Visuelles Gedächtnis Allgäu, Archiv Heimhuber

Reiner Beck, M.A.

Die Darstellung und Inszenierung der alpinen Welt in den Fotografien der Familie Heimhuber zwischen 1900 und 1930

 

Visuelles Gedächtnis Allgäu heisst der Bestand aus mehreren Hunderttausenden Bildern, welche die Fotografenfamilie Heimhuber seit 1877 in mehreren Generationen erschaffen hat und die seit 2011 digitalisiert werden. Die Arbeit konzentriert sich auf ca. 4500 Glasnegativplatten von ca. 1900 bis 1930. Ihre Geschlossenheit verdanken sie technischen Entwicklungen, welche In der Breite neue Möglichkeiten der Bewegungsdarstellung (Momentfotografie) brachten: Die Bildapparate lernten das Laufen.

Aus dieser Zeit, die mit der Ergänzung um drucktechnische Möglichkeiten einen immensen visuellen Schub erfuhr, stammt auch der unumgängliche Satz Tucholskys: »Ein Bild sagt mehr als tausend Worte«, den der Kommunikationsforscher Petersen richtig ergänzt: »Doch wir wissen nicht welche.« Visuelles und Verbales bleiben zunächst verschiedene Kanäle. Auch ist der Zugang zu historischen Bildern zwangsläufig anachronistisch.

Daher ist zunächst eine interdisziplinär angelegte medienhistorische Diskursanalyse der Fotografie der Zeit und eine Kategorisierung der Bilder mittels quantitativer Bildtypenanalyse nötig.

In der Folge greift die Untersuchung die Erinnerungsortekonzeption Noras mit Fokussierung auf diskursiven Chiffren und weniger realienkundlichen Details auf. In dem Sinne, dass nicht die Tradition, sondern die Art und Weise wie diese weitergegeben wird im Mittelpunkt steht, kommen auch Gedächtniskonzepte Aleida und Jan Assmanns sowie Gedächtnismodelle der Medienwissenschaft zum Einsatz.

Mit den Fotografien ist eine Untersuchung der Laboratorien des Gedächtnisses möglich. Auf Produktionsebene stehen die Fotografen als Agenten der Sichtbarkeit. Die Rezeption erfolgt erstmals auf massenmedialem Weg.  So kann die Arbeitsweise des kommunikativen und kulturellen Gedächtnisses im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit am Bildmaterial beforscht werden.

Fremdenverkehr war die Triebfeder des Bildhandelns der Fotografen.  Der Wandel des touristischen Blicks wird in Bezug zu Urris Konzept des romantic/collective gaze gesetzt: Während die Fotografien des Gründers Joseph Heimhuber in der Tradition der Landschaftsmalerei stehen, erweitern die Söhne Fritz und Eugen zunächst bei ihren Skitouren die Bildsprache. Hier zeigt sich eine bedeutende Entwicklung: Vom reinen Zeigen geht es fortan um Erleben und Zeigen bis hin zu einer ausschliesslich medialen Erfahrung einer nicht erreichbaren Welt als extremen Fall des Sehnsuchtsorts. Hier knüpfen Überlegungen zum Verhältnis von Werbung und Fotografie an.

Am Ende der kulturhistorischen Arbeit wird die zeitliche Dimension der ausgearbeiteten Chiffren alpiner Kultur im Hinblick auf kristalline Zeit ( Barthes punctum ) und Ikonizität sowie die aktuelle Rezeption der Bilder untersucht.             

 

Kontakt

Reiner Beck, M.A.

Mail: reiner.beck@philhist.uni-augsburg.de

 

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