Projektzeitraum

01.10.2016-31.12.2020

Projektverantwortliche

Paulina Simkin, M.Sc.
Prof. Dr. Matthias Schmidt

© Universität Augsburg

Kaffee und Cafés sind tief verwurzelt in westlichen Kulturkreisen und zudem ein Merkmal für Globalisierungs- und Verwestlichungsprozesse. Sie symbolisieren eine westliche Arbeitsatmosphäre, sind Bestandteil in westlichen Freizeit- und Lebensstilen und nehmen eine wichtige Funktion in der Wahrnehmung von Urbanität ein. Globale Medien kommunizieren diese Bilder und schüren dadurch Wünsche, Bedürfnisse, Ansichten und Einstellungen und damit einhergehend neue Konsum- und Verhaltensweisen.

 

Seit einigen Jahren lässt sich in Bischkek, Hauptstadt Kirgisitsans, ein Trend beobachten, in dem Cafés eröffnen. Das erste öffnete 2006, heute sind es über 40 Cafés. Verwunderlich ist diese Entwicklung vor dem Hintergrund, dass Kirgistan ein „Land der Teetrinker“ ist, Kaffee hauptsächlich in löslicher Form bekannt ist und italienisch-kreierte Kaffeeprodukte sowie der Besuch von Cafés verhältnismäßig teuer sind. Bis 2016 schien Bischkek auch nicht auf der Landkarte Globaler Player zu existieren.

 

Der Kaffeemarkt wurde von lokalen Akteuren kreiert, die Wissen aus dem Ausland implementierten. Heute finden sich dort auch wenige globale Caféketten, allerdings nur aus dem post-sowjetischen Raum. Größer skaliert ist das Aufeinandertreffen globaler Prozesse auf lokale Strukturen in Kirgisistan besonders interessant, da sich der Staat nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in einer Transformation politischer und wirtschaftlicher Art sowie in einem Prozess der Nationalitäts- und Identitätsbildung befindet. Diese Studie ist ein wichtiger Bestandteil in der Zentralasienforschung.

 

Globalisierungsprozesse verändern kulturelle Gepflogenheiten und wirken sich in verschiedenen Kultkurkreisen unterschiedlich aus. Das Forschungsprojekt behandelt unterschiedliche Fragestellungen zur Entstehung des Marktes sowie zu soziokulturellen Veränderungen im städtischen Leben Bischkeks, die primär mit dem neu geschaffenen Raum des Cafés hypotesiert werden. Ausgehend von dem Ansatz Third Place (Oldenburg 1999) wird untersucht, wie dieser dort neuartig geschaffene Raum in der Gesellschaft wahrgenommen wird.

 

Dabei handelt es sich um einen Ort, der nach dem First Place, dem Zuhause und dem Second Place, dem Arbeitsplatz, einen Ort zum Verweilen darstellt. Third Places definieren sich durch unterschiedliche Kategorien, allem voran sollen es Plätze des Ausruhens und der Kommunikation sein, in denen sich alle gesellschaftlichen Gruppen treffen können. Sie sind und waren fester Bestandteil unterschiedlicher Kulturkreise. Als prominenteste Beispiele gelten europäische Cafés oder - hauptsächlich durch Starbucks global verbreitet – Coffee shops. Zur Vereinfachung werden alle Variationen unter dem Begriff Café zusammengefasst. Cafés bieten in Bischkek neue Räume der Kommunikation und des Verweilens, die vorher so nicht vorhanden waren.

 

In Cafés etablierten sich einige Gegebenheiten wie freundlicher Service, teilweise Selbstbedienung, ohne Bestellzwang und kostenloses WLAN, die in anderen Gastronomien in dieser Kombination nicht vorkommen. Inwieweit sich städtische Alltagspraktiken in der Gesellschaft und der Lebensmittelkonsum angesichts der Attraktivität des dominant erscheinenden westlichen Lebensstils veränderten, ist der Ausgangsfrage dieses Forschungsprojekts.

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