Vortrag von Dr. Tobias Reichard (Hochschule für Musik und Theater München) im Rahmen des KuK-Kolloquiums
"Insel", "Oase", "Zuflucht", "Hort des Widerstands", "Gefängnis", "geistiges Ghetto"... Raummetaphern durchziehen zeitgenössische Berichte zum jüdischen Musik- und Theaterleben im Nationalsozialismus, das auf verschiedenen Ebenen durch räumliche Rahmenbedingungen geprägt war. Jüdische Musikerinnen und Musiker waren daher gezwungen, sich in kürzester Zeit alternative Verdienst- und Auftrittsmögichkeiten zu schaffen. Ebenso wie ihr jüdisches Publikum hatten sie sich dabei in einem öffentlichen Raum neu zu orientieren, der massiv von Gewalt geprägt war und sich gerade in Bayern - mit der "Hauptstadt der Bewegung" München, der "Stadt der Reichsparteitage" Nürnberg, der Wagner-Stadt Bayreuth und dem ersten Konzentrationslager Dachau - als besonders prekär erwies. Den Rahmenbedingungen jüdischen Musiklebens in Bayern zwischen 1930 und 1950 nachzugehen, die relevanten Quellen grundlegend zu erschließen und aufzubereiten sowie nach dem Erkenntnisgewinn einer für räumliche Zusammenhänge sensibilisierten Musikgeschichte zu fragen, sind die Ziele eines Forschungsvorhabens an der Münchner Musikhochschule. Der Vortrag gibt Einblicke in das Projekt und stellt erste Erkenntnisse zur Diskussion.