Hausarbeit in der Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene

Wintersemester 2022/23

Sachverhalt

 

In der Stadt Augsburg finden seit längerem jeden ersten Dienstag im Monat sogenannte „Spaziergänge“ statt, deren Teilnehmer gegen verschieden Themen des aktuellen politischen Tagesgeschehens protestieren. Zunächst handelte es sich hierbei lediglich um einen losen Zusammenschluss von Menschen, die einem Aufruf im Internet gefolgt waren. Mittlerweile hat sich jedoch ein Verein (V) gegründet, der die monatlichen Protestmärsche organisiert. Dieser Verein wird von vielen Seiten als rechtsextremistisch eingestuft, unter anderem, weil auf den „Spaziergängen“ immer wieder rechtsextreme Fahnen und Symbole gezeigt werden. Aus diesem Grund hat sich in Augsburg ein breites Bündnis (B) formiert, das jeweils zu Gegenkundgebungen aufruft, bei denen nach Einschätzung der Polizei bisher sowohl Teilnehmer aus dem bürgerlichen Spektrum als auch linksextrem eingestellte Personen anwesend waren. Für den 05.07.2022 haben sowohl V als auch B Kundgebungen angekündigt.

 

Die erst 17 Jahre alte Studentin K ist seit längerem ein engagiertes Mitglied der „Bürgerrechtsinitiative Versammlungsrecht“. Diese Initiative hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu verteidigen. Hierzu nehmen dessen Mitglieder laut deren Internetauftritt nicht selbst an Versammlungen teil und greifen auch nicht in diese ein, sondern beobachten und dokumentieren stattfindende Versammlungen. Ziel der Initiative ist es insbesondere, über das Verhalten der Polizei und Ordnungsbehörden neutral zu berichten und dieses rechtlich zu bewerten. K hat sich durch diese journalistische und publizistische Tätigkeit ein beachtliches politisches und staatsrechtliches Wissen aufbauen können. Um sich von den Versammlungsteilnehmern abzugrenzen, tragen die Mitglieder der Bürgerrechtsinitiative stets grüne Warnwesten, die mit dem Schriftzug „Bürgerrechtsinitiative Versammlungsrecht“ bedruckt sind.

 

Im Hinblick auf die für den 05.07.2022 angemeldeten Kundgebungen teilt die Initiative der Stadt Augsburg und der örtlichen Polizei in einem Schreiben vom 28.06.2022 mit, dass sie am 05.07.2022 präsent sein werde. In diesem Schreiben wird nochmals darauf hingewiesen, dass sich die Mitglieder der Initiative nicht als Teilnehmer der Demonstrationen verstünden. Ihr Anliegen sei es vielmehr, das grundgesetzlich geschützte Demonstrations- und Versammlungsrecht zu schützen.

 

Am 05.07.2022 finden dann – wie angekündigt – sowohl der von V organisierte Protestmarsch als auch die Gegenkundgebung statt. Der Protestmarsch führt über eine zentrale Route durch die Stadt zu einer großen Wiese am Stadtrand von Augsburg. Dort finden im Anschluss verschiedene Redebeiträge statt. Die von B angemeldete Gegenkundgebung findet dagegen stationär auf einem zentralen Platz statt, an dem der Protestmarsch einige 100 m weiter vorbeiführt. K, die für die Bürgerrechtsinitiative anwesend ist und dementsprechend eine grüne Warnweste trägt, beobachtet die friedliche Gegenkundgebung, bis diese plangemäß von den Veranstaltern beendet wird.

Da einige Personen, die eher dem linksextremen Spektrum des Bündnisses angehören, jedoch weiterhin ihrem Unmut über V Luft machen wollen, formiert sich im Anschluss ein Aufzug von ca. 200 Personen, der sich in Richtung der Wiese, auf der nach wie vor die von V organisierte Versammlung stattfindet, in Bewegung setzt. Die Teilnehmer dieses Aufzugs sind größtenteils schwarz gekleidet und vermummt. Auf dem Weg dorthin umgeht die Gruppe einzelne Polizeisperren und attackiert andere teils mit Brettern, Flaschen und Steinen.

