Mehr Mobilität der Bürgerinnen und Bürger innerhalb der EU und mehr Inklusion ‐ sozialer Zusammenhalt also ‐ innerhalb der einzelnen Gesellschaften der EU‐Länder: beides sind wichtige Ziele der Europäischen Gemeinschaft, beide Ziele parallel zueinander und gleichzeitig erreichen zu wollen, stellt aber nicht nur die politischen Entscheidungsträgerinnen und ‐träger in den EU-Institutionen vor erhebliche Herausforderungen, sondern auch die Menschen in den europäischen Gesellschaften selbst.

Höhere Mobilität und stärkere Inklusion schließen sich zwar nicht grundsätzlich gegenseitig aus, sie sind jedoch auch nicht ohne weiteres miteinander vereinbar. Denn während mehr Mobilität u. a. mit europaweit geltenden Standards erreicht werden kann, sind die Bedingungen des sozialen Zusammenhalts einer Gesellschaft von sehr unterschiedlichen und abgrenzenden sprachlichen und kulturellen Kontexten geprägt, die des Ausgleichs bedürfen.

Im Augsburger Teilprojekt „Identitätsbildung unter den Bedingungen sprachlicher Vielfalt“ wird speziell untersucht, wie neue und beständige Formen von Identitäten unter den Bedingungen sprachlicher Vielfalt gebildet werden und wie sie sich im gesellschaftlichen und politischen Umgang mit der Mehrsprachigkeit widerspiegeln. Illustriert wird die theoretische Arbeit anhand der Beispiele Rigas und Barcelonas, zweier Städte, in denen das gesellschaftliche Leben von einer komplexen kulturellen und sprachlichen Vielfalt geprägt ist.

Die am MIME‐Konsortium beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler teilen programmatisch die gemeinsame Überzeugung, dass die bislang in der EU existierenden Verfahren eines solchen Ausgleichs nicht als unveränderlich gegeben hingenommen werden müssen; vielmehr seien sie sowohl in symbolischer als auch in materieller bzw. finanzieller Hinsicht modifizierbar, und zwar durch sorgsam konzipierte Praktiken öffentlicher Politik und durch die intelligente Nutzung zivilgesellschaftlicher Binnendynamiken.

Regelmäßige Koordinationstreffen werden dazu dienen, die unterschiedlichen Perspektiven der insgesamt zehn Disziplinen, die im MIME‐Konsortium vertreten sind, zusammenzubringen.  Der interdisziplinäre Ansatz macht es möglich, die Bedingungen für eine hohe Mobilität und eine gelingende Inklusion der Menschen im mehrsprachigen Europa umfassend zu bestimmen.

Die dezidierte Beratungsorientierung der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wiederum stellt für die politische Umsetzung der MIME‐Forschungsergebnisse substantielle Vorschläge und Empfehlungen in Aussicht. Letztere sollen ein breites Themen‐ und Fragenspektrum abdecken, das von einem tieferen Verständnis der Funktionsweise von Institutionen in mehrsprachigen Kontexten über Nachbarschaftsbeziehungen in multikulturellen Städten bis hin zu Aspekten des Spracherwerbs und der Analyse von Kommunikationskanälen im sozialen und schulischen Umfeld reicht. Somit werden für alle relevanten Aspekte und Probleme, die der Forschungsauftrag umfasst, nicht nur Politikoptionen vorgeschlagen, sondern auch die soziale Relevanz der Vorschläge sichergestellt.

 

Professor
Politikwissenschaft, vergleichende Systemanalyse (Europa und Nordamerika)
MIME. Mobilität und Inklusion im mehrsprachigen Europa

Suche