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Das Kosmopolitische wird in zeitgenössischen Theorien mit einer grundlegenden Verpflichtung zu Dialog, Toleranz und den sich immer weiter ausdehnenden Sphären der Gemeinschaft und Kommunikation verbunden. Es steht im Gegensatz zu anderen, eher konfliktträchtigen Werten und Ideologien, wie dem Partikularismus und Nationalismus, liefert den Nährboden für teleologische Darstellungen von "Zivilisation" und Befriedung. Der vorliegende Beitrag hinterfragt solche leichtfertigen Annahmen zum Kosmopolitismus, indem er dessen Verbindung zu Konzeptionen des Bürgerkriegs nachzeichnet und sich dabei insbesondere auf das Zeitalter der Aufklärung als eine Ära des ausgeprägten Kosmopolitismus und der sich ausbreitenden Bürgerkriege konzentriert. Kosmopolitismus und Bürgerkrieg waren durch die Idee der civitas verbunden, der organisierten menschlichen Gemeinschaft, die den Frieden sichert, die aber, wie römische Autoren von Cicero bis Augustinus noch spätere Generationen erinnerten, auch ein Schauplatz immer wiederkehrender und zerstörerischer Konflikte zwischen den Mitbürgern oder Cives war. Diese römische Tradition implizierte, dass das Leben in einer civitas bürgerkriegsanfällig war; in der Tat konnten nur die Zivilisierten einem Bürgerkrieg anheimfallen. Der Kosmopolitismus mag als Heilmittel, ja sogar als Lösung für solche Konflikte innerhalb der civitates gedacht gewesen sein, aber sein Universalismus hatte paradoxerweise unbeabsichtigte Folgen. Indem er die Grenzen der civitas ausweitete, dehnte der Kosmopolitismus den Schauplatz des Bürgerkriegs auf die gesamte Menschheit aus: wie Marius Pontmercy in Victor Hugos Les Misérables (1862) fragt, "Bürgerkrieg ... Was bedeuteten diese Worte? Gab es jemals so etwas wie einen "fremden" Krieg? War nicht jeder Krieg zwischen Menschen ein Krieg zwischen Brüdern?'. Und indem er implizierte, dass alle Menschen Bürger einer einzigen Gemeinschaft seien, machte er auch die Ideen eines "globalen Bürgerkriegs" denkbar, die von Carl Schmitt und seinen Anhängern ausgearbeitet und in jüngerer Zeit von Analytikern des transnationalen Terrorismus wiederbelebt wurden.

 

 

David Armitage, MA, PhD, LittD, CorrFRSE, FRHistS, FAHA, ist Inhaber der Lloyd C. Blankfein Professur für Geschichte und ehemaliger Lehrstuhlinhaber des Fachbereichs Geschichte an der Harvard University, an der er Geistesgeschichte und internationale Geschichte lehrt. Er ist außerdem Affiliated Professor am Harvard Department of Government, Affiliated Faculty Member an der Harvard Law School, Honorary Fellow des St. Catharine's College, Cambridge, Ehrenprofessor für Geschichte an der University of Sydney und Ehrenprofessor für Geschichte an der Queen's University Belfast. Für das akademische Jahre 2019/20 hat er zudem die Gastprofessur „Sons of the American Revolution“ am King's College London inne.

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