Infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine möchte die Bundesrepublik Deutschland den Import von Energieträgern aus Russland – insbesondere von Erdgas – stark verringern und langfristig einstellen. Um sich aus der energiepolitischen Abhängigkeit zu lösen, soll deshalb Flüssigerdgas (LNG) aus anderen Ländern importiert werden. Da es an der dafür notwendigen Infrastruktur auf deutschem Boden und in deutschen Gewässern bislang fehlt, wurde das LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) erlassen. Das LNGG ermöglicht es unter anderem, schwimmende LNG-Terminals und die weiteren damit verbundenen Infrastrukturvorhaben ohne Durchführung einer eigentlich notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung vor der deutschen Küste zu errichten (§ 4 LNGG). Prof. Dr. Martin Kment hat sich in Zusammenarbeit mit Stefan Fimpel der Frage gewidmet, ob die Befreiung von der UVP-Pflicht mit europäischem Recht vereinbar ist.

 

Beide Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die aktuell angespannte Lage nicht jede staatliche Maßnahme rechtfertigt, sondern der rechtliche Rahmen einzuhalten ist. Zwar vermag der nationale Gesetzgeber vieles zu gestalten, er trifft aber im Umweltrecht durchaus auf unionsrechtliche Grenzen, deren auch er sich wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht zu entledigen vermag. Eine solche Grenze ziehen die Anforderungen der UVP-RL, die im Grundsatz bei umweltsensiblen Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung einfordern und hiervon in Art. 4 Abs. 4 UVP-RL unter engen Voraussetzungen Ausnahmen zulassen. § 4 LNGG baut auf diesen Ausweg aus der UVP-Pflicht, wird aber den unionsrechtlichen Bedingungen, die hierzu erfüllt sein müssen, nicht vollumfänglich gerecht. Dies birgt juristisches Angriffspotenzial und rechtliche Unsicherheiten, die man in Anbetracht der kritischen Versorgungslage in Deutschland besser vermeiden sollte.

 

Weitere Informationen erhalten Sie bei Kment, LNG-Terminals ohne UVP – heiligt der Zweck die Mittel? (zusammen mit Fimpel), NuR 2022, 599-604

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