Neuerscheinung: „Undoing Epistemic Violence in Academic Knowledge Production through Survivor’s Participation“, verfasst vom Farida Global Writing Collective

Jesidische Überlebende üben Kritik an epistemischer Gewalt und fordern Teilhabe an (höherer) Bildung und Wissenschaft – und das in einem akademischen peer-reviewed Journal. Damit widmet sich der Beitrag nicht nur inhaltlich dem, was der Titel fordert, sondern ist ein erster kleiner Schritt der Realisierung des Geforderten.

Der Beitrag „Undoing Epistemic Violence in Academic Knowledge Production through Survivor’s Participation. Learning from the Experiences of Yazidi Survivors“ ist Resultat – oder besser Zwischenstand – eines intensiven partizipativen und überlebenden-zentrierten Prozesses. Er ist im von Claudia Brunner herausgegebenen Special Issue „Un/Doing Epistemic Violence“ im Journal für Entwicklungspolitik (JEP) erschienen.

Zentrale Forderungen der Überlebenden zielen auf den respektvollen Umgang mit den materiellen wie immateriellen Ressourcen von Überlebenden sowie auf den (verbesserten) Zugang zu (höherer) Bildung, Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten sowie zum akademischen Diskurs. Es ist ein erster und vielversprechender Erfolg, dass Überlebende mit ihrer im Text geäußerten Kritik und ihren Vorschlägen im Rahmen des Wissenschaftssystem selbst – und vielleicht ja darüber hinaus – Gehör finden:

„For researchers and academics, for others working in the educational system, for policymakers and those with the power to contribute to changing the current system(s), and for those who simply want to be allies to our cause or to lend a friendly ear, this is a call to deeply listen to the following testimonies of epistemic violence, and to take related recommendations and proposals to improve the current system into consideration.“ (Farida Global Writing Collective 2023: 32-33)

Gleichzeitig versteht sich der Beitrag des Farida Global Writing Collective als Einladung an andere Überlebende von Menschenrechtsverletzungen: Er ist ein Appell, trotz der vielfältigen Erfahrungen der Instrumentalisierung, Ignorierung, Herabwürdigung oder sogar Auslöschung des eigenen Wissens nicht zu resignieren, sondern sich stattdessen gemeinsam dafür einzusetzen, selbstbestimmt an Prozessen von Wissensgenerierung und ‑vermittlung in Forschung und Bildung teilzuhaben:

„By our example, we hope to contribute to the change we want to see in the academic world in order to make it a truly inclusive place […]. We address all survivors who have been disappointed and disillusioned, with the hope to re-build trust and the message that a permanent and equal seat at the table of academic knowledge production is worth fighting for.“ (Farida Global Writing Collective 2023: 47)

Wer oder was ist das Farida Global Writing Collective?

Die Verbrechen des sogenannten Islamischen Staats (IS) an Jesid*innen, die am 19. Januar 2023 vom Deutschen Bundestag offiziell als Völkermord anerkannt wurden, begannen am 3. August 2014 in der Sindschar-Region im Nordirak. Die NGO Farida Global Organisation (FGO) wurde von Überlebenden dieses Völkermords gegründet, um sich gemeinsam mit diversen Bündnispartnern weltweit für den Schutz und die Rechte von Überlebenden einzusetzen, die von schwersten Menschenrechtsverletzungen und konfliktbasierter sexualisierter Gewalt betroffen waren und sind.

Das Farida Global Writing Collective bezieht sich namentlich auf die NGO und ist deren Grundprinzipien verpflichtet. So arbeitet das Schreibkollektiv etwa überlebenden-zentriert und ‑geführt, partizipativ, psychosozial- und trauma-informiert sowie kultursensibel. Dabei stellt es eine Art Unterstützungsmechanismus dar: „[it] was formed as a mechanism to support and assist individual survivors in writing their expert knowledge down and connecting it to relevant disciplines“ (Farida Global Writing Collective 2023: 31). Daher umfasst das Schreibkollektiv neben sich bei FGO engagierenden Überlebenden weitere Personen – und es ist zukünftig offen für wechselnde Autor*innenschaft und damit als solches eine Einladung zu Teilnahme und Teilhabe:

„The Farida Global Writing Collective aims at developing and expanding in the future. It is not linked to specific individual authors but is open to changing authorships, as long as the authority and authorship of survivors are acknowledged.“ (Farida Global Writing Collective 2023: 31)

Als Farida Global Writing Collective wirkten dieses Mal zusammen: Farida Khalaf, Sanaa Ali Alneamat, Intisar Oso, Christina Pesch, Saeed Qasim Sulaiman, Khalid Qasim, Miriam Weller und Michaela Zöhrer.

Kontakt

writingcollective[at]faridaglobal.org

Literatur

Farida Global Writing Collective (2023): Undoing Epistemic Violence in Academic Knowledge Production through Survivor’s Participation. Learning from the Experiences of Yazidi Survivors, in: JEP – Journal für Entwicklungspolitik XXXIX 1‑2/2023 (Special Issue: Un/Doing Epistemic Violence), 30-49.

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