Neben der herausfordernden Entwicklung der Verfahren und Technologien zum Einsatz von Wasserstoff gilt es, eine effiziente Versorgungsstruktur für Wasserstoff aufzubauen. Die Sicherstellung des Transports zu den Abnehmern und damit der Verfügbarkeit von Wasserstoff in der Fläche wird entscheidend für das Gelingen der Wirtschaftstransformation sein. Dazu bedarf es auch reiner Wasserstoffnetze. Bis 2030, so Annahmen der Gaswirtschaft, wird ein Wasserstoffnetz von ca. 5.100 km benötigt. Diesem wasserstoffbezogenen Bedarf steht ein gut ausgebautes Gasnetz von etwa 40.000 km Länge gegenüber, das langfristig mit fortschreitender Dekarbonisierung seine Bedeutung verlieren wird. Dieses Netz soll nutzbar gemacht werden, indem bestehende Leitungen umgenutzt werden. Das ist grundsätzlich technisch möglich und weniger kosten- und zeitintensiv als der Neubau von Leitungen. Zudem würden die erheblichen Investitionen der Gasnetzbetreiber nicht entwertet und ihnen eine wirtschaftliche Zukunftsperspektive geboten. Das deutsche Wasserstoffnetz soll demnach im Jahr 2030 zu ca. 70 % aus umgenutzten Gasleitungen bestehen. Auch auf europäischer Ebene werden ehemalige Gasleitungen das Rückgrat der Wasserstoffinfrastruktur bilden: Bis 2030 werden etwa 11.550 km und bis 2040 knapp 40.000 km überregionale Wasserstoffleitungen für möglich gehalten, die zu 75 % aus umgenutzten Leitungen bestehen sollen.

 

Um diese Ziele zu erreichen, ist ein zügiger Hochlauf der Infrastruktur nötig. Außerdem benötigen Netzbetreiber einen sicheren Rechtsrahmen, um die Bereitschaft zu entwickeln, die erforderlichen Investitionen zu tätigen. Leitungsbetreiber sind stets darauf angewiesen, Grund und Boden zu nutzen. Einen unmittelbaren gesetzlichen Anspruch hierauf haben sie allerdings nicht. Daher müssen die entsprechenden Nutzungsrechte begründet werden. Für Energieleitungen auf Verkehrsflächen der Gemeinden hat der Gesetzgeber in §§ 46 ff. EnWG besondere Wegenutzungsverträge vorgesehen. Dieser Rechtsrahmen wurde im Zuge der jüngsten EnWG-Novelle um Regelungen für reine Wasserstoffnetze ergänzt.

 

Prof. Dr. Martin Kment untersucht, inwiefern sich diese Modifikationen des Normenkanons auf die Wegenutzungsverträge nach §§ 46 ff. EnWG auswirken. Er kommt zu der Erkenntnis, dass die Systematik des geschaffenen Normenpaktes unnötig unübersichtlich und nicht anwenderfreundlich ist. Dadurch wird die angestrebte und nötige Rechtssicherheit für Wasserstoffleitungen aktuell noch nicht vermittelt. Positiv darf man aber die Regelung des § 113a Abs. 2 EnWG zur umfassenden Fortgeltung bestehender Wegenutzungsverträge hervorheben. Die in ihr ruhende erhebliche Privilegierung mag auf den ersten Blick irritieren, ist aber aufgrund der großen Bedeutung umgenutzter Leitungen für das zukünftige Wasserstoffnetz zu begrüßen.

 

Die Rechtspraxis wird schnell zeigen, wie die Kommunen auf die Neuregelungen reagieren und welche Anwendungsschwierigkeiten sie damit haben. Dabei wird der Erfolg der Regelungen und das Erreichen von Infrastrukturzielen nicht nur von der Gestaltungskraft des Bundesgesetzgebers abhängen, sondern auch davon, wie ambitioniert die Kommunen den Aufbau eines Wasserstoffnetzes mittragen.

 

Details zu diesem Beitrag können nachgelesen werden unter Kment, Instrumente der Energiewende: Wegenutzungsverträge für reine Wasserstoffnetze (zusammen mit Wenzel), Recht der Energiewirtschaft (RdE) 2022, S.153-165

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