Fünfzig Jahre Friedens- und Konfliktforschung

Mit starker Augsburger Beteiligung feierte die Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK) ihr 50-jähriges Bestehen in Berlin: Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth gratulierte mit einer engagierten Rede und forderte, die Disziplin besser auszustatten und systematisch zu stärken, Rebecca Gulowski und Natalie Gehringer präsentierten ihre Forschungsergebnisse unter dem Titel „Gewaltbegegnungen: Transgressionen zwischen Gewalt- und Friedensforschung“, Prof. Christoph Weller wirkte am Panel „Wissenstransfer und Transferwissen in den Studiengängen der Friedens- und Konfliktforschung“ mit und Nora Schröder leitete das Treffen des AFK-Arbeitskreises „Curriculum und Didaktik“, dessen „Augsburger Erklärung“ Bezugspunkt der Berliner Diskussionen an ganz verschiedenen Stellen war.

Dass sie selbst aus der Friedensstadt Augsburg kommt, war sicher nicht der einzige Grund, weshalb Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth als Gratulantin des Parlaments bei der 50. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK) an die sieben Jahre zwischen 2010 und 2016 erinnerte, in denen die AFK-Geschäftsstelle an der Universität Augsburg angesiedelt war: Aus ihrer Sicht war dies eine entscheidende Zeit für die gesamte Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland. Entsprechende Studiengänge wurden etabliert, die Verbandsarbeit wurde professionalisiert und nicht zuletzt wurde unter der Mitherausgeberschaft des Augsburger Friedensforschers und AFK-Vorstandsmitglieds Prof. Dr. Christoph Weller die wissenschaftliche „Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung“ (ZeFKo) gegründet.


Das Rahmenthema des 50. AFK-Kolloqiums, das Mitte April 2018 in Berlin stattfand lautete "Frieden – Konflikt – Wissenschaft. Reflexionen zu Forschung und Praxis". Anlässlich des Jubiläums befassten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jahrestagung 2018 mit grundsätzlichen Fragen ihrer Disziplin: Wie kann Friedens- und Konfliktforschung den eigenen Ansprüchen und Herausforderungen entsprechen, um wissenschaftliche Beiträge zum Frieden zu leisten? Wie geht sie mit dem selbstgestellten Anspruch um, methodisch und theoretisch inter- und transdisziplinär vorzugehen? Wie bleibt die Friedens- und Konfliktforschung praxisrelevant bei der beständigen Gefahr, sich politisch instrumentalisieren zu lassen?


Mehr als Politikberatung
In ihrer Gratulationsadresse blickte die Bundestagsvizepräsidentin nicht nur zurück, sie formulierte auch klare Erwartungen an die weiteren Entwicklungen: „Die Friedensforschung sollte auch in Zukunft nicht auf die Politikberatung reduziert werden, sondern zunächst einmal in die Lage versetzt werden, ihre grundlegende und interdisziplinäre Forschungsaufgabe bestmöglich zu erfüllen. Beides nämlich geht Hand in Hand: Die Politik ist auf wissenschaftlich fundierte Informationen und Empfehlungen angewiesen, die Friedens- und Konfliktforschung darauf, unter förderlichen Bedingungen ihre Arbeit machen zu können – und daraus dann politische Handlungsempfehlungen abzuleiten", so Claudia Roth.


Im Mittelpunkt: dekoloniale und postkoloniale Ansätze
Welche Erwartungen an die Ergebnisse der Friedens- und Konfliktforschung gerichtet werden dürfen, war Thema verschiedener Panels des Berliner AFK-Kolloquiums. Die Erfordernisse der Praxis, etwa des Peacebuilding, der Transitional Justice, der Krisenprävention oder des Wissenstransfers in die Politik wurden dabei ebenso (selbst-)kritisch und anspruchsvoll diskutiert wie methodologische, forschungsethische und historische Dimensionen der Friedens- und Konfliktforschung. Dekoloniale und postkoloniale Ansätze nahmen dabei eine herausgehobene Rolle ein, zumal der gerade neu erschienene zweite, von Dr. Cordula Dittmer herausgegebene ZeFKo-Sonderband präsentiert werden konnte, der sich ausschließlich mit de- und postkolonialen Perspektiven in der Friedens- und Konfliktforschung auseinandersetzt.

Die „ “: Bezugspunkt für Forschungsansätze und Lehrkonzepte
Wo sich die Tagung um die Nachwuchsförderung in der Friedens- und Konfliktforschung sowie um die Forschungsperspektiven zu aktuellen Fragestellungen – z. B. zu Ressourcenkonflikten, zum Rassismus, zu Bürgerkriegen oder zur Friedensarbeit – drehte, wurde immer wieder auf die „Augsburger Erklärung“ verwiesen, die Ende 2017 auf einer Tagung des AFK-Arbeitskreises „Curriculum und Didaktik“ an der Universität Augsburg erarbeitet worden war. Indem sie konzise darlegt, mit welchem Selbstverständnis die Lehrenden der Studiengänge im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung unterrichten, ist sie aktueller Bezugspunkt für Forschungsansätze und Lehrkonzepte. „Da jede Lehrsituation, gerade bei der Beschäftigung mit Frieden und Gewalt, auch von sozialen Konflikten beeinflusst ist", so heißt es in dieser Erklärung, "erfolgt die Auseinandersetzung mit den genannten Themen reflexiv mit entsprechenden Konsequenzen für die didaktische Ausgestaltung der Lehre in der Friedens- und Konfliktforschung.“


Bessere Ausstattung und systematische Stärkung
Bei aller Anerkennung der beeindruckenden 50-jährigen Entwicklungsgeschichte der AFK wurden aktuelle Herausforderungen und Probleme nicht verschwiegen: die prekäre finanzielle Ausstattung der „Deutschen Stiftung Friedensforschung“ (DSF), die Kluft zwischen zu geringen Studienplatz- und steigenden Bewerbungszahlen oder die den öffentlichen Diskurs prägende Sicherheitslogik, die kaum Raum für präventive, „friedenslogische“ oder herrschaftskritische Ansätze lässt. Vor allem aber waren es die Krisenhaftigkeit der Welt, neue Bedrohungen und eskalierende Konflikte sowie eine vielfach beobachtbare politische Unvernunft im Umgang mit diesen Herausforderungen, die als Argument für mehr Forschung zu Fragen von Frieden und Krieg vorgebracht wurden und Bundestagsvizepräsidentin Roth zu einem klaren Statement kommen ließ: „Für mich persönlich ist deshalb klar: Wir müssen die Friedensforschung besser ausstatten und systematisch stärken, denn nur so erhält sie den Freiraum, den es braucht, in einer sich wandelnden Welt nicht nur Schritt zu halten, sondern bestenfalls voranzugehen.“
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Die Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK)
... wurde 1968 als deutsche Wissenschaftsvereinigung von Friedens- und Konfliktforscherinnen und -forschern aus allen akademischen Disziplinen gegründet. Derzeit zählt die sie über 300 Mitglieder. Die AFK fördert wissenschaftliche Arbeiten, die zu einem Verständnis der Ursachen von Frieden und Krieg beitragen und Grundlage für eine am Frieden orientierte politische Praxis sein sollen. Im Zentrum ihrer Aktivitäten veranstaltet die AFK jedes Jahr ein Kolloquium (im Frühjahr). Dieses Kolloquium steht jeweils unter einem inhaltlichen Rahmenthema und dient sowohl dem internen wissenschaftlichen Austausch als auch der Vermittlung der Friedens- und Konfliktforschung in die Öffentlichkeit. Diese Öffentlichkeitsfunktion übernimmt auch das seit 2012 von der AFK herausgegebene peer-reviewed Journal "Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung" (ZeFKo).“ Mehr auf
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