 

Nach 20 Minuten erreicht die Gruppe eine Absperrung, mit der die Polizei das Wiesengelände gesichert hat, um Störungen der dort stattfindenden Versammlung des V zu verhindern. Die Gruppe versucht, die Absperrung zu durchbrechen und bewirft hinter dem Zaun stehende Polizeibeamte abermals mit Steinen und Flaschen. Teilweise kommt auch Pyrotechnik zur Anwendung. Daraufhin löst die Polizei die nach ihrer Ansicht gebildete Spontanversammlung per mehrmaliger Lautsprecherdurchsage „wegen eines unfriedlichen Verlaufs“ auf.

 

Ein Großteil der 200 Personen lässt sich davon jedoch nicht beirren und versucht weiterhin die Absperrung zu durchbrechen und zur Versammlung des V zu gelangen, um diese zu stören. Auch die Angriffe auf die anwesenden Polizisten werden fortgesetzt. Aus diesem Grund umstellt die Polizei die anwesenden Personen und beginnt anschließend, die Teilnehmer nach und nach aus der Umkreisung zu entlassen, die Personalien festzustellen und die Personen zu filmen. Hierdurch sollen in erster Linie weitere Aggressionen vor Ort verhindert werden, indem den Teilnehmern der Schutz der Anonymität genommen wird. Vorrangiges Ziel der anwesenden Polizeibeamten der Augsburger Polizeiinspektion Süd ist es, die Ausschreitungen zu beenden und Straftaten gegenüber den Teilnehmern der Versammlung von V zu verhindern. Zusätzlich sollen aber auch möglicherweise bereits begangene Straftaten besser aufgeklärt werden können.

 

K, die dem Aufzug gefolgt ist, um das weitere Geschehen zu beobachten, und die nach wie vor eine grüne Warnweste mit dem Aufdruck „Bürgerrechtsinitiative Versammlungsrecht“ trägt, befindet sich ebenfalls innerhalb der Umkreisung. Sie hat sich an den bisherigen Ausschreitungen gegenüber den Polizeibeamten in keiner Weise beteiligt und steht ganz am Rand der Einkreisung, etwas abgerückt von der Gruppe, als sie nach dem Grund ihres Aufenthalts sowie nach ihren Personalien gefragt wird. K antwortet daraufhin, dass sie Mitglied der Bürgerrechtsinitiative und lediglich als Beobachterin anwesend sei. Dabei weist sie auch auf ihre Weste hin. Die anwesenden Beamten lassen sich hiervon allerdings nicht überzeugen. Sie sind der Auffassung, dass K keine Sonderbehandlung zukommen könne. Auf Aufforderung eines Polizeibeamten übergibt K ihren Personalausweis und folgt dem Beamten zu einem Polizeifahrzeug, wo sie von allen Seiten gefilmt wird. Anschließend darf sie das Gelände verlassen.

 

Endlich zuhause in der Stadt Landsberg am Lech angekommen, ist K empört über diese Behandlung und beschließt, das Ganze nicht auf sich sitzen zu lassen. Sie fühlt sich längst alt genug, um die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen und bittet daher am nächsten Tag – ohne Absprache mit ihren Eltern – Rechtsanwalt R um Auskunft, ob ein gerichtliches Vorgehen gegen die Maßnahmen der Augsburger Polizei erfolgsversprechend wäre. Sie ist der Ansicht, dass die Personalfeststellung sowie das Filmen ihrer Person nicht rechtmäßig gewesen sein können. Schließlich habe sie keine Straftaten begangen und sei offensichtlich nicht Teil der Gruppierung gewesen, die mit Flaschen und sonstigen Gegenständen nach den Polizeibeamten geworfen hatte. Dies sei schon aufgrund der Warnweste für die Polizeibeamten erkennbar gewesen. Zudem seien die übrigen anwesenden Personen, im Gegensatz zu ihr, größtenteils schwarz gekleidet und vermummt gewesen. Sie bezweifelt auch, dass die gegen sie ergangenen Maßnahmen den Anforderungen der Strafprozessordnung genügen.

 

K fühlt sich in ihrer Arbeit als Mitglied der Bürgerinitiative Versammlungsrecht beeinträchtigt, da sie das sich an die Versammlung anschließende Geschehen aufgrund der polizeilichen Maßnahmen nicht ungestört beobachten konnte. Zudem achtet K in ihrem Privatleben sonst sehr genau darauf, keine Bilder oder sonstigen Aufnahmen von sich zuzulassen, da sie sehr misstrauisch ist und befürchtet, dass auch dies sie zukünftig in ihrem Engagement behindern könnte. Schließlich möchte sie sich so weit wie möglich neutral verhalten, um objektiv berichten zu können. Aus diesem Grund fühlt sie sich hinsichtlich der angefertigten Videoaufnahmen besonders unwohl.

Eine Nachfrage des R bei der Polizei zwei Tage später ergibt, dass die bezüglich der K erhobenen Daten bereits wieder gelöscht wurden, da es im Nachhinein keinerlei Anhaltspunkte für eine Straftat ihrerseits gab.

 

Bearbeitervermerk:

Beurteilen Sie die Erfolgsaussichten einer möglichen Klage der K. Beantworten Sie alle aufgeworfenen Rechtsfragen gutachterlich und ggf. hilfsgutachterlich.

 

Allgemeine Hinweise

 

  • Die Bearbeitung darf – Deckblatt, Inhaltsverzeichnis, Aufgabenstellung, Literaturverzeichnis und Abkürzungsverzeichnis nicht mitgezählt – einen Umfang von maximal 60.000 Zeichen inkl. Fußnoten und Leerzeichen nicht überschreiten. Überschreitungen des Umfanges werden bei der Bewertung negativ berücksichtigt.
  • Für das Layout der Arbeit gilt Folgendes: Seitenrand oben 2,5 cm, unten 2 cm, links 2,5 cm, rechts 5 cm (Korrekturrand); Schriftart Times New Roman; Schriftgröße im Haupttext 12, in den Fußnoten 10; Zeilenabstand im Haupttext 1,5 Zeilen, in den Fußnoten Einfach; Blocksatz.
  • Die Arbeit ist bis zum 10.10.2022 (12:00 Uhr) in gedruckter Form und zusätzlich in digitaler Form als Word-Dokument auf CD/USB einzureichen. Eine digitale Abgabe ist nicht möglich. Sie kann entweder zum Prüfungsamt der Universität (Briefkasten für Hausarbeiten im Foyer des Gebäudes der Juristischen Fakultät) eingereicht oder stattdessen bis zum Ende des Tages dorthin auf die Post gegeben werden; in diesem Falle muss die Sendung den Poststempel oder den Einlieferungsvermerk des Postunternehmens (kein Freistempler, keine selbstgedruckte Frankierung) vom spätestens 10.10.2022 (24:00 Uhr) tragen.

 

Die Postanschrift lautet:

Universität Augsburg

Juristische Fakultät

Prüfungsamt

(Hausarbeit Große Übung Kment)

Universitätsstr. 24

86159 Augsburg

 

 

  • Besprechung und Rückgabe der Arbeit finden in einer der Sitzungen zur Übung statt.
     
  • Die Ergebnisse werden von der Universität in Studis eingetragen. Die Prüfung der Teilnahmevoraussetzungen erfolgt ebenfalls über Studis. Die Teilnehmenden müssen sich über Studis anmelden. Der Anmeldezeitraum beginnt am 02.08.2022 (12:00 Uhr) und endet am 16.09.2021 (12:00 Uhr).
     
  • Alle Teilnehmenden melden sich außerdem bereits zu Beginn der Bearbeitungszeit im Digicampus zu der Veranstaltung „Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene“ an, da eine Kommunikation, etwa zur Besprechung und Rückgabe der Arbeit oder auch zu kurzfristigen Änderungen von Bearbeitungsmodalitäten, über Digicampus stattfinden wird.

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