Fischerholz - Stadthistorische Rekonstruktion eines marginalisierten Quartiers?

Das Fischerholz stellt ein bislang wenig beachtetes Kapitel der Augsburger Stadtgeschichte dar. Das Forschungsprojekt untersucht die Entwicklung dieses Viertels im Norden Oberhausens, welches nach 1945 auf Basis des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers ‚Sammellager II‘ entstand. Infolge des akuten Wohnungsmangels der Nachkriegsjahre wurden dort neben den Überresten der Zwangsarbeiterbaracken provisorische Unterkünfte und Behelfsbauten errichtet, die sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer heterogenen Siedlung wandelten. Angrenzend an diese sogenannte ‚Schönbachsiedlung‘ entstand parallel ein Wohnwagenlager, in welchem sich wohnungslose Augsburger verschiedenster Hintergründe und Lebenswege einfanden. Maßgeblich geprägt wurde der Ort durch die Augsburger Sinti, welche nach der Verfolgung im Nationalsozialismus im Fischerholz einen neuen Lebensraum etablierten. Das Viertel steht exemplarisch für die vielfältigen Nachkriegsmigrationen und die daran gebundenen Stigmatisierungs- und Marginalisierungserfahrungen der Bewohnerschaft: Neben Sinti ließen sich hier auch Jenische, Artisten, Schausteller, Kriegsversehrte und Ausgebombte nieder, die unter dem schlechten Image sowie den prekären hygienischen und infrastrukturellen Bedingungen des Viertels litten. Im September 1955 betitelte die Schwäbischen Landeszeitung das Viertel am Stadtrand so als ‚Augsburgs dunkler Punkt‘. Die Diversität der Bewohner und die spezifische historische Prägung des Ortes führen zu vielschichtigen Erinnerungsnarrativen, die von individuellen und kollektiven Erfahrungen der Ausgrenzung, Solidarität und Selbstbehauptung geprägt sind. Mit dem von der Stadt forcierten schrittweisen Abbau ab den 1970er-Jahren und dem endgültigen Abriss der letzten Bebauung 2019 verschwand das Wohnwagenlager des Fischerholzes aus dem Stadtbild, während die Schönbachsiedlung weiter besteht. Das Projekt rekonstruiert diese besondere städtische Lebenswelt und deren vielfältige erinnerungskulturelle Dimension anhand von städtischen Archivalien und Interviews mit ehemaligen Bewohnern und Anwohnern.

Veröffentlichung von Marie-Claire Timmermann, M. A. im Herbst 2025: Das Augsburger Fischerholz - Stadthistorische Rekonstruktion eines marginalisierten Quartiers? (= Urban Habitat and Humanities, Bd. 9). Augsburg 2025.

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