Prof. Weller, ist eine Welt ohne Krieg realistisch? In 2000 Zeichen?

Die Redaktion des Studierenden-Magazins „audimax campus“ stellte 100 Fragen und bat Prof. Christoph Weller, mit maximal 2000 Zeichen die Frage zu beantworten, ob eine Welt ohne Krieg realistisch ist. Die kurze Antwort ist erschienen in audimax campus 03-WS 2021, S. 28.

 

Ist eine Welt ohne Krieg realistisch?

von Christoph Weller

Wenn wir mit „Krieg“ ausschließlich die gewaltsame, militärische Auseinandersetzung unmittelbar zwischen zwei Staaten und ihren militärischen Verbänden bezeichnen, ist eine Welt ohne Krieg sehr realistisch! Fast keiner der knapp 200 Staaten auf der Welt führt aktuell einen solchen zwischenstaatlichen Krieg gegen einen anderen Staat. Aber in nicht wenigen Staaten herrschen Bürgerkriege. Dabei kämpft eine organisierte, bewaffnete Opposition oder unterdrückte Gruppe gegen eine Regierung, die ihre Herrschaft durch Rückgriff auf die staatlichen Gewaltapparate (Militär, paramilitärische Verbände, Polizei, Geheimdienste) aufrechterhält. Häufig handelt es sich dabei auch um internationalisierte Gewaltkonflikte und Bürgerkriege, weil sich andere Staaten einmischen und einzelne Konfliktparteien, häufig auch militärisch, unterstützen, ohne dass die Bürgerkriege dadurch allerdings zu zwischenstaatlichen Kriegen eskalieren.

Eine Welt ohne zwischenstaatlichen Krieg ist realistisch, aber dass es auch keine Bürgerkriege mehr gibt, ist aus meiner Sicht eher unwahrscheinlich. Die Herrschenden stehen ständig in der Gefahr, die ihnen gegebene Macht für eigene Interessen und Bedürfnisse auszunutzen und zu überdehnen. In Staaten stehen den Herrschenden zur Sicherung ihrer Macht die staatlichen Gewaltapparate zur Verfügung. So mussten Anfang Januar 2021 zehn ehemalige US-Verteidigungsminister den abgewählten Präsident Trump davor warnen, zur Fortsetzung seiner Präsidentschaft das Militär zu nutzen, das verfassungsgemäß unter dem Oberbefehl des US-Präsidenten steht. Diese staatliche Herrschaftsstruktur wird Konflikte zwischen Herrschenden und Beherrschten, zwischen autoritär regierenden Machthabern und benachteiligten oder unterdrückten Bevölkerungsgruppen immer wieder eskalieren lassen und zu Bürgerkriegen führen. Und dies passiert, obwohl die Friedens- und Konfliktforschung zeigen kann, dass gewaltfreier Widerstand mittel- und langfristig viel erfolgreicher ist für die Etablierung einer demokratischen Herrschaftsform als der gewaltsame Kampf gegen eine autoritär regierende Machtelite. Aber je früher den Entwicklungen zu autokratischen Herrschaftsformen entgegengetreten wird, um so eher lässt sich der Bürgerkrieg vermeiden und in Zukunft vielleicht auch eine Welt ohne Bürgerkriege realisieren.

 

erschienen in: 33 (2021): 3, 28

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