Call for Papers

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Frieden und Wohlstand – die untrennbare gegenseitige Bedingtheit von politscher Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität bestimmten seit jeher die bürgerliche Lebenswelt in den Städten nach dem Dreißigjährigen Krieg. Ihre vielschichtige Visualisierung erfuhren in den Deckenmalereien des 18. Jahrhunderts. Als relativ schnell herstellbares und damit kostengünstiges Bildmedium eignete sich die Deckenmalerei nicht zuletzt aufgrund der großen Bildfläche ausgezeichnet zur Darstellung komplexer Inhalte.


Im besonderen Maße bot die freie Reichsstadt Augsburg ideale Ausgangsvoraussetzungen: Der Handel, das Verlagswesen, die Textilbranche, der Instrumentenbau und die Silber- und Goldwaren florierten und sicherten der Stadt noch im 18. Jahrhundert ökonomische Stabilität. Im Zentrum des Verlagswesens und der Druckererzeugnisse fand sich ein reichhaltiges Angebot an ikonographischen und gestalterischen Bildfindungen. Zudem zog die bikonfessionell geleitete Kunstakademie zahlreiche Freskanten an – bis Südtirol reichte ihr Einzugsgebiet. Augsburg ist daher geradezu der ideale Austragungsort für eine interdisziplinäre Tagung zur Deckenmalerei in
Bürgerhäusern in europäischer Perspektive.


Das zentrales Forschungsinteresse der ersten Sektion gilt der Eigenverortung der bürgerlichen und niederadeligen Auftraggeber zwischen Adaption und Distinktion, zwischen der Wahl eigenständiger und standesbewusster, auf bürgerlichen Tugenden wie Fleiß (Industria) oder Vor-Sehung (Providenzia) fußenden Konzepten einerseits und der Orientierung an den Programmen fürstlicher Residenzen andererseits. Hierzu gehört auch die spezifische Ausweitung der geläufigen frühneuzeitlichen Bildersprache um eine differenzierte Darstellung von Handel und Handwerk als Grundlage für Wachstum und Wohlstand eines Landes. Auf welchen Wegen vollzog sich dieser gewerbebezogene Wandel zwischen der wandfesten Malerei und der Druckgraphik? Welche künstlerischen Synergieeffekte ergaben sich daraus? Wie schlugen sich die merkantilen Entwicklungen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in der Ikonographie synergetisch in anderen Artefakten (z.B. mit Radierung ausgestatteten Geschäftsempfehlungen) nieder? Wie fügt sich weiterhin das vertraute und gängige Ausdrucksmittel der Götter- und Heldenadaption in die bürgerliche Bildsprache? Der sozialgeschichtliche Zugang steht im Mittelpunkt der zweiten Sektion. Während sich in den Freskenausstattungen der Augsburger Bürgerhäuser die Religionszugehörigkeit zum eigenen Konfessionskörper als positionsbestimmendes Element im besonderen Maße bemerkbar machte, ist für die Tagung die vergleichende Fragestellung bezüglich anderer, konfessionell einseitig und damit auch eindeutig ausgerichteter (Reichs-)städte von besonderem Interesse. Zugleich – und dieser Themenbereich ist in Zeiten der offenen Frage nach der lokalen Identität als gesellschaftsstützendes Moment innerhalb der bürgerlichen Mitte Europas von besonderem Interesse – will diese Tagung ortsspezifischen Besonderheiten in der bürgerlichen Selbstdarstellung nachgehen. Als Vergleiche bieten sich hier z.B. der reiche Bestand an Ausmalungen in den Bürgerhäusern der Hansestädte Lübeck und Hamburg oder die weitreichende Tradition in den Niederlanden und Italien an.


Einen weiteren Schwerpunkt bilden Fragen nach der Künstlersozialgeschichte im Spannungsfeld zu bürgerlichen Auftraggebern. Für welche Künstlergruppen waren bürgerliche Auftraggeber attraktiv und warum? Konnten Bürger auch begehrte Malerpersönlichkeiten für Aufträge gewinnen und gab es personelle Übereinstimmungen zwischen Freskanten, die für den Hof und für Bürger tätig waren? Was machte Aufträge aus dem bürgerlichen Milieu für Künstler attraktiv und wie hoch war die Bezahlung im Vergleich zu landesherrlichen Beschäftigungsverhältnissen?
Wie gestaltete sich die Programmfindung für die Deckengemälde jenseits der Verfügbarkeit von Hofgelehrten oder umfangreich intellektuell gebildetem Klerus? Und nicht zuletzt stellt sich auch die Frage nach der Topographie dieser Denkmalbestände: Wo in der jeweiligen Stadt befinden sich bürgerliche und niederadelige Deckengemälde und wie gestaltete sich das soziale Umfeld der Auftraggeber? Welche soziologischen Netzwerke können aus der jeweiligen Auftragssituation rekonstruiert werden?


Als viertes und letztes Themenfeld beschließt die Analyse des historischen Umgangs mit diesem gebäudegebundenen Bildmedium privater Ambitionen die Tagung. Die Aspekte der Wiederentdeckung und der denkmalpflegerischen Erfassung dieses oft nur schwer zugänglichen Kulturgutes gilt es hierbei genauso zu erörtern wie diejenige der Erhaltung, der Rezeptions- und Translationsgeschichte und ideologischer Vereinnahmung. Die Frage nach der Wertschätzung dieses Kulturgutes führt hierbei unmittelbar zu der gesellschaftsrelevanten Verortung in aktuellen Diskursen zur Identitätsstiftung von städtischer Kultur.


Bei Interesse an der Teilnahme freuen wir uns über abstracts (max. 2000 Zeichen) mit einem kurzem CV bis zum 3. November 2019 an

angelika.dreyer@philhist.uni-augsburg.de

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