Inhalt

TeilnehmerInnen: 20 Studierende des ersten Studienjahrs, Tuschzeichenklasse, School of Fine Arts, Shandong University, Jinan, die über das Austauschprogramm rekrutiert wurden sowie elf Seminarteilnehmerinnen der Universität Augsburg (3. – 5. Semester), Lehrstuhl für Kunstpädagogik

Inhalte/ Problemstellung: Das Erlernen zentralperspektivischer Raumkonstruktion in der Schule wird nicht so weit verinnerlicht, dass es bei Bedarf, etwa dem Zeichnen einer Raumsituation, korrekt abgerufen werden könnte. Die vergleichende Untersuchung soll über zwei Dokumentenanalysen klären, wo genau die Problemstellen im Transfer (1 – Collage) bzw. in der Zeichnung (2 – Ich im Badezimmer) aus der Vorstellung liegen.

 

Methode zu 1 – Collage
Im Rahmen aktueller Emergenzforschung, vor allem aber zu einer Überprüfung des Befundes mangelnder räumlicher Darstellungskompetenz wurde in einer Lehrveranstaltung zum übergeordneten Thema Licht- und Schatten eine Studie durchgeführt, bei der 11 Studierende ausgerüstet mit einer Digitalkamera Raumsituationen in den Bauten der Universität fotografieren sollten. Die Studierenden, die teilweise auch schon Kurse in perspektivischen Zeichnen besucht hatten, bekamen dann zur Aufgabe, den schwarz-weißen DIN-A-Ausdruck einer ihrer fotografierten Raumsituationen in eine Collage umzuwandeln. Durch die direkte Fotovorlage sollte überprüft werden, inwieweit die im mathematischen Sinne korrekten Fluchtlinien der zentralperspektivischen Darstellung über das Kameraprinzip wahrgenommen werden im Übertrag auf das Collageprinzip. Dabei stand schwarzes, weißes und graues Tonpapier zur Verfügung. Über die Beschränkung auf unbunte Farben können Formen und Kompositionslinien besser fokussiert werden. Auffällig war schon bei dieser ersten Erhebung in Deutschland, dass trotz der Fotografievorlage in der Übertragung von Raumsituationen auf das Collageblatt sich vergleichbare perspektivische Fehler einschlichen, wie diese in perspektivischen Zeichnungen von Jugendlichen und Studierenden zu finden sind. Einer dieser Fehler besteht z.B. darin, dass sich kleinere Gegenstände oder Details nicht entlang der Fluchtlinien verjüngen, sondern bildparallel gezeichnet/collagiert werden.

Anlässlich der Einladung an die School of Fine Arts in Jinan bot sich die Gelegenheit, die gleiche Studie unter den Kunststudierenden der School of Fine Arts der Shandong University durchzuführen, um in einem ersten Schritt zu überprüfen, ob und inwieweit möglicherweise ähnliche oder identische Fehler in der perspektivischen Darstellung von Raumsituationen gemacht werden. Dies ist besonders interessant vor dem Hintergrund, dass die traditionelle chinesische Kunst keine Linearperspektive kennt, sondern nur eine gegenstandsbezogene Perspektive. Bei Landschaften geht es darum, Ferne und Nähe anzunähern, ohne dass alle Objekte einer linearperspektivischen Struktur folgen müssten. Auch unterscheiden sich grundlegend die Lehrmethoden. In der School of Fine Arts werden in der ersten Jahrgangsstufe ausschließlich Meistertuschzeichnungen kopiert.

Im Sommersemester 2016 wurde speziell eine Lehrveranstaltung zum Thema: „Kunstdidaktik: Raum darstellen – Problematik analysieren/ Vermittlungsansätze entwickeln“ (Leitung: C. Schmidt-Maiwald) angeboten, die sich mit den Forschungsergebnissen wissenschaftlich auseinandersetzte und erste Ansätze zur Verbesserung von schulischer Unterrichts- und wissenschaftlicher Lehrqualität im Hinblick auf räumliche Darstellungskompetenzen in den Blick nahm.

 

Ziele und Erwartungen zu 1 – Collage
Die Erhebung soll zunächst empirisch noch einmal den Sehbefund erhärten, dass die Schulzeit offenbar nicht ausreicht, um die Regeln des perspektivischen Darstellens sich so anzueignen, dass sie jederzeit abgerufen, in ein anderes Medium übertragen bzw. auch beim Zeichnen von räumlichen Situationen angewandt werden können. Die Forschungsperspektive richtet sich bei der Analyse der Ergebnisse vor allem darauf, in welchen Punkten genau beim Übertrag in das Medium Collage das perspektivische Konstruktionssystem scheitert. Daraus ergeben sich eindeutig für den Schulunterricht zu definierende Desiderate und Konsequenzen im Entwickeln entsprechend adaptierter Lehrmethoden.

Es muss davon ausgegangen werden, dass zwei Schuljahre, in denen in knappen Einheiten perspektivische Konstruktionssysteme gelehrt werden, nicht ausreichen, bei Jugendlichen die jahrelang im Kindesalter eingeübten Schemata (Prägnanzkriterium, Mischperspektive und Klappungen) nachhaltig zu überwinden. Meist findet auch kein Transfer des erlernten Konstruktionssystems auf die Wirklichkeit – etwa beim Abzeichnen von Raumsituationen oder Architektur – in der Schule statt. Es gilt also in einem weiteren Schritt, die Lehrmethoden zur perspektivischen Konstruktion im Hinblick auf Einübung und Transfer zu überarbeiten.

 

Methode zu 2 – Zeichnung
Im Rahmen der Vorlesung „Ästhetisches Verhalten von Kindern und Jugendlichen“ im Sommersemester 2015 stellte Katharina Swider den Studierenden die Zeichenaufgabe zum Thema „Ich im Badezimmer“. Die Ergebnisse bestätigen die am Lehrstuhl bereits gewonnen Vermutungen. Im vorliegenden Forschungsprojekt findet, um möglichst vielen Perspektiven des Phänomens der Vermeidung bzw. der Regression auf kindliche Zeichenschemata nachzugehen, eine breit angelegte Untersuchung statt. Zunächst analysieren und vergleichen Studierende im Rahmen der Vorlesung zwei Kinder- bzw. Jungendzeichnungen zum Thema „Ich in meinem Zimmer“ (Gestaltungsformat: DIN A4). Diese Ergebnisse sollen Einblick in den aktuellen Stand der räumlichen Bildlösung im Kindes- und Jugendalter leisten. Gestützt werden diese Daten durch weitere Zeichnungen von GrundschülerInnen und SchülerInnen weiterführender Schulen unterschiedlicher Jahrgangsstufen, die parallel erhoben und ausgewertet werden. In einem weiteren Schritt werden Studierende der Universität Augsburg während des Zeichenprozesses zum selben Thema videografiert, um das gestalterische Vorgehen vom Anlegen des Bildraums bis zu seiner Umsetzung nachzuvollziehen. Die Untersuchung soll mit Videografien von Zeichenprozessen und Zeichnungen von Kunststudierenden aus China ergänzt werden.

 

Ziele und Erwartungen zu 2 – Zeichnungen
Nach der vergleichenden Erhebung wird es im Zeitraum von November 2015 bis vorerst August 2016 darum gehen, den Prozess des Zeichnens sowie die erstellten Zeichnungen genau zu dokumentieren und auszuwerten. Auch sollen die Ergebnisse im direkten Vergleich mit den Zeichnungen der deutschen Studierenden ausgewertet werden. Im laufenden Wintersemester wird eine Lehrveranstaltung zum Thema Forschungsmethoden und Forschungsprojekte in der Kunstpädagogik angeboten (Leitung: Katharina Swider), die sich mit den Forschungsergebnissen wissenschaftlich auseinandersetzt und erste Ansätze zur Verbesserung von schulischer Unterrichts- und wissenschaftlicher Lehrqualität im Hinblick auf räumliche Darstellungskompetenzen in den Blick nimmt. Begleitet wird der Prozess dabei von Masterstudierenden, die sich zum einen mit der Forschungsfrage selbst, zum anderen mit methodischen Vermittlungskonzepten in ihren Masterarbeiten beschäftigen werden.

 

Literatur

  • Miller, Monika/ Schmidt-Maiwald, Christiane (Hg.): Didaktik des räumlichen Zeichnens. Gestaltungsdidaktische Forschung und Praxis. Bielefeld 2022

 

Projektdaten

Projektstart: 01.11.2015

Projektende: 07.11.2016

Projektträger: Universität Augsburg

Projektverantwortung vor Ort: Dr. Christiane Schmidt-Maiwald Katharina Swider

Akad. Oberrätin
Kunstpädagogik

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