtlichen Sanktionierung von Klima-AktivistInnen“. Sitzblockaden beschäftigen das Strafrecht schon seit mehreren Jahrzehnten. Trotz gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung und drei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, stellen die Sitzblockaden der Letzten Generation das Strafrecht erneut auf die Probe.

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Vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 II GG überzeuge die gefestigte und von einigen schon als selbstverständlich angesehene Zweite-Reihe-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Gewaltbegriff nicht. Der Fahrer eines im Stau stehenden Autos – so der Referent – unterliege nämlich keinem physischen Zwang im Sinne eines „unüberwindbaren Hindernisses“. Ihm als Person stehe es frei, das Auto zu verlassen. Auto und Fahrer dürften, wenn man das Kriterium der „körperlichen“ Zwangswirkung ernst nehme, nicht einfach als Einheit betrachten. Dass die „zweite Reihe“ daran gehindert sei, weiter geradeaus zu fahren, sei eine Beeinträchtigung der Willenentschließungsfreiheit – das sei aber der Nötigungserfolg, der nach den Grundsätzen des „Verschleifungsverbotes“ des BVerfG nicht mit der Gewalt gleichgesetzt werden könne.

Ferner erweist sich die Verwerflichkeitsprüfung des § 240 II StGB als herausfordernd. Gleiche Sachverhalte würden von verschiedenen Gerichten uneinheitlich beurteilt werden. Es bestehe erhebliche Unsicherheit, in welchem Umfang Fernziele und die Wahrnehmung von Grundrechten bei der Verwerflichkeitsprüfung eine Rolle spielen dürfen oder müssen. Ist die Hürde zur Strafbarkeit genommen, sieht sich das Strafrecht auf Strafzumessungsebene weiteren Herausforderungen ausgesetzt. So ziehen Gerichte für Strafschärfungen u.a. das rechtsstaatswidrige Verhalten der Angeklagten sowie ihre Anwendung von Gewalt auf Kosten anderer heran. Der Referent betonte die Problematik dieses Vorgehens vor dem Hintergrund des Doppelverwertungsverbots aus § 46 III StGB.

Zwar seien Spielräume für Gerichte unverzichtbar. Doch eröffneten diese ein Einfallstor für persönliche Einstellungen der Richter. Der Gesetzgeber sollte gerade im Strafrecht auf allzu unbestimmte Rechtsbegriffe wie die „Verwerflichkeit“ in § 240 II StGB möglichst verzichten. Geboten sei außerdem eine dem ultima-ratio-Gedanken gerecht werdende restriktive Auslegung und Anwendung des Strafrechts durch die Gerichte.

Das Werkstattgespräch mit Prof. Kaspar in Bildern

Prof. Kaspar, Werkstattgespräch / Blick auf Prof. Kirchhof und Teilnehmer
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Prof. Kaspar beim Werkstattgespräch am 17.01.2024
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Prof. Kaspar, Werkstattgespräch / Blick auf Prof. Koch und Teilnehmer
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Prof. Kaspar, Werkstattgespräch / Blick auf Prof. Kasiske und Teilnehmer
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