Expertenanhörung zur epidemischen Lage im Bundestag

Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger © Universität Augsburg

 

Am 9. September 2020 befasste sich der Deutsche Bundestag mit Fragen danach, ob und unter welchen Voraussetzungen die am 25. März 2020 vom Bundestag wegen der Covid-19-Pandemie getroffene Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufzuheben ist. Diese Feststellung ist u. a. Voraussetzung für die Aktualisierung weitreichender Ermächtigungen des Bundesministeriums für Gesundheit zum Erlass von Rechtsverordnungen und Anordnungen zur Eindämmung der Pandemie. Das Parlament kann die Feststellung der epidemischen Lage aufheben, wenn die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen.

Die geladenen Experten äußerten sich u.a. in schriftlichen Stellungnahmen. So auch Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger, ZIG-Mitglied und Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Universität Augsburg, der als Experte zur Anhörung geladen war und eine entsprechende Stellungnahme zum Fortbestand der epidemischen Lage abgegeben hat, in der er die Kriterien für das Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erörtert, auf die Aufhebungspflicht bei Fortfall der Voraussetzungen wie auf die Beobachtungspflicht und auf die diesbezügliche Einschätzungsprärogative des Bundestags verweist. Darüber hinaus betonte Wollenschläger die Wichtigkeit einer fortlaufend aktualisierten Bewertung der gegenwärtigen Situation. Aufgrund einer aktuellen Risikoeinschätzung des Robert Koch-Instituts liegen für Wollenschläger wesentliche für die Bejahung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite relevante Parameter vor (wie bspw. Dynamik, bundesweites Ausbruchgeschehen, erhebliche Gefährdung für die öffentliche Gesundheit).

Mediziner wenden sich mit Verweis auf zuletzt wieder gestiegene Infektionszahlen gegen eine vorzeitige Aufhebung der vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite und rechtfertigten den Ausnahmezustand. Bundesärztekammer (BÄK), die Gesellschaft für Virologie (GfV) und Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnen vor einer Aufhebung der epidemischen Lage, da andernfalls eine Überlastung des Gesundheitssystems zu befürchten sei.

Juristen gaben allerdings zu bedenken, dass die mit dem Feststellungsbeschluss einhergehenden Befugnisse für das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verfassungsrechtlich bedenklich seien. Die Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen auf eine gesetzlich nicht angeleitete Exekutive schwäche vor allem die Opposition. Außerdem werde der fatale Eindruck eines Ausnahmezustandes erzeugt, der nicht in den üblichen, von der Verfassung vorgegebenen Formen und Verfahren bewältigt werden könne.
 

Zur Stellungnahme von Prof. Dr. Wollenschläger

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