Die Frühe Neuzeit verfügt über kein einheitliches Verständnis und keinen Kollektivsingular von ‚Ökonomie‘. Vielmehr lassen sich in Europa zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert vielschichtige Prozesse der Adaption, Zirkulation und Transformation ökonomischen Wissens bemerken. Diese Dynamik zeichnet sich insbesondere in gattungspoetologischen, religiösen und geschlechterspezifischen Ordnungszusammenhängen ab und kann ebendiese Ordnungen zugleich unterlaufen. Das Forschungsprojekt widmet sich der historischen Eigenlogik und den Verflechtungen ökonomischer Diskurse und sucht aus interdisziplinärer und transnationaler Perspektive nach einer systematischen Erschließung. Das Vorhaben beleuchtet die drei Dimensionen Gattungen, Religion und Geschlecht.  Dabei nimmt das Projekt seinen Ausgangspunkt bei den Gattungen, leisten doch verschiedene, literarische und nicht-literarische Gattungen mit je unterschiedlichen Funktionen eine Distribution des ökonomischen Wissens in der Frühen Neuzeit und stabilisieren zugleich religiöse und geschlechtliche Ordnungsvorstellungen. Das Spektrum der zu berücksichtigenden Gattungen ist dabei denkbar breit und umfasst Sammelwerke und Kompendien, Ehezuchten, Lehrdichtung, höfische und pikareske Romane, Predigtliteratur und Kirchenlieder, Emblematik, Reiseliteratur, Sprichwort, Schwank, Dialogliteratur, Komödie und Tragödie.
 

Damit unterscheidet sich das Vorhaben von bisherigen geschichts-, kultur- und sozialwissenschaftlich orientierten Arbeiten zur Ökonomie vor 1800 und ergänzt zugleich die wenigen avancierten interdisziplinären Studien zwischen frühneuzeitlicher Wirtschafts- und Kulturgeschichte sowie die oftmals nationalliterarisch begrenzten Überblicksversuche. Im Zuge der politischen, religiösen und wissenschaftlichen Umwälzungen der Epoche kommt den ökonomischen Lehren folglich eine bemerkenswerte Syntheseleistung von sowohl theologisch- und humanistisch-überliefertem als auch empirisch zu ermittelndem Wissen zu.

Akademischer Oberrat a.Z.
Neuere Deutsche Literaturwissenschaft

